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Beziehung

Großeltern werden: Tipps für Omas und Opas

Veröffentlicht am:20.05.2022

6 Minuten Lesedauer

Hurra, wir werden Oma und Opa – die Freude über den Familienzuwachs ist groß. Die neue Rolle als Großeltern bedeutet auch eine Umstellung. Ein Experte verrät Tipps, mit denen Großeltern der Spagat zwischen Unterstützung und Zurückhaltung gelingt.

Zwei Großeltern basteln und zeichnen am Couchtisch mit ihren drei Enkelkindern.

© iStock / evgenyatamanenko

Porträt von Prof. Dr. François Höpflinger, Mitglied der akademischen Leitung des Zentrums für Gerontologie an der Universität Zürich.

© privat

Prof. Dr. François Höpflinger ist Mitglied der akademischen Leitung des Zentrums für Gerontologie (Wissenschaft vom Alter und Altern) an der Universität Zürich. Im Interview spricht er darüber, warum viele Klischees über Großeltern längst überholt sind und wie Großeltern sich auf ihre neue Rolle vorbereiten.

Was bedeutet es, Oma oder Opa zu sein?

Das Besondere ist, dass werdende Großeltern eine doppelte zeitliche Perspektive besitzen. Zum einen richtet sich ihr Blick nach vorne, also in die Zukunft – sie beobachten, wie eine neue Familie entsteht, und begleiten ihr eigenes Kind beziehungsweise das Schwiegerkind bei dem Prozess. Später, wenn das Enkelkind geboren ist, kommt die zweite zeitliche Perspektive hinzu, die bedeutsamer für Großeltern ist. Sobald sie eine Beziehung zum Nachwuchs aufbauen, richten sie ihren Blick in die Vergangenheit. Nun erfreuen sie sich an Situationen, die sie schon mit ihren eigenen Kindern durchlebten. Großeltern nehmen wieder am Kinderleben teil – sie schaukeln das Enkelchen auf dem Spielplatz, bauen gemeinsam Sandburgen und bringen das Enkelkind ins Bett.

Gewissermaßen findet in diesem Zeitabschnitt eine soziokulturelle Verjüngung der Großeltern statt. Dazu gibt es auch eine Studie – hier fühlten sich Großeltern, die sich um ihre Enkelkinder kümmerten, mindestens zwei Jahre jünger, als sie tatsächlich waren.

Wie veränderte sich die Oma-Enkelkind-Beziehung über die Jahrzehnte?

Die Rahmenbedingungen für Großeltern sind nicht mehr die gleichen wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Anders als früher arbeiten viele Großeltern noch, wenn ihr Enkelkind auf die Welt kommt. Das schränkt natürlich auch die Enkelkindbetreuung ein. Außerdem beobachten wir, dass viele Großeltern heute weiter entfernt von ihren Kindern und damit Enkelkindern wohnen. Objektiv gesehen überwinden Großeltern also größere Hürden, um sich im Familienalltag einzubringen.

Der Oma-Enkelkind-Beziehung schadet das aber nicht – wir stellen fest, dass dieses Bündnis im Vergleich zu früher deutlich stärker ist. Zum einen deshalb, weil viele Großeltern heute körperlich deutlich fitter sind. Das ist wichtig, weil der Kontakt mit kleinen Kindern besonders viel Energie und Kraft kostet, auch wenn er noch so schön ist. Ein weiterer Punkt ist, dass autoritäre Erziehungsstile beinahe verschwunden sind, was nicht nur Enkel, sondern auch die Eltern häufig begrüßen.

Viele Großeltern sind außerdem sehr modern und passen sich an die Interessen ihres Enkelkindes an. Das bietet viele Chancen, die Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln zu intensivieren. Ein Bild der weisen Großeltern im Schaukelstuhl ­– das entspricht heute nicht mehr den Tatsachen. Die Großmutter, die sich mit ihrem Enkelkind per Video-Chat unterhält, schon eher.

Ein Großvater, Vater und Enkel sitzen auf einem Sofa und machen ein Selfie.

© iStock / Sanja Radin

In einer Großelternschaft treffen drei Generationen aufeinander: Großeltern, Eltern und Kinder. Das kann viel Freude schaffen, aber auch zu Konflikten führen.

Wie verhalte ich mich als werdende Oma?

Feste Regeln für Großeltern gibt es nicht. Allerdings finde ich die Beziehungspflege, schon vor der Geburt, sehr wichtig. Hier gibt es drei entscheidende Beziehungen: die Beziehung mit dem eigenen Kind, die mit dem Schwiegerkind und die mit dem anderen Großelternpaar. Ein ungezwungenes Treffen, zum Beispiel ein gemeinsames Essen, lässt den Kontakt zwischen den verschiedenen Parteien aufleben. Manchmal kommen dabei bereits wichtige Themen auf den Tisch. Beide angehenden Großelternpaare können sich beispielsweise darüber unterhalten, wann sie theoretisch Zeit für die Enkelkindbetreuung haben. Werdende Großeltern können ihre Unterstützung übrigens bereits in der Schwangerschaft anbieten – vielleicht möchte die eigene Tochter, dass ihre Mutter sie zum Frauenarzt begleitet?

Ich werde Oma oder Opa: Wie kann ich mich vorbereiten?

Großeltern werden – das kann auch zu Unsicherheiten führen. Deshalb bietet beispielsweise der Deutsche Kinderschutzbund Großelternkurse an. Dabei profitieren die Großeltern vor allem von dem Austausch mit anderen Großeltern. Außerdem bekommen sie praktische Tipps für den Alltag mit ihren Enkeln oder lernen, Säuglinge zu wickeln. Im Handel gibt es auch spezielle Ratgeber für Großeltern. Da die Bücher nur bedingt Themen behandeln, die zur eigenen Lebenssituation passen, sind sie aber meistens nicht so hilfreich wie erhofft. Das erfolgversprechendste Konzept für eine gute Vorbereitung ist: ein Gespräch mit dem Elternpaar suchen und sich über Bedürfnisse und Wünsche unterhalten.

„Das erfolgversprechendste Konzept für eine gute Vorbereitung ist: ein Gespräch mit dem Elternpaar suchen und sich über Bedürfnisse und Wünsche unterhalten.“

Prof. Dr. François Höpflinger
Mitglied der akademischen Leitung des Zentrums für Gerontologie an der Universität Zürich

Was kann man von Großeltern erwarten?

Was Eltern von den Großeltern erwarten können, hängt natürlich stark davon ab, was die ältere Generation leisten kann und leisten möchte. Großeltern helfen in der Regel gerne aus, wenn das Kind krank ist und die Eltern arbeiten müssen. Besonders in städtischen Gebieten können wir diese Form der Reservekapazität beobachten. Die regelmäßige Betreuung findet eher in Kindertagesstätten oder offenen Ganztagsschulen statt. Auch hier ist der Austausch zwischen den Generationen wichtig: Welche Unterstützung brauche ich als Elternteil? Welche Bedürfnisse haben wir als Großeltern? Wichtig ist, dass sich Großeltern auch mit ihren eigenen Wünschen wahrgenommen fühlen und nicht den Eindruck bekommen, sich aufopfern zu müssen. Schließlich haben auch sie ihr eigenes Leben und Hobbys, die sie gerne ausüben.

Wie oft sehen Großeltern ihre Enkelkinder: Was ist normal?

Da gibt es keine festen Grenzen. In manchen Haushalten übernehmen Großeltern an zwei Nachmittagen in der Woche die Kinderbetreuung, in anderen Familien ist ein lockerer Besuch am Wochenende üblich. Die Lebenssituation der Eltern, aber vor allem der Großeltern, bestimmt oft die Besuchszeiten. Ist das eigene Kind geschieden, bringe ich mich als Oma oder Opa oft mehr in den Familienalltag ein. Wohne ich 200 Kilometer entfernt, komme ich vielleicht einmal im Monat zu Besuch. Wichtig ist ein regelmäßiger Kontakt – das muss nicht zwangsläufig von Angesicht zu Angesicht sein. Großeltern greifen heute auf moderne Medien wie WhatsApp zurück, um ihre Enkel virtuell zu besuchen. Das klappt gut. Einzige Voraussetzung: Großeltern haben durch persönliche Begegnungen bereits eine feste Bindung zu ihrem Enkel aufgebaut.

Was sollten Großeltern nicht tun?

In diesem Zusammenhang ist das Motto „Engagement ohne Einmischung“ erwähnenswert. Großeltern besitzen ihre eigenen Erfahrungen und Werte. Diese dürfen sie ihren Enkeln selbstverständlich näherbringen. Tatsächlich haben Großeltern einen großen ethischen und religiösen Einfluss auf ihre Enkel. Die ältere Generation ist allerdings gut beraten, wenn sie ihren Enkeln ihre Ansichten nicht aufdrängt. Im besten Fall zeigt auch sie sich offen für neue Einflüsse und bringt ein gewisses Maß an Toleranz mit. Das kann bedeuten, den Erziehungsstil der Kinder oder das Tattoo des Enkelsohns zu akzeptieren.

„Die ältere Generation ist gut beraten, wenn sie ihren Enkeln ihre Ansichten nicht aufdrängt. Im besten Fall zeigt auch sie sich offen für neue Einflüsse und bringt ein gewisses Maß an Toleranz mit.“

Prof. Dr. François Höpflinger
Mitglied der akademischen Leitung des Zentrums für Gerontologie an der Universität Zürich

Wie kann ich Konflikten vorbeugen und sie beseitigen?

Großeltern halten eine Dreierbeziehung aufrecht. Sie selbst, das eigene Kind beziehungsweise Schwiegerkind und das Enkelkind treten in eine Interaktion miteinander. Dabei treffen gleich drei verschiedene Weltanschauungen aufeinander. Konflikte sind dabei manchmal programmiert. Doch vieles lässt sich durch klärende Gespräche im Vorfeld verhindern oder im Anschluss aus dem Weg räumen.

Ein großes Thema sind häufig Geschenke oder das Verwöhnen. Kinder entwickeln sehr schnell ein Gefühl dafür, was sie bei Oma und Opa dürfen, Eltern aber nicht gerne sehen. Oft bilden sich daraus regelrechte Allianzen und Eltern bleiben außen vor. Dabei ist es ganz wichtig, dass Großeltern die Eltern des Enkelchens mit ins Boot holen. Wie viel Schokolade ist erlaubt? Wie groß dürfen die Geschenke zum Geburtstag oder zwischendurch ausfallen? Wenn das Großeltern mit den Eltern im Vorfeld abklären, entstehen viele Konflikte erst gar nicht.

Außerdem benötigen junge Familien Freiräume. Dazu gehört die Möglichkeit, dass sie selbst Erfahrungen sammeln dürfen und keine Erziehungsstile diktiert bekommen. Treten doch Konflikte auf, können Großeltern die Initiative ergreifen und auf die Eltern zugehen. Während eines einfühlsamen Gesprächs lauschen Großeltern dann den Vorstellungen der Kinder – oft glättet auch eine Entschuldigung die Wogen. Die Eltern des Enkelkindes bringen optimalerweise für die Ansichten und Absichten der Großmutter oder des Großvaters ebenfalls Verständnis auf. Fühlen sich alle Beteiligten wahrgenommen, stärkt das die Beziehung untereinander ganz wesentlich.

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