Psychologie
Die Angst vor Ansteckung: Was ist eine Mysophobie?
Veröffentlicht am:11.07.2025
4 Minuten Lesedauer
Keime und Verunreinigungen begegnen Menschen täglich. Das stellt Personen mit Mysophobie vor Herausforderungen: Sie haben eine extreme Angst vor Viren, Bakterien oder Schmutz. Doch an welcher Stelle hört das Unbehagen auf und wo beginnt die Angst?

© iStock / Serhii Sobolevskyi
Ansteckungsangst: Das versteht man unter Mysophobie
Eine gewisse Furcht in gefährlich oder unangenehm erscheinenden Situationen ist natürlich – sie dient dem Selbstschutz. Die Furcht kann sich etwa durch gewisse Berührungsängste mit Schmutz oder ein Unbehagen in unmittelbarer Nähe eines stark hustenden Menschen äußern. Bei einer Mysophobie entwickeln Menschen jedoch eine krankhafte Angst und Abneigung in Verbindung mit Mikroorganismen und Schmutz. Mediziner und Medizinerinnen bezeichnen die Mysophobie auch als Germophobie. Das internationale Klassifikationssystem ICD-10 zur Verschlüsselung von Krankheiten zählt die Mysophobie zu den Angsterkrankungen, genauer gesagt zu den spezifischen Phobien. Dabei haben Menschen meist vor etwas konkretem Angst: Im Fall der Mysophobie vor Verunreinigung und Verschmutzung oder Keimen, also einer Kontamination. Bei der Ansteckungsangst greift nicht der normale Schutzmechanismus, den jeder Mensch zur Vermeidung von Ansteckungen hat, sondern es besteht eine quälende, unbegründete und übersteigerte Angst.
Passende Artikel zum Thema
Diese Symptome deuten auf eine Mysophobie hin
Bei einer Mysophobie beschäftigen sich Betroffene intensiv mit den Themen Verschmutzung und Ansteckung. Mit aller Kraft versuchen sie, den Kontakt mit Keimen und Verunreinigungen zu vermeiden. Das kann Lebensmittel, Gegenstände oder Oberflächen betreffen – bei denen Erkrankte nicht sicher sind, wie sauber diese sind. Vermutlich löst der Kontakt mit Körperflüssigkeiten anderer Menschen, etwa durch benutzte Taschentücher oder Pflaster, Ängste bei Betroffenen aus. Das Gleiche gilt für Keimträger wie Schmutz, Staub oder Schimmel.
Die Mysophobie kann zu diesen führen: Betroffene
- tragen unterwegs Handschuhe, um Kontakte mit kontaminierten Oberflächen zu vermeiden.
- berühren möglichst keine Haltestangen, Fahrstuhlknöpfe oder Kleingeld.
- ziehen sich aus sozialen Situationen heraus – Handgeben oder Tierestreicheln ist undenkbar.
- decken häufig genutzte Gegenstände wie Fernbedienungen zum Schutz ab.
- treten direkt den Heimweg an, wenn sie Ihrer Einschätzung nach in einer Situation Keimen ausgesetzt sind oder brechen diese Situation ab.
- minimieren den Aufenthalt in öffentlichen Bereichen, etwa Toiletten – hier können sie die Sauberkeit der Umgebung nicht so kontrollieren wie zu Hause.
Denken Betroffene an die Verunreinigung oder sind einer befürchteten Kontamination ausgesetzt, können sie mit körperlichen Symptomen reagieren. Sie sind leicht reizbar, fühlen sich benommen, unruhig, schwitzen oder haben schnelleren Herzschlag.
Wie bei allen psychischen Krankheiten fallen die Ausprägung der Beschwerden und ihre Auswirkungen unterschiedlich aus – die Situation ist also nicht für alle Erkrankten gleich belastend.
Was sind die Ursachen einer Mysophobie?
Warum einige Menschen eine Ansteckungsphobie entwickeln und andere nicht, liegt an verschiedenen Faktoren. Einen gewissen Beitrag zur Entstehung leistet die Genetik: Eine familiäre Vorgeschichte mit Angststörungen erhöht das Risiko für Phobien. Auch ein emotionales Trauma kann eine Mysophobie auslösen – zum Beispiel, wenn eine nahestehende Person durch eine Infektionskrankheit stirbt. Zudem spielt das persönliche Umfeld eine Rolle: Wurde die Hygiene in Ihrem Elternhaus penibel gehandhabt? Forschenden zufolge üben Werbekampagnen einen Einfluss aus. Sie vermitteln Zuschauenden ein negatives Bild von Keimen, Strategien zur Sterilisation und damit zur Schaffung einer angeblich erforderlich sicheren Umgebung. Tatsächlich gelten aber weniger als ein Prozent aller Mikroben als Krankheitserreger für den Menschen.

© iStock / FG Trade
Traten in der Corona-Pandemie mehr Fälle von Mysophobie auf?
Während der Corona-Pandemie konzentrierten sich die Berichterstattung und die öffentliche Gesundheitskommunikation besonders auf die Gefährlichkeit des SARS-CoV2-Virus. Auch die Risiken einer Ansteckung waren vielfach Thema. Einige Menschen reagierten darauf mit sehr ausgeprägten Verhaltensweisen, die zum Teil irrational waren. Das Ziel: Den Kontakt mit dem Virus komplett zu vermeiden. Es gibt aber keine Daten dazu, ob dadurch zusätzliche Fälle von Mysophobie ausgelöst wurden.
Passende Angebote der AOK
Kursprogramm „Lebe Balance“
Mit dem Kursprogramm „Lebe Balance“ fördern Sie aktiv Ihre psychische Gesundheit. Hier erfahren Sie, wie Sie achtsam mit sich selbst umgehen und mehr innere Stärke erlangen. Dabei helfen Ihnen verschiedene Tests und Achtsamkeitsübungen.
Ist Mysophobie eine Zwangsstörung?
Ängste und Zwänge liegen oft nah beieinander. Bei der Mysophobie stehen die Angst und das Vermeidungsverhalten im Vordergrund. Häufig resultiert das in oft wiederkehrenden Handlungen wie Desinfizieren oder Waschen. Menschen mit Zwangsstörungen leiden unter ständig wiederholenden und nicht nachvollziehbaren Gedanken oder Handlungen. Sie fühlen sich dazu gedrängt, um Anspannung und Unwohlsein zu lindern. Daher wird die Mysophobie nicht als Zwangsstörung betrachtet. Allerdings kann beides gemeinsam auftreten. So ist es nicht unüblich, dass Personen mit einer Mysophobie einen Wasch- oder Putzzwang entwickeln. Dabei greifen Angst und Zwang ineinander: Aus der übertriebenen Sorge heraus, sich anzustecken, halten Betroffene sich selbst und ihre Wohnumgebung übermäßig sauber. Sowohl eine Zwangsstörung als auch eine Mysophobie kann bei Kindern und Erwachsenen auftreten.
Diagnose und Therapie: Was kann man gegen Mysophobie tun?
Wenn Betroffene schleunigst Abstand zu niesenden Menschen nehmen oder stets Desinfektionstücher dabeihaben, erfüllen sie noch nicht die Kriterien für eine Mysophobie. Entscheidend sind hier der Leidensdruck und das Ausmaß der Verhaltensänderung, die zur Einschränkung der Lebensqualität führen. Die Auswirkungen auf Familie und Freunde, das soziale Leben, die beruflichen Anforderungen oder die Mobilität im öffentlichen Raum können stark beeinträchtigt sein. Einen speziellen Mysophobie-Test gibt es nicht. In einem ausführlichen Gespräch erkundigen sich Mediziner und Medizinerinnen nach den Ängsten. Angststörungs-Tests, etwa Selbstbeurteilungsfragebögen, sind in der Regel nicht notwendig. Da viele Patienten und Patientinnen über körperliche Symptome wie Herzrasen klagen, werden körperliche Ursachen ausgeschlossen. Doch kann man Mysophobie heilen? Ja, eine Mysophobie ist behandelbar. Psychologen und Psychologinnen können gemeinsam mit Betroffenen die Ursachen der Ängste erkunden. Ein Teil der Therapie ist oft die Exposition – dabei setzen Betroffene sich kontrolliert Gedanken an Keimen und später öffentlichen Orten aus. Ziel ist es, ein möglichst normales Alltagsleben zu führen – denn ein keimfreies Leben ist nicht möglich. Behandlungsansätze können auch die kognitive Verhaltenstherapie zum Erlernen neuer Verhaltensmuster und bestimmte Medikamente, angstlösende oder antidepressive Arzneien, umfassen.
So zügeln Sie Ihre Gedanken bei einer Ansteckungsangst
Kreisen Ihre Gedanken stets um Schmutz und Keime, kann Ihnen ein Stressabbau helfen. Mit geführten Meditationen, Yoga und anderen Entspannungsmaßnahmen besänftigen Sie Ihren überaktiven Geist. Ein Stressabbau eignet sich in der Regel nicht als einzige Therapieoption – mit den Techniken können Sie jedoch lernen, negative durch positive Gedanken zu ersetzen.