Psychologie

Hilfe bei Paruresis – keine Angst mehr vor dem Wasserlassen

Veröffentlicht am:05.11.2025

4 Minuten Lesedauer

Paruresis, auch schüchterne Blase genannt, kann den Alltag stark belasten. Warum das Wasserlassen in fremder Umgebung bei manchen Menschen oft blockiert ist, welche Auslöser bekannt sind und welche Therapien helfen können.

Ein mittelalter Mann steht an einem öffentlichen Urinal und fasst sich an die Stirn.

© iStock / RealPeopleGroup

Was ist Paruresis?

Im Zug, auf einem Konzert, beim Fußballspiel oder zu Besuch bei Bekannten: Wer auf die Toilette muss, aber unter Paruresis leidet, kann dann kaum oder gar nicht Wasser lassen. Fachleute ordnen Paruresis als Form der sozialen Angststörung ein, bei der die Patienten oder Patientinnen Schwierigkeiten haben oder nicht fähig sind, in Gegenwart anderer zu urinieren. Bei Männern tritt die schüchterne Blase, wie sie auch genannt wird, häufiger auf als bei Frauen.

Für Betroffene kann schon der Gedanke an öffentliche Toiletten oder ein fremdes Badezimmer starken Druck auslösen. Körperlich können sie problemlos Wasser lassen, doch die Anspannung blockiert den Vorgang. Die Muskeln von Blase und Harntrakt verspannen sich so stark, dass kein Urin abfließt. Das Problem zeigt sich vor allem, wenn wenig Privatsphäre herrscht wie in öffentlichen Toiletten, auf Reisen oder in fremden Wohnungen. Doch manchmal reicht es auch schon, wenn sich im eigenen Zuhause eine Person in der Nähe des Badezimmers aufhält.

Wie entsteht eine schüchterne Blase?

Paruresis kann in jedem Alter auftreten – bei Kindern bis hin zu älteren Erwachsenen. Allerdings sind die genauen Ursachen noch nicht vollständig geklärt. Fachleute gehen davon aus, dass mehrere Faktoren zusammenwirken. Waren die Eltern schon von Paruresis betroffen, haben Kinder unter Umständen ein höheres Risiko, die Störung zu entwickeln.

Häufig spielt soziale Angst eine entscheidende Rolle. Betroffene empfinden es als unangenehm, in der Nähe anderer Menschen Wasser zu lassen – sei es wegen möglicher Geräusche, Gerüche oder der Sorge, gesehen zu werden. Menschen, die bereits an einer Angststörung leiden, haben zudem ein erhöhtes Risiko, eine schüchterne Blase zu entwickeln. Dazu zählen unter anderem generalisierte Angststörungen, Panikstörungen oder Zwangsstörungen. In manchen Fällen entwickelt sich Paruresis nach belastenden Erfahrungen in der Vergangenheit, etwa durch Mobbing, Beschämung oder unangenehmen Situationen in öffentlichen Toiletten. Auch traumatische Erlebnisse, wie sexuelle Belästigung oder Übergriffe können mit der Entstehung einer Paruresis in Zusammenhang gebracht werden.

Passende Artikel zum Thema

Typische Symptome und Auswirkungen auf den Alltag bei Paruresis

Die Symptome von Paruresis können stark variieren und reichen von leichten Einschränkungen bis hin zu erheblichen Beeinträchtigungen im Alltag. Bei leichter Paruresis gelingt das Wasserlassen nur in bestimmten Situationen nicht – etwa, wenn andere Menschen im Raum sind oder man sich unter Zeitdruck fühlt. Manche Männer können beispielsweise öffentliche Toiletten nutzen, aber keine Urinale. Oder Betroffene brauchen länger, bis sie urinieren.

In ausgeprägteren Fällen ist das Wasserlassen außerhalb der eigenen vier Wände fast unmöglich. Betroffene vermeiden es dann, zu trinken, bevor sie das Haus verlassen, suchen gezielt abgelegene Toiletten oder warten, bis sie völlig allein sind. Zudem können sie unter körperlichen Stressreaktionen leiden, wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche oder einem trockenen Mund.

Die Folgen für den Alltag sind oft gravierend: Reisen, soziale Aktivitäten oder berufliche Verpflichtungen können zur Belastung werden. Manche verzichten ganz darauf, um keine öffentlichen Toiletten nutzen zu müssen.

Passende Angebote der AOK

Diagnose und Therapien bei einer schüchternen Blase

Wenn das Wasserlassen außerhalb der eigenen vier Wände immer wieder schwerfällt oder sogar unmöglich ist und Sie sich eingeschränkt fühlen, sollten Sie ärztlichen Rat einholen.

Ein mittelalter Mann steht an einem öffentlichen Waschbecken, wäscht sich die Hände und lächelt in den Spiegel.

© iStock / RealPeopleGroup

Wer die Paruresis ärztlich behandeln lässt, kann in der Regel anschließend entspannter auf öffentlichen Toiletten urinieren.

Habe ich Paruresis?

Die schüchterne Blase wird in der Regel durch ein Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt diagnostiziert. Um sicherzugehen, dass keine körperlichen Ursachen hinter den Beschwerden stecken, können weitere Untersuchungen erfolgen. Ärztinnen und Ärzte schließen beispielsweise Infektionen, Nervenstörungen oder Harnwegsblockaden aus. Dafür führen sie oft körperliche Untersuchungen wie eine Urinanalyse, ein Blutbild oder bildgebende Verfahren wie einen Ultraschall der Blase durch.

In einigen Fällen erfolgt eine Überweisung an einen Facharzt oder eine Fachärztin für Urologie, um die Symptome genauer abzuklären. Da Paruresis eng mit sozialer Angst verbunden ist, kann die Abgrenzung zu anderen Angststörungen ebenfalls Teil der Diagnose sein. Dafür ist die Überweisung zu einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin sinnvoll.

Ist Paruresis heilbar?

Besonders bewährt hat sich die Verhaltenstherapie. Dabei lernen Betroffene, ihre Gedanken rund um das Wasserlassen besser zu verstehen und ihre Reaktionen auf angstauslösende Situationen schrittweise zu verändern.

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die graduierte Expositionstherapie. Dabei üben Betroffene gemeinsam mit einer Therapeutin, einem Therapeuten oder einer vertrauten Person, in verschiedenen Umgebungen auf die Toilette zu gehen – beispielsweise vom eigenen Badezimmer hin zu öffentlichen Toiletten. Auf diese Weise gewöhnt sich der Körper Schritt für Schritt an neue Situationen und kann die Angstreaktion abbauen.

Zusätzlich können Entspannungstechniken wie Atemübungen, Meditation oder Muskelentspannung helfen, die Kontrolle über die körperlichen Reaktionen zu verbessern. In manchen Fällen werden auch Medikamente eingesetzt, um die Angst vorübergehend zu lindern.

Passend zum Thema

Fachlich geprüft
Fachlich geprüft

Die Inhalte unseres Magazins werden von Fachexpertinnen und Fachexperten überprüft und sind auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.


Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?