Psychologie
Nicht sichtbare Behinderungen: Was Sie für mehr Inklusion tun können
Veröffentlicht am:17.06.2025
3 Minuten Lesedauer
Wer von Behinderung spricht oder hört, denkt vermutlich an eine Person im Rollstuhl oder mit einem Blindenstock. Doch häufig sind die Einschränkungen viel weniger offensichtlich. So unterstützen Sie die Teilhabe von Betroffenen.

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Was sind nicht sichtbare Behinderungen und welche gibt es?
Behindertenausweis, reservierte Sitzplätze, barrierefreie Parkplätze – all das sind wichtige Hilfen für Menschen mit Behinderungen. Doch was ist mit denen, deren Einschränkung nicht sofort ersichtlich ist? Schließlich lässt sich die Inkontinenz nach einer Prostata-OP besser verbergen als eine Gehhilfe. Viele Betroffene kämpfen täglich mit Einschränkungen und chronischen Krankheiten, die ihre Mobilität oder ihr Energielevel senken – und die andere nicht sofort erkennen. Dazu gehören Multiple Sklerose, Long Covid, Diabetes, chronische Schmerzen oder psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Auch Lähmungen, Folgeerkrankungen durch Krebs, Endometriose, eine Autismus-Spektrums-Störung, Hörschäden oder neurologische Erkrankungen wie Epilepsie fallen in diese Kategorie. Manche davon sind vorübergehend, wie eine eingeschränkte Beweglichkeit nach einem Schlaganfall. Andere sind dauerhaft, treten aber nicht ständig auf, beispielsweise Migräne. Je nach Tagesform kann es Betroffenen mal besser, mal schlechter gehen. Das Problem dabei: Weil man ihnen nichts ansieht, wird der Bedarf an Unterstützung oft infrage gestellt. Das kann zu Missverständnissen und Vorurteilen bei anderen sowie unnötigem Stress für die betroffenen Menschen führen.
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Warum stehen Betroffene so oft unter Erklärungsdruck?
Insbesondere, wenn Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen Hilfsmittel nur zeitweise brauchen, ist das Umfeld verwirrt oder reagiert ungläubig: Weshalb ist jemand heute auf einen Rollstuhl angewiesen, kann aber morgen mit Unterbrechungen laufen? Und warum arbeitet eine Person an einem Tag ganz normal und schafft am nächsten kaum ihre Aufgaben? Für Außenstehende ist das oft schwer zu verstehen. Manche halten es für „Simulation“ oder eine Übertreibung. In Wahrheit ist es aber eine typische Eigenschaft vieler nicht sichtbarer Behinderungen. Die Folge: Wer eine nicht sichtbare Einschränkung hat, muss sich oft rechtfertigen oder wird skeptisch beäugt. Man unterstellt Betroffenen, sie würden Vorteile ausnutzen. Das kann Menschen mit Behinderung enorm belasten – seelisch und körperlich.
Nicht sichtbare Behinderungen und das Symbol Sonnenblume: Was bedeutet sie?
Um diese Unsicherheiten abzubauen, gibt es Initiativen wie das Hidden Disabilities Sunflower-Programm. Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen können eine Sonnenblume als Symbol tragen – auf einer Karte, einem Armband oder einem Schlüsselband. Das signalisiert: „Ich habe eine nicht sichtbare Einschränkung und könnte Unterstützung brauchen.“ In vielen Ländern gibt es dieses Programm bereits an Flughäfen, in Supermärkten oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Seit der Einführung 2016 am Flughafen Gatwick in Großbritannien wächst das Netzwerk. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 300 Flughäfen (in Deutschland sind es Hamburg, Berlin und Düsseldorf) sowie Unternehmen aus Bereichen wie Einzelhandel, Tourismus, Bildung oder öffentlicher Verkehr.

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Heißt es unsichtbare, versteckte oder nicht sichtbare Behinderung?
Der Begriff „unsichtbare Behinderung“ kann irreführend sein und unbeabsichtigt andeuten, dass die Behinderung gar nicht existiert. „Versteckte Behinderung“ kann fälschlicherweise so interpretiert werden, dass Betroffene ihre Behinderung verstecken oder verbergen möchten oder dies sollten. Korrekt ist „nicht sichtbare Behinderungen“. Dies bezeichnet alle „nicht erkennbaren“ beziehungsweise „nicht wahrnehmbaren“ Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Übrigens: In Übereinstimmung mit den UN-Behindertenrechtskonventionen heißt es auch nicht mehr „behinderte Menschen“, sondern „Menschen mit Behinderung“.
Tipps gegen Diskriminierung, für Inklusion: So kann jeder und jede helfen
Für eine Gesellschaft, in der sich alle wohlfühlen: Jeder und jede kann das Leben von Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen ein wenig erleichtern und die Inklusion stärken:
- Nicht vorschnell urteilen: Nur weil jemand gesund aussieht, heißt das nicht, dass er oder sie keine Unterstützung oder Hilfsmittel braucht.
- Mehr Aufmerksamkeit für das Thema schaffen: Je mehr Menschen über nicht sichtbare Behinderungen Bescheid wissen, desto weniger Vorurteile gibt es.
- Hilfe anbieten – und akzeptieren, wenn sie abgelehnt wird: Jeder Mensch weiß am besten, was ihm guttut.
Wer selbst von einer nicht sichtbaren Behinderung betroffen ist, sollte sein nahes Umfeld und bei Bedarf auch seine Arbeitgeberin oder seinen Arbeitgeber einweihen. Letzteres ist natürlich keine Pflicht. Eine Aufklärung im Umfeld schützt aber vor Vorurteilen und sorgt hoffentlich dafür, dass Sie sich weniger erklären müssen, wie Sie Ihr Leben führen.
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