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Achtsamkeit

Wertschätzende Kommunikation erlernen

Veröffentlicht am:02.12.2021

6 Minuten Lesedauer

Im Gespräch mit anderen tauschen wir nicht nur Informationen aus, wir bauen eine Beziehung auf. Respekt und Wertschätzung verbinden dabei. Wie wertschätzende Kommunikation gelingt, erklärt eine Expertin.

Eine Gruppe von Geschäftsfrauen, die wertschätzend kommunizieren und zusammenarbeiten.

© iStock / monkeybusinessimages

Beate Brüggemeier ist Inhaberin einer Unternehmensberatung und Trainerin sowie Gründungsmitglied beim Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V. Im Interview verrät sie, wie wertschätzende Kommunikation im Alltag gelingt.

Warum ist wertschätzende Kommunikation wichtig?

Die Sprache ist etwas sehr Lebendiges. Kommunikation verbindet, kann aber auch trennen. Die wertschätzende Kommunikation hat nicht das Ziel, in richtig oder falsch zu unterscheiden. Vielmehr schärft sie das Bewusstsein für die Sprache.

Spannend ist, dass die Sprache, die wir gelernt haben, häufig Schuldgefühle einflößt und andere Menschen für Gefühle verantwortlich macht. Ein Beispiel: „Ich ärgere mich, weil Thorsten zu spät gekommen ist.“ Anstatt Thorsten die Schuld für die eigenen Gefühle in die Schuhe zu schieben, ist es sinnvoll, die radikale Selbstverantwortung für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu übernehmen.

Durch die Selbstverantwortung gelingt es, die Wertschätzung aktiv zu leben. Ich könnte beispielsweise denken oder zu Thorsten sagen: „Ich ärgere mich, weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist. Kannst du mich anrufen, wenn du später kommst?“ Mit dieser Äußerung gebe ich also niemandem direkt die Schuld, trotzdem kommt an, was ich mir wünsche.

Welche Rolle spielen die eigenen Bedürfnisse und die innere Zensur?

Bei der Kommunikation sind die eigenen Bedürfnisse stets mit an Bord. Wenn ich mir etwas von anderen Menschen wünsche und meine Wunschvorstellung beziehungsweise Erwartung unerfüllt bleibt, kann es zu Schuldzuweisungen kommen. Daher ist es für die Kommunikationspartner wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und sie bei der Kommunikation einzuordnen.

Das fällt jedoch nicht jedem leicht. Schließlich ist dafür die Selbstreflexion, also das Nachdenken über die eigenen Gefühle, das Erleben und das Handeln wichtig. Genau das ist empfehlenswert, denn damit können wir mehr über uns herausfinden und verhindern, dass die Gedanken losgaloppieren.

Die innere Zensur, also die Zensur, die wir uns selbst auferlegen, erschwert ebenfalls die Kommunikation. Nicht selten stecken wir Menschen in Schubladen und unterstellen ihnen etwas. Ein Beispiel: „Herr Mueller kommt immer zu spät zum Meeting.“ Eigentlich ist das aber erst zweimal passiert. Wir können nicht gänzlich verhindern, dass wir in gewisser Weise Situationen und Menschen bewerten. Allerdings sollten wir uns dabei bewusst sein, dass wir in Schubladen denken. Ich rate immer gerne dazu, einen sogenannten Realitätscheck zu machen. Dabei vergleiche ich die vorliegenden Fakten mit den eigenen Gedanken. Wie oft ist Herr Mueller tatsächlich bisher später zum Meeting gekommen? Passt hier der Begriff „immer“?

„Wenn ich mir etwas von anderen Menschen wünsche und meine Wunschvorstellung beziehungsweise Erwartung unerfüllt bleibt, kann es zu Schuldzuweisungen kommen. Die Kenntnis der eigenen Bedürfnisse und die Einordnung bei der Kommunikation sind daher wichtig.“

Beate Brüggemeier
Trainerin und Gründungsmitglied beim Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V.

Wie funktioniert wertschätzende oder gewaltfreie Kommunikation im Alltag?

Selbstreflektiert zu handeln und sich selbst wahrzunehmen ist wichtig für die Achtsamkeit. Eine gute Übung ist es, fünf wichtige Bedürfnisse für sich zu formulieren. Was ist mir wichtig? Was wünsche ich mir für den Alltag? Wer in sich hineinhorcht, kann Gesprächsinhalte besser einordnen und auf Schuldzuweisungen verzichten. In dem Zusammenhang sind „Ich-Botschaften“ sehr hilfreich. Anstatt zu sagen: „Du hast es falsch gemacht“, könnte man sagen: „Mir ist es wichtig, dass die Aufgabe oder Tätigkeit so und so ausgeführt wird. Wenn du Fragen hast, komme auf mich zu, ich unterstütze dich gerne.“ Bei der wertschätzenden Kommunikation werden insgesamt vier Schritte unterschieden.

Dazu zählen:

  1. Beobachtung
  2. Gefühle
  3. Bedürfnis
  4. Bitte

Im ersten Schritt werden Beobachtungen von Bewertungen getrennt. Hier kommt wieder der sogenannte Realitätscheck ins Spiel.

Bei dem Thema Gefühle ist eine radikale Selbstverantwortung wichtig. Zunächst sollten die Kommunikationspartner erforschen, welche Gefühle sie spüren. Häufig neigen wir dazu, nicht unsere Gefühle mitzuteilen, sondern zu vermitteln, wie wir über andere Menschen denken. Ein Beispiel: „Ich fühle mich nicht wertgeschätzt von dir.“ Das sagt aus, wie ich über andere denke, nicht wie ich mich fühle. Wertschätzung ist übrigens kein Gefühl, sondern ein Bedürfnis. An dieser Stelle sollte sich jeder fragen, welche Gefühle dahinterstecken: Traurigkeit oder Wut vielleicht?

Danach folgt das Thema Bedürfnis. Hier werden Bedürfnisse klar formuliert. Dabei ist die Frage hilfreich: Was brauche ich oder was wünsche ich mir? Im Anschluss erfolgt die Bitte, die konkret vom Kommunikationspartner formuliert wird: „Ich wünsche mir, dass die Kunden persönlich begrüßt werden. Könntest du das tun?“ wäre ein Beispiel.

„Häufig neigen wir dazu, nicht unsere Gefühle mitzuteilen, sondern zu vermitteln, wie wir über andere Menschen denken.“

Beate Brüggemeier
Trainerin und Gründungsmitglied beim Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V.

Wie gelingt es, wertschätzend zu formulieren, gibt es Beispiele?

Jeder kann wertschätzendes Formulieren erlernen. Folgende Beispiele drücken eine wertschätzende Kommunikation aus:

  • „Ich bin seit anderthalb Jahren im Homeoffice, und mir ist es wichtig, Wertschätzung zu erleben. Ich würde mich freuen, wenn wir uns einmal die Woche online austauschen, um Informationen weiterzugeben und das Wohlbefinden zu besprechen.“
  • „Hallo Ute, wir hatten vereinbart, dass ich die Unterlagen bis 10:00 Uhr erhalte. Ich habe gerade selbst ein wenig Druck, weil ich um 17:00 Uhr ein Meeting habe. Kannst du mir sagen, wann ich mit den Unterlagen rechnen kann?“
  • „Ich möchte mich gerne am Wochenende im Garten entspannen. Mir ist wichtig, dass dann der Rasen gemäht wurde. Ich würde mich freuen, wenn das bis Freitag klappt. Passt das für dich?“

Wie sieht die wertschätzende Kommunikation mit Kindern aus?

Als Eltern greifen wir in der Kommunikation mit Kindern nicht selten auf die Androhung von Konsequenzen oder Druck zurück: „Wenn du das nicht machst, dann ...“ Dabei vergessen wir jedoch, dass auch Kinder ein ausgeprägtes Autonomiebedürfnis haben, auch sie möchten mitentscheiden. Daher ist es wichtig, dass Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder genauso wahrnehmen wie die von Erwachsenen. Das bedeutet nicht, dass sie ihre Kinder automatisch antiautoritär erziehen oder ihnen keine Konsequenzen vor Augen halten sollten. Allerdings kann das auf eine wertschätzende Art erfolgen.

Anstatt zu sagen: „Wenn du deine Hausaufgaben nicht machst, darfst du nicht an den Computer oder fernsehen“, könnte der Satz folgendermaßen aussehen: „Du hast im Moment keine Lust auf Hausaufgaben, das heißt, dir fehlt das Wissen vielleicht in der Schule. Was benötigst du, um die Aufgaben zu rechnen?“ Kinder haben übrigens gerne die Wahl. Wenn es um die Hausarbeit geht, haben Eltern die Möglichkeit, ihren Kindern mehrere Optionen zu nennen. „Mir ist es wichtig, dass sich jeder an der Hausarbeit beteiligt. Auf dem Plan stehen der Einkauf, das Staubsaugen und den Hasenkäfig sauber machen, was möchtet ihr gerne übernehmen?“

Ein Vater spricht mit seiner Tochter nach der Schule.

© iStock / Nikada

Auch Kinder haben Bedürfnisse und Gefühle, die von Eltern wertschätzend wahrgenommen und unterstützt werden können.

Persönliche oder Online-Kommunikation: Gibt es da Unterschiede?

Heute gibt es viele Möglichkeiten, sich auch online gut auszutauschen. Wenn ich mein Gegenüber per Video sehe, ist das besonders hilfreich. Fehlt die Bildübertragung, ist es allerdings eine Herausforderung, weil ein Sinnesorgan bei der Wahrnehmung praktisch wegfällt. Emotionen erkennen andere nämlich größtenteils über Körperspannung und -entspannung, Gestik, Mimik und Tonfall. Eine persönliche Begegnung, zum Beispiel auf dem Flur, ermöglicht die Kommunikation zwischendurch.

Aber auch eine virtuelle Bar oder ein virtuelles Café schaffen Möglichkeiten. Im Unternehmen könnte beispielsweise ein lockeres virtuelles Treffen einmal in der Woche stattfinden. Wenn die Führungskräfte das gutheißen, kann wertschätzende Kommunikation auch virtuell erfolgen und die Sprachkultur nachhaltig stärken.

„Emotionen funktionieren und erkennen andere größtenteils über Körperspannung und -entspannung, Gestik, Mimik und Tonfall.“

Beate Brüggemeier
Trainerin und Gründungsmitglied beim Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V.

Achtsamkeit ist der Schlüssel zur wertschätzenden Kommunikation

Das Achtsamkeitstraining hat das Ziel, Gefühle, Gedanken und Empfindungen bewusst zuzulassen, ohne sie zu werten. Eine Fähigkeit, die bei der gewaltfreien Kommunikation entscheidend ist. Wer lernt, achtsam zuzuhören, indem er zum Beispiel ohne Vorurteile die Worte des Gegenübers aufnimmt, dem gelingt es im Anschluss besser, respektvoll zu antworten und eine verbindende Kommunikation zu führen. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen spielt dabei eine große Rolle. Genau dabei können Achtsamkeitsübungen helfen. Mit Beiträgen wie Meditation und Achtsamkeit und Achtsamkeit für Kinder liefert das AOK Gesundheitsmagazin neue Impulse für eine gelungene Kommunikation im Alltag.

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