Beziehung

Generationenkonflikt? Wie Familien trotz Spannungen verbunden bleiben

Veröffentlicht am:21.11.2025

11 Minuten Lesedauer

Ob es um den Klimawandel geht oder den Umgang mit Arbeit und Alltag: Ein Generationenkonflikt entsteht oft durch verschiedene Lebensrealitäten. So können Sie die Unterschiede überwinden.

Ein Mädchen im Teenageralter und ihr Vater führen im Wohnzimmer ein ernsthaftes Gespräch.

© iStock / Dejan Marjanovic

Was ist ein sogenannter Generationenkonflikt?

Tiefsitzende, weite Hosen tragen, den Klimawandel stoppen, Gleichberechtigung leben, keine unbezahlten Praktika machen oder von überall auf der Welt aus arbeiten: Was für die Gen Z (alle, die etwa zwischen 1998 und 2009 geboren sind) die Normalität ist und ihren Vorstellungen sowie Werten entspricht, kann die Generation ihrer Eltern oder Großeltern vor den Kopf stoßen. Denn die eine Altersgruppe wuchs mit Smartphone, Chatgruppen und Algorithmen auf – die anderen mit Festnetztelefon, Briefpost und linearer Fernsehauswahl. Kein Wunder also, dass jede Generation ihre eigenen Ideen hat, wie das ideale Leben aussieht und was sie in der Welt verändern möchte oder eben nicht. Das beginnt bei der Kleiderwahl und macht auch vor dem Berufsleben nicht halt.

Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Prägungen und Vorstellung führen nicht selten zu Reibungen zwischen Alt und Jung. Die Rede ist vom sogenannten Generationenkonflikt: einem Phänomen, das Familien, Arbeitswelt und Politik beschäftigt. Doch was genau steckt dahinter? Gibt es den Generationenkonflikt überhaupt in der Form, wie er öffentlich diskutiert wird? Und wie können Familien lernen, mit unterschiedlichen Werten konstruktiv umzugehen?

Wertevermittlung: So geben Eltern Vorstellungen an ihre Kinder weiter

Eltern, Kinder und Großeltern können die Welt in verschiedenen Realitäten erleben, mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen und wirtschaftlichen Bedingungen. Diese Rahmenbedingungen prägen in der Regel ihr Werteverständnis, ihre Ansprüche und ihre Lebensentwürfe. Dass es dadurch zu Spannungen kommen kann, ist naheliegend. Doch der sogenannte Generationenkonflikt ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Dafür sind Menschen zu unterschiedlich und vielschichtig, zudem ist das Konzept „Generationen“ wissenschaftlich nicht belastbar genug.

Auch die Vorstellung, dass bestimmte Werte stets eindeutig einer Altersgruppe zugeordnet werden können, greift zu kurz. Obwohl grundsätzliche Werte wie Nächstenliebe in allen Kulturen und Generationen in einem gewissen Ausmaß vorkommen, sind Werte nicht angeboren. Sie werden von Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Untersuchungen zeigen: Beide Elternteile haben häufig ein gemeinsames Werteverständnis. Dieses vermitteln sie dann an ihre Kinder, beispielsweise in Bezug auf politisches Interesse, Zu- oder Abneigung gegenüber bestimmten politischen Parteien oder kirchliche Bindungen. Eine besonders große Rolle spielt dabei die Vorbildfunktion der Eltern: Welche Werte leben sie ihren Kindern vor? Und wie zugänglich machen sie die Vermittlung von Werten, etwa über Bücher oder bestimmte Spielzeuge? Nicht zu unterschätzen ist auch die Erziehung: Welche Verhaltensweisen unterstützen und fördern Eltern bei ihren Kindern und welche verneinen sie?

Ein Vater und seine Tochter im Teenageralter haben die Arme umeinander gelegt und schauen sich freundlich an.

© iStock / FG Trade

Austausch, Kommunikation auf Augenhöhe und ein Perspektivwechsel können helfen, den anderen oder die andere besser zu verstehen – und einen Generationenkonflikt zu vermeiden.

Wann beginnt die Entfremdung zwischen Eltern und Kind?

Viele Grundwerte werden generationenübergreifend geteilt, zeigt eine Untersuchung, die Menschen der Gen Z sowie Personen der Babyboomer (alle, die etwa zwischen 1956 und 1970 geboren sind) befragten: Über 80 Prozent aus beiden Altersgruppen stimmten zu, dass es wichtig ist, einen vertrauensvollen Partner oder eine vertrauensvolle Partnerin, gute Freunde und ein gutes Familienleben zu haben sowie eigenverantwortlich zu leben und zu handeln. Besonders groß dagegen sind die Unterschiede bei der Bedeutung von Status und Einfluss. In der Babyboomer-Generation misst nur jede sechste Person diesem Lebensziel eine hohe Bedeutung zu. Bei der Generation Z ist das anders: Dort hält etwa jeder Dritte Macht und Einfluss für erstrebenswert – und damit doppelt so viele wie bei den Älteren.

Sind unterschiedliche Werte die Ursache für einen Generationenkonflikt?

Die größte Differenz zwischen der Gen Z und den Babyboomern findet man jedoch bei den hedonistischen Werten. Ein genussvolles Leben steht bei 83 Prozent der Gen Z weit oben, bei den Älteren sind es lediglich 61 Prozent – ein Unterschied von 22 Prozent. Umgekehrt legen Babyboomer mehr Wert auf emotionale Aspekte bei Entscheidungen: Für 80 Prozent spielen Gefühle dabei eine Rolle, bei der Generation Z sind es nur rund zwei Drittel. Bergen diese Unterschiede das Potenzial für einen Generationenkonflikt? Oder reichen die Gemeinsamkeiten aus, um Differenzen zu überbrücken?

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Gibt es eine Kluft zwischen Jüngeren und Älteren?

Obwohl Gen Z und Babyboomer sich bei vielen Werten einig sind, entsteht in gesellschaftlichen Diskussionen häufig der Eindruck, dass ein Generationenkonflikt zwischen Alt und Jung besteht. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um die Klimabewegung Fridays for Future. Dieses Gefühl ist durchaus verbreitet: Rund zwei Drittel der jungen Befragten aus der Gen Z nehmen das Verhältnis zu älteren Menschen in Deutschland als eher angespannt wahr. Auch mehr als die Hälfte der befragten Babyboomer teilt diesen Eindruck. Während knapp die Hälfte der älteren Generation erwartet, dass sich daran nichts ändern wird, rechnet ein Großteil der jungen Erwachsenen sogar mit einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses.

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Ist ein Generationenkonflikt nur ein Spiegel für Veränderungen?

Konflikte zwischen den Generationen entstehen oft nicht, weil sich Menschen grundsätzlich fremd sind, sondern weil sie sich unterschiedlich wahrnehmen. So glaubt ein Großteil der Babyboomer beispielsweise, dass die Gen Z egoistisch ist. Während nur ein geringer Teil der Jüngeren das auch von sich selbst behauptet. Möglicherweise liegen diese verschiedenen Einschätzungen auch daran, dass sich die Lebensrealitäten der Generationen stark verändert haben. Viele ältere Menschen sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Sicherheit, Pflichterfüllung und Anpassung hohe Priorität hatten. Jüngere hingegen scheinen oft Selbstverwirklichung, Flexibilität und Nachhaltigkeit zu betonen. Solche Unterschiede führen schnell zu Missverständnissen. Was die einen als konsequent ansehen, empfinden andere als starr. Was für die Jüngeren selbstverständlich ist – etwa der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf – erscheint den Älteren manchmal als unrealistisch oder fordernd. Die Debatte darüber kann emotional werden, wenn sie Fragen von Verantwortung, Dankbarkeit oder Lebensleistung berührt. Doch genau hier zeigt sich: Ein Generationenkonflikt drückt oft nur die gesellschaftliche Transformation aus.

Diplom-Pädagoge Matthias Jung erklärt in diesem Video die Veränderungen in der Pubertät und gibt Eltern hilfreiche Tipps zur Begleitung ihrer Teenager.

So können Sie einen Generationenkonflikt überwinden

Auch wenn zwischen den Generationen mitunter starke Unterschiede in den Lebens- und Wertevorstellungen auftreten, bedeutet das nicht zwangsläufig eine unüberwindbare Kluft oder gar ein Generationenkonflikt. Denn Werte werden nicht starr weitervererbt. Kinder und Jugendliche setzen sich in der Regel ab einem bestimmten Alter mit den Vorstellungen ihrer Eltern auseinander, hinterfragen sie und entwickeln daraus eigene Positionen. Gleichzeitig können sie aber auch Werte übernehmen oder weiterentwickeln, wenn diese für sie Sinn ergeben. Dabei gilt: Ist das Familienklima freundlich und vertrauensvoll und sprechen Eltern offen und wertschätzend mit ihren Kindern (wertschätzende Kommunikation), sind diese eher bereit, sich mit den Wertvorstellungen der Eltern zu beschäftigen und darüber nachzudenken. Dieser Austausch kann alle Beteiligten zum Nachdenken und zum Hinterfragen von Werten und Lebensentwürfen anregen. Möglicherweise lässt sich der Aspekt sogar positiv auf die gesamte Gesellschaft übertragen: Die Jüngeren profitieren vom Wissen der Älteren und erinnern sie gleichzeitig, Bestehendes zu überprüfen: Was darf sich verändern? Woran sollten wir festhalten – und warum? Alle Generationen können sicherlich ein Stück weit voneinander lernen. Das fällt womöglich leichter, wenn Sie dabei die jeweilige Lebensrealität des Gegenübers im Blick behalten und der Person wohlwollend begegnen.

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