Beruf und Pflege vereinbaren
Für Arbeitgeber ist es in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation so wichtig wie nie, qualifizierte Fachkräfte an sich zu binden. Gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen, die pflegebedürftige Familienangehörige unterstützen.
Herausforderung Pflege
Pflege und Beruf zu vereinbaren, ist eine große Herausforderung, wie aus dem WIdO-Monitor 1/2024 zum Thema häusliche Pflege hervorgeht. Damit sie dafür nicht ihren Beruf aufgeben müssen und der Arbeitgeber Fachkräfte einbüßt, hat der Gesetzgeber mit der Pflegezeit und der Familienpflegezeit hierfür den Rechtsrahmen geschaffen.
Auszeiten für die Pflege
Wenn Beschäftigte eine Auszeit brauchen, weil sie ihre nahen Angehörigen pflegen, können Arbeitgeber flexibel reagieren und gemeinsam mit der oder dem Beschäftigten einen Weg finden, Job und Pflege zu vereinbaren. Das dient nicht nur dem Erhalt von bewährten Fachkräften, sondern ist auch eine gesetzliche Verpflichtung. Der Gesetzgeber hat dafür drei Möglichkeiten vorgesehen:
- die zehntägige Freistellung,
- die Pflegezeit und
- die Familienpflegezeit.
Zehntägige Freistellung
Beschäftigte können bis zu zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr der Arbeit fernbleiben, um für pflegebedürftige nahe Angehörige in einer akut aufgetretenen Situation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren. Alternativ können sie auch selbst pflegen. Voraussetzung dafür ist, dass mindestens Pflegegrad 1 oder im akuten Fall eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit vorliegt. Die Betriebsgröße spielt keine Rolle.
Die Freistellung ist unbezahlt, es sei denn, dafür wurde eine Entgeltzahlung vereinbart, zum Beispiel in einem Tarifvertrag. Beschäftigte haben einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gegenüber der Pflegekasse der oder des pflegebedürftigen Angehörigen.
Die Höhe richtet sich danach, ob in den vergangenen zwölf Monaten vor Beginn der Pflegezeit eine beitragspflichtige Einmalzahlung erfolgte: Gab es in dem Zeitraum eine solche Einmalzahlung (zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld), beträgt das Pflegeunterstützungsgeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts. Ohne Einmalzahlung werden 90 Prozent ersetzt.
Während der zehntägigen Freistellung bleibt die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung des oder der Beschäftigten bestehen. Beiträge sind vom tatsächlich erzielten (geringeren) Arbeitsentgelt zu entrichten. Die Tage, an denen das Pflegeunterstützungsgeld gezahlt wird, sind keine Sozialversicherungstage, sondern gelten als beitragsfreie Zeiten. Deshalb ist es wichtig, die Fehlzeit im Entgeltabrechnungsprogramm zu erfassen.
Meldungen zur Sozialversicherung sind durch den Arbeitgeber nicht abzugeben.
Pflegezeit bis zu sechs Monate
Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben einen Rechtsanspruch auf eine bis zu sechsmonatige vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung, wenn sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen.
Beschäftigte können sich dafür mit einem zinslosen Darlehen finanziell absichern, das sie beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen.
Lassen sich Beschäftigte vollständig von der Arbeitsleistung freistellen, endet die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit dem letzten Arbeitstag vor der Pflegezeit. Um ihren Versicherungsschutz zu gewährleisten, besteht im Anschluss für Pflegende in der Kranken- und Pflegeversicherung häufig die Möglichkeit einer beitragsfreien Familienversicherung. Wenn diese nicht gegeben ist, kommt eine freiwillige Krankenversicherung mit einhergehender Pflegeversicherungspflicht in Betracht.
Reduzieren Beschäftigte ihre Arbeitszeit zugunsten der Pflege eines nahen Angehörigen, bleiben sie in der Regel sozialversicherungspflichtig. Üben sie nur noch einen Minijob (538-Euro-Job) aus, gelten die Regelungen für geringfügig entlohnt Beschäftigte. Erhält die oder der Beschäftigte ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 538,01 Euro bis 2.000 Euro, sind die Regelungen des Übergangsbereichs anzuwenden.
Familienpflegezeit bis zu 24 Monate
Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 25 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nahe Angehörige in häuslicher Umgebung pflegen, sind für bis zu 24 Monate teilweise freizustellen, bei einer verbleibenden Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden. Auch in diesen Fällen besteht ein Anspruch auf ein zinsloses Darlehen.
Bestand vor der Familienpflegezeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, bleibt diese auch während der Familienpflegezeit erhalten. Ein Minijob liegt nicht vor, weil bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden unter Beachtung des Mindestlohns die 538-Euro-Grenze überschritten wird. Die Beiträge bemessen sich nach dem ausgezahlten Arbeitsentgelt. Die Regelungen zum Übergangsbereich gelten entsprechend.
Unterschreiten der JAE-Grenze während der Pflege- oder Familienpflegezeit
Während der Pflege- oder Familienpflegezeit sinkt durch die reduzierte Arbeitszeit in der Regel das Arbeitsentgelt der Beschäftigten. Das hat Auswirkungen auf die Versicherungspflicht. Wenn Beschäftigte mit ihrem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt (JAE) die JAE-Grenze (2024: 69.300 Euro) überschreiten, sind sie krankenversicherungsfrei. Unterschreiten Beschäftigte durch die Auszeit für die Pflege die JAE-Grenze, werden sie sofort krankenversicherungspflichtig.
Bisher privat Krankenversicherte können sich hiervon auf Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht befreien lassen.
Freistellungsanträge für Pflegezeiten
Arbeitgeber müssen Anträge ihrer Beschäftigten auf Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz innerhalb von vier Wochen nach Zugang beantworten und im Fall der Ablehnung begründen. Das gilt nach dem Pflegezeitgesetz für Betriebe mit mehr als 15 Beschäftigten und nach dem Familienpflegezeitgesetz für Betriebe mit mehr als 25 Beschäftigten.
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Stand
Erstellt am: 16.07.2024
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