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Gesundheitsmagazin

Pflegeformen

Die Pflege-WG: Betreutes Wohnen für junge Erwachsene mit Behinderung

Veröffentlicht am:27.10.2022

4 Minuten Lesedauer

Wenn Kinder mit Behinderung erwachsen werden und ausziehen, stellt sich die Frage, welche Wohnformen für sie möglich sind. In manchen Fällen ist eine Pflege-Wohngemeinschaft eine selbstbestimmte Alternative zum stationären Wohnen.

Rollstuhlfahrerin zieht in eine Pflege-WG, eine von vielen Wohnformen für Menschen mit Behinderung.

© iStock / sturti

Wann sollten Kinder mit einer Behinderung ausziehen?

Wenn erwachsene Kinder ausziehen, ist das für sie und ihre Familie immer eine herausfordernde Zeit. Bei Kindern mit Behinderungen kommen noch einige sehr spezielle Fragestellungen hinzu: Wie regelt man die Betreuung und Pflege? Und welche Wohnformen sind überhaupt möglich?

Den einen richtigen Zeitpunkt, zu dem ein Kind mit Behinderung ausziehen kann oder sollte, gibt es nicht. Wichtig ist, dass das Kind sich selbst wünscht auszuziehen – und dass es die Unterstützung der Eltern und anderer Angehörigen spürt. Denn das Abnabeln von den Eltern ist ein großer Schritt, der oft mit Angst und Unsicherheit verbunden ist. Für viele Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen ist der Abnabelungsprozess im jungen Erwachsenenalter einfacher als etwa im Alter von 30 oder 40 Jahren, da sie sich leichter auf Veränderungen einstellen können.

Welche Wohnformen für Menschen mit Behinderungen gibt es?

Grundsätzlich sind zwei verschiedene Wohnformen für junge Menschen mit Behinderungen möglich:

  • Stationäres Wohnen: Leben in einem Wohnheim mit zeitweiliger oder 24-Stunden-Betreuung.
  • Ambulant betreutes Wohnen: Selbstbestimmtes Wohnen mit Unterstützung durch Fachkräfte, zum Beispiel in einer eigenen Wohnung oder einer Wohngemeinschaft (WG) für behinderte Menschen. Eine besondere Form des ambulant betreuten Wohnens ist das Leben bei einer Gastfamilie. In diesem Fall stellen Familien oder andere private Haushalte den Personen mit Behinderung ein Zimmer und binden sie in den Familienalltag ein.

Ein häufiges Problem ist, dass die Bedürfnisse junger pflegebedürftiger Menschen sich in vielen Punkten von denen älterer Menschen unterscheiden. Die meisten Einrichtungen sind jedoch vor allem auf die Pflege im Alter eingestellt. Dabei sind junge pflegebedürftige Personen in einem Wohnheim oder einer Wohngruppe, in der nur Senioren und Seniorinnen leben, nicht optimal untergebracht.

Eine Alternative können bestehende oder neu gegründete Pflege-Wohngemeinschaften darstellen, in denen ein Zusammenleben mit Gleichaltrigen mit und ohne Behinderung möglich ist (inklusives Wohnen). Die Bewohnerinnen und Bewohner haben dabei in der Regel ein eigenes Zimmer als Rückzugsmöglichkeit, aber auch gemeinschaftlich genutzte Räume wie Küche und Wohnzimmer zur Verfügung.

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Wie funktioniert eine anbieterorganisierte Pflege-WG?

Es gibt zwei Organisationsformen von Wohngemeinschaften für behinderte Menschen: anbieterorganisierte und privat organisierte Pflege-WGs. Bestehende Wohngemeinschaften, die von einem Träger organisiert werden, bringen für die Bewohner und ihre Angehörigen zunächst weniger Aufwand und Verantwortung mit sich – aber teilweise auch weniger Gestaltungsmöglichkeiten.

Bei einer anbieterorganisierten Pflege-Wohngemeinschaft gründen und organisieren zum Beispiel Träger von Pflegediensten, Kommunen oder Bürgervereine die WG. Der Betreiber entscheidet unter anderem über die Gestaltung der Räumlichkeiten und darüber, wer einziehen darf. Dafür muss er sich an bestimmte bundes- und landesweite Vorschriften halten, die zum Beispiel Personal, Mitbestimmungsrechte und Wohnqualität betreffen. Die staatliche Heimaufsicht kontrolliert, ob diese auch eingehalten werden.

Zwei Jugendliche, die in einer Wohnform für Menschen mit Behinderung leben, sitzen gemeinsam bei Kaffee und Kuchen.

© iStock / monkeybusinessimages

Junge pflegebedürftige Personen sind in einem Wohnheim oft nicht optimal untergebracht, eine alternative Wohnform für Menschen mit Behinderung, ist z. B. eine Pflege-WG.

Was ist eine selbstorganisierte Pflege-WG?

Die Plätze in anbieterorgansierten Pflege-Wohngemeinschaften sind jedoch rar, und auch nicht jede Art von WG passt zu jedem pflegebedürftigen Menschen. Eine privat organisierte Pflege-WG kann daher eine Alternative sein: Hier gründen die Bewohner und Bewohnerinnen oder ihre Angehörigen eine solche WG, die sie selbstbestimmt organisieren und verwalten. Sie selbst entscheiden auch, wer einzieht und wie sich der Alltag gestaltet. Rechtlich ist hier – im Gegensatz zu anbieterorganisierten WGs – die Heimaufsicht nicht zuständig, wenn es Fragen oder Beschwerden gibt.

Wie gründe ich eine Pflege-WG?

Wenn die Entscheidung gefallen ist, eine WG selbst zu gründen, muss einiges organisiert werden:

  • ein Mietvertrag für die Räumlichkeiten
  • ein Vertrag über Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, bei dem die Bewohner festlegen, dass sie eine oder mehrere sogenannte Präsenzkräfte einstellen, welche die Bewohner in ihrem Alltag unterstützen und bei der Organisation helfen
  • verschiedene Pflegedienstverträge, in denen die pflegebedürftigen Bewohner die individuellen Pflegeleistungen festhalten
  • eine Gemeinschaftsvereinbarung, die (bei Bedarf) das allgemeine Miteinander regelt

Welche Zuschüsse gibt es für selbstorganisierte Pflege-WGs?

Die Kosten, die bei der Gründung einer Pflege-WG entstehen, sind nicht zu unterschätzen. Die Bewohner und ihre Angehörigen müssen sie jedoch nicht komplett alleine stemmen. Es gibt einige Fördermöglichkeiten. Übrigens: Bei einem schwerbehinderten Kind, das seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann und deswegen von den Eltern unterstützt wird, bleibt der Anspruch auf Kindergeld im Normalfall ein Leben lang bestehen, auch wenn es in eine eigene Wohnung zieht.

  • 1. Wohngruppenzuschlag

    Einen Wohngruppenzuschlag, der bei der Pflegekasse beantragt wird, gibt es für Pflege-WGs, die die Voraussetzungen für eine ambulant betreute Wohngruppe erfüllen. Jede pflegebedürftige Person in der WG kann zusätzlich zu sonstigen Leistungen (wie Pflegegeld und ambulante Pflegesachleistungen) eine Pauschale in Höhe von derzeit 214 Euro im Monat erhalten, von der die genannte Präsenzkraft bezahlt wird. Diese gehört auch zu den Voraussetzungen für den Wohngruppenzuschlag – neben einem gemeinschaftlichen Zusammenleben mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Menschen, davon mindestens zwei Pflegebedürftigen.

  • 2. Gründungszuschuss

    Alle Pflegebedürftigen, die sich an der Neugründung einer Pflege-WG beteiligen, können bei ihrer Pflegekasse eine Anschubfinanzierung von derzeit bis zu 2.500 Euro beantragen. Insgesamt ist dieser Zuschuss aktuell pro WG auf 10.000 Euro begrenzt.

  • 3. Umbaumaßnahmen

    Unabhängig vom Gründungszuschuss kann jede und jeder Pflegebedürftige bei der Pflegekasse einen Zuschuss für notwendige Umbaumaßnahmen in der Pflege-WG beantragen, zum Beispiel für einen Aufzug oder andere Maßnahmen zur Barrierefreiheit (wohnumfeldverbessernde Maßnahmen). Pro Person ist hier zur Zeit ein Zuschuss von bis zu 4.000 Euro möglich, pro Pflege-WG maximal 16.000 Euro.

Fazit: Eine Pflege-WG stellt eine spannende Form des betreuten Wohnens für behinderte junge Erwachsene dar. Hier können pflegebedürftige und nicht pflegebedürftige Menschen inklusives Wohnen leben und – gemeinsam mit entsprechenden Fachkräften – einander unterstützen. Es empfiehlt sich jedoch, sich vor einer Gründung gut über die notwendigen Verträge und Voraussetzungen für Fördermöglichkeiten zu informieren, um den bestmöglichen Start für eine Pflege-WG zu schaffen.

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