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Gesundheitsmagazin

Immunsystem

Für wen multiresistente Keime gefährlich sind

Veröffentlicht am:30.06.2022

5 Minuten Lesedauer

Der Begriff „multiresistente Keime“ macht vielen Menschen Angst. Bei diesen Bakterien wirken die gängigen Antibiotika nicht mehr, die Behandlung bei Infektionen ist erschwert. Doch für gesunde Menschen stellen sie kaum ein Problem dar.

Ein Mann sitzt auf einem Krankenhausbett und denkt über multiresistente Keime nach.

© iStock / Morsa Images

Was sind multiresistente Keime?

Um bakterielle Infektionen zu behandeln, haben Medizinerinnen und Mediziner seit dem 20. Jahrhundert ein zuverlässiges Mittel in der Hand: die Antibiotika. Auf verschiedene Weisen hemmen sie Bakterien in ihrem Wachstum oder töten sie ab. Es gibt eine Vielzahl von Antibiotika und sie gehören heute mit zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten. Doch manche Bakterien lassen sich nicht mehr mit bestimmten Antibiotika bekämpfen – sie sind unempfindlich gegenüber deren Wirkungsart. Sie werden dann als resistent bezeichnet. Betrifft das mehrere Antibiotika, spricht man von Multiresistenz und somit von multiresistenten Erregern (kurz MRE).

Antibiotikaresistenzen an sich sind etwas Normales und Natürliches für Bakterien. Sie erwerben sie durch zufällige Mutationen in ihrem Erbgut oder indem sie Resistenzgene untereinander austauschen. Die Einnahme von Antibiotika begünstigt die Entstehung von Resistenzen jedoch, vor allem, wenn sie nicht richtig angewendet werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie zu oft oder in zu niedriger Dosis angewendet oder verschrieben werden oder die Therapie zu früh abgebrochen wird.

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Wo kommen multiresistente Keime vor?

Täglich kommen wir mit Tausenden Keimen und potenziellen Krankheitserregern in Kontakt, doch werden wir nicht ständig krank – dank unseres Immunsystems. Hinzu kommt, dass jeder Mensch sogar resistente oder multiresistente Keime in sich trägt – zum Beispiel auf der Haut oder im Darm als Teil unseres Mikrobioms. Das ist kein Problem, wenn sie keine Infektion auslösen oder nicht krank machen. Wir scheiden sie jedoch auch aus und können sie auf andere, anfälligere Menschen übertragen. Der häufigste Übertragungsweg von multiresistenten Keimen ist von Mensch zu Mensch – meist über die Hände. Sorgfältige Händehygiene ist darum die wichtigste Maßnahme, um die Übertragung zu verhindern.

Durch den gesteigerten Einsatz von Antibiotika besteht in Einrichtungen des Gesundheitswesens, wie Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit multiresistenten Keimen. Dort finden sich zudem Risikopersonen, für die eine Infektion gefährlicher sein kann.

Multiresistente Keime können auch in Lebensmitteln enthalten sein (sowohl pflanzlichen als auch tierischen) sowie in Gewässern, Wildtieren und Landwirtschaftsbetrieben, bei denen enger Kontakt zu Tieren besteht, vorkommen. Ein Grund dafür ist zum Beispiel die Anwendung von Antibiotika bei der Tiermast.

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Wie gefährlich sind multiresistente Keime?

Pro Jahr gibt es in Deutschland circa 55.000 Infektionen und 2.400 Todesfälle durch multiresistente Erreger. Grundsätzlich sind multiresistente Keime nicht bedrohlicher als andere, „normale“ Bakterien – sie lösen nicht häufiger Infektionen aus und führen meist zu ähnlichen Erkrankungen wie ihre nicht-resistenten Vertreter. Vor allem für gesunde Menschen stellen sie kein großes Problem dar. Aber eine Infektion mit einem multiresistenten Keim lässt sich schwerer behandeln und führt eher zu Komplikationen.

Gefährdet sind dann insbesondere Personen mit einem geschwächten Immunsystem, zum Beispiel:

  • Personen mit bestimmten Autoimmunerkrankungen
  • Kinder mit einer noch unreifen Immunabwehr
  • ältere Menschen, bei denen das Immunsystem schwächer wird
  • Personen mit einem transplantierten Organ
  • Krebspatientinnen und -patienten während einer Chemotherapie
  • Diabetespatientinnen und -patienten
  • Patienten nach einem invasiven Eingriff

Behandlung von Infektionen durch multiresistente Keime

Bei bakteriellen Infektionen wird zu Beginn kalkuliert antibiotisch therapiert. Das heißt, das medizinische Fachpersonal wählt ein Antibiotikum aus, das üblicherweise gegen die Bakterien hilft, die typischerweise diese Erkrankung verursachen.

Zusätzlich wird meist infektiöses Material, wie zum Beispiel Eiter, gewonnen, um daraus Bakterien anzüchten zu können. Diese Bakterien werden im Labor auf ihre Antibiotikaresistenzen getestet. Dieser Prozess dauert häufig drei Tage oder länger. Bei multiresistenten Keimen kann sich in dieser Zeit die Infektion ausbreiten, da das Antibiotikum nicht wirksam ist, wodurch sie so gefährlich werden. Doch auch wenn multiresistente Keime gegen Standard-Antibiotika widerstandsfähig sind, haben Medizinerinnen und Mediziner noch ein paar andere Möglichkeiten und Reserve-Antibiotika in der Hinterhand. Durch die Laboruntersuchungen wissen sie, welches Mittel sie einsetzen können.

Welche Rolle spielen multiresistente Keime bei Krankenhausinfektionen?

Zu der Risikogruppe für Infektionen mit multirestenten Erregern gehören unter anderem Personen, die einen invasiven Eingriff erhalten haben, sprich: Personen nach einer Operation im Krankenhaus. Gerade in Krankenhäusern ist der Einsatz von Antibiotika und damit auch das Vorkommen von multiresistenten Keimen höher. So erhält etwa jeder fünfte im Krankenhaus Behandelte ein Antibiotikum. Doch die MRE machen tatsächlich nur einen kleinen Teil der Infektionen (circa 6 Prozent im Jahr 2013) aus, die Patienten im Krankenhaus bekommen.

Die häufigsten multiresistenten Keime, die im Krankenhaus zu einer Infektion führen, sind:

  • Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA),
  • Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE),
  • multire­sistente Escherichia coli,
  • multire­sistente Klebsiella pneumoniae und
  • multire­sistente Pseudo­monas aeruginosa.

Da es viele verschiedene multiresistente Keime gibt, können sie unterschiedliche Infektionen und Symptome auslösen. Wichtig ist in allen Fällen, eine Verbreitung zu verhindern, indem zum Beispiel die Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern konsequent durchgeführt werden und hierfür ausreichend Personal zur Verfügung steht.

Eine Person im Labor hält eine Petrischale mit Bakterienkultur in der Hand und untersucht, ob Multiresistenzen vorliegen.

© iStock / jarun011

Im Labor können Bakterien auf Resistenzen untersucht werden, was Mediziner und Medizinerinnen bei der Auswahl des richtigen Antibiotikas unterstützt.

Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)

MRSA ist der bekannteste Vertreter der multiresistenten Erreger und ein relevantes Problem in Krankenhäusern. Staphylococcus aureus ist ein Bakterium, das viele Menschen natürlicherweise auf den Schleimhäuten in Nase und Rachen oder auf der Haut in den Leisten oder Achselhöhlen tragen. An sich ist es somit nicht gefährlich. Doch bei Verletzungen der Haut, wie etwa bei Wunden oder durch medizinische Eingriffe, kann das Bakterium in den Körper eindringen und zum Beispiel zu einer Wundinfektion führen. Eine Entzündung ist die Folge. Dies ist vor allem problematisch, wenn es sich um einen resistenten Stamm handelt und somit die Therapie erschwert ist.

MRSA wurde ursprünglich wegen seiner Resistenz gegen Methicillin so benannt, mittlerweile wird aber auch die Bezeichnung multiresistenter Staphylocuccus aureus verwendet, weil die Keime resistent gegen verschiedene Antibiotika geworden sind.

Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)

Wir tragen zahlreiche nützliche Bakterien auf und in uns, wie etwa Enterokokken als Teil unserer Darmflora. Im Darm übernehmen sie wichtige Aufgaben bei der Verdauung. Doch gelangen Enterokokken an andere Körperstellen (etwa in eine Wunde), können sie zu Infektionen führen. Möglich sind zum Beispiel Wund- und Harnwegsinfektionen oder sogar einer Sepsis. Das gilt sowohl für Antibiotika-empfindliche als auch für resistente Enterokokken, wobei die Therapie bei einer VRE-Infektion schwieriger ist.

Multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien (MRGN)

Es gibt unterschiedlichste Arten und Formen von Bakterien. Manche sehen unter dem Mikroskop aus wie Stäbchen und lassen sich nicht bei der Gramfärbung – eine der wichtigen Charakterisierungsformen für Bakterien – einfärben. Sie werden dann gramnegative Stäbchenbakterien genannt. Von diesen haben wir zahlreiche in unserem Darm, wovon manche auch unempfindlich gegenüber Antibiotika sein können. Dazu zählen zum Beispiel die multire­sistenten Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Pseudo­monas aeruginosa. Gelangen sie in andere Körperbereiche, sind Wundinfektionen, Blasen- und Lungenentzündungen sowie Sepsis möglich. Sie gelten als multiresistent, wenn sie gegen mindestens drei der vier üblicherweise zur Behandlung verwendeten Antibiotika resistent sind.

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