Achtsamkeit

Was queere Beziehungen belastet und was sie stärkt

Veröffentlicht am:29.12.2025

5 Minuten Lesedauer

Queere Paare erleben oft Diskriminierung, Ausgrenzung oder Ablehnung. Das belastet nicht nur den einzelnen Menschen, sondern gefährdet auch Beziehungen. Wie kann man dem Problem begegnen?

Zwei Frauen mit langen Haaren und Tätowierungen im Wohnzimmer. Eine Frau liegt auf der Couch und lehnt sich an die andere, die auf dem Boden sitzt und ein Buch liest, beide schauen ernst und etwas angespannt.

© iStock / bernardbodo

Warum können queere Beziehungen stärker belastet sein als heterosexuelle?

Jede Liebesbeziehung durchläuft Höhen und Tiefen. Das gilt für alte Paare und junge Paare, für heterosexuelle Paare und homosexuelle Paare. Der Unterschied ist: Paare aus der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Community (LSBTIQ*) haben einen Stressfaktor, den heterosexuelle Paare nicht kennen: Minderheitenstress.

Was sind queere Paare?

Als queere Beziehung gelten alle Liebesbeziehungen, die sich von einer heterosexuellen Beziehung zwischen einem cisgeschlechtlichen Mann und einer cisgeschlechtlichen Frau unterscheiden. Cisgeschlechtlichkeit bezeichnet Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, mit dem sie geboren wurden. Menschen, die sich nicht als heterosexuell oder nicht eindeutig als Mann beziehungsweise Frau einordnen, bezeichnen sich oft selbst als queer. Queere Paare können somit lesbische oder schwule Partnerschaften sein, aber auch Beziehungen, bei denen mindestens eine Person trans- oder intergeschlechtlich ist. In der Regel hat damit auch mindestens einer oder eine der Beteiligten Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht.

Was ist Minderheitenstress?

Angehörige einer Minderheit werden oft Ziel von Diskriminierung und Vorurteilen. Ein Beispiel für die LSBTIQ*-Community ist, wenn jemand sich für die Förderung von Ehe und Familie einsetzt, sich aber nur auf die heterosexuelle „Normfamilie“ bezieht. Damit diskriminiert er queere Lebens- und Familienformen. Oder, wenn sich jemand gegen die Gleichstellung aller sexuellen Identitäten ausspricht und den Vorrang der „traditionellen“ Geschlechterrollen propagiert. Dadurch wird die geschlechtliche Identität von trans- und intersexuellen Menschen infrage gestellt. Diskriminierung und Ausgrenzung können zu Stress bei den Betroffenen führen. Da dieser Stress nur von Angehörigen einer Minderheit empfunden wird, bezeichnet man ihn als Minderheitenstress. Stress kann wiederum psychische Probleme begünstigen.

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Wie sich Stress auf die Beziehungsqualität queerer Paare auswirken kann

Der Zusammenhang von Stress und Gesundheit ist gut erforscht. Aber wie kann sich Minderheitenstress konkret auf die Qualität von Liebesbeziehungen auswirken? Zwei Beispiele verdeutlichen die Mechanismen. Der Stress resultiert jeweils direkt aus der Diskriminierung queerer Beziehungen und beeinträchtigt das Beziehungsglück mittelbar.

  • Der Zwang zur Heimlichkeit

    Ein typisches Beispiel ist eine Frau, die ihre Homosexualität vor ihrem Vater verbirgt, da sie ihn als homophob wahrnimmt und seine ablehnenden Reaktionen vermeiden möchte. Wenn diese Frau eine Partnerin hat, die mit ihr zusammenziehen möchte, ist der Konflikt vorprogrammiert. Ein Gemisch aus Verschweigen, verborgenen Gefühlen und Rechtfertigungen führt zu Stress. Vor allem die Unmöglichkeit, eine offene Beziehung zu führen, ohne den Kontakt zur eigenen Familie zu gefährden, belastet die Beziehung enorm. Die Lebenspartnerin kann sich wiederum wegen der Heimlichtuerei zurückgesetzt fühlen. Das Beziehungsglück ist von mehreren Seiten aus gefährdet.

  • Queere Paare und Kinderwunsch

    Homosexuelle Paare dürfen in vielen Ländern keine Kinder adoptieren. Dabei verspüren sie oft den gleichen Wunsch nach Elternschaft wie viele heterosexuelle Paare, die das Gefühl haben, erst dann wäre ihre Beziehung „komplett“. In Deutschland ist die Adoption eines Kindes durch ein queeres Paar, bei dem keiner der beiden Adoptionswilligen leiblicher Elternteil ist, bei Verheirateten immerhin möglich. Warum ist das aber ein Beispiel für einen Stressfaktor, der auf Diskriminierung beruht? Ein unerfüllter Kinderwunsch ist schließlich für jedes Paar belastend – nicht nur für queere Beziehungen. Bei heterosexuellen Paaren kann ungewollte Kinderlosigkeit unterschiedliche Ursachen haben. Sie hängt jedoch nicht mit Diskriminierung zusammen. Das ist ein entscheidender Unterschied.

  • Innerer und äußerer Rechtfertigungsdruck

    Leidet ein homosexueller Mensch in einer queeren Beziehung darunter, der heterosexuellen Norm nicht zu entsprechen, dann kommt der Druck nicht von außen, sondern von innerhalb der Beziehung. Solche Menschen hinterfragen sich selbst, ihre Gefühle und ihre Beziehung.

    In queeren Beziehungen kann es vorkommen, dass eine oder auch beide Personen Rechtfertigungsdruck verspüren – gegenüber sich selbst, der Familie oder am Arbeitsplatz. Im Idealfall schweißt äußerer Druck zwei sich liebende Menschen weiter zusammen. Minderheitenstress kann sich jedoch in Beziehungsstress verwandeln. Die psychologische Forschung geht davon aus, dass Minderheitenstress auch eine mögliche Gefahr für die Beziehungsqualität queerer Paare sein kann.

Zwei Männer sitzen im Wohnzimmer auf dem Boden vor der Couch und spielen mit einem Kleinkind. Sie blicken beide auf das Kind und lachen.

© iStock / Vasil Dimitrov

Menschen in queeren Beziehungen haben oft den gleichen Wunsch nach Elternschaft wie viele heterosexuelle Paare.

Was queere Beziehungen unterstützen kann

Paare können Stresssituationen leichter bewältigen, wenn sich die Partner und Partnerinnen gegenseitig unterstützen. Queere Paare sind allerdings häufiger gesellschaftlichen Stressfaktoren ausgesetzt als heterosexuelle. In Zeiten mit erhöhtem Stress kann dies zur Folge haben, dass die Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin kritischer wahrgenommen wird. Dadurch können Unzufriedene ihrem Partner oder ihrer Partnerin unrecht tun. Es kann helfen, in sich hineinzuhorchen, um eine Antwort auf die Frage zu finden: Was erzeugt meine Unzufriedenheit in der Beziehung? Ist es mein Partner oder meine Partnerin oder der Umstand, dass mich mein Umfeld nicht so akzeptiert, wie ich bin?

Auch wenn Diskriminierungserfahrungen oft das Selbstbild und die Beziehungen von queeren Menschen prägen – heterosexuelle, cisgeschlechtliche oder queere Personen sind vor allem eins: Menschen. Da wir uns alle gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, gibt es eigentlich keine Beziehungstipps speziell für queere Menschen.

Achtsamkeit im Alltag gegen Stress in der Beziehung

In heterosexuellen wie in queeren Beziehungen ist es wichtig, durch ein liebes- und verständnisvolles Miteinander dem Stress so wenig Angriffsflächen wie möglich zu geben. Diese Tipps können dabei helfen:

  • Gehen Sie im Alltag einfühlsam miteinander um.
  • Nehmen Sie sich Zeit füreinander, beispielsweise mit einem festen Abend für gemeinsame Aktivitäten wie Kino, einen Film zu Hause schauen, gemeinsam essen gehen oder gemeinsam kochen.
  • Schaffen Sie sich ausreichend Zeit für Zärtlichkeit und Sexualität.
  • Sprechen Sie über Ihre Gefühle und teilen Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin mit, wenn Sie etwas stresst oder bedrückt.

Queersensible Beratung und Unterstützung für Paare

Queersensible Angebote berücksichtigen, dass queere Beziehungen besonderen Voraussetzungen unterliegen und besonderen Anfechtungen sowie Stressfaktoren ausgesetzt sind. Queere Paare wünschen sich eine Beratung, die ihre Lebensrealität versteht, beispielsweise was Fragen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft oder der sexuellen Identität angeht. Eine queersensible Beratung erfordert ein tiefes Verständnis für die Vielfalt von Identitäten und Lebensmodellen. In vielen Städten und auch online gibt es Beratungsangebote für queere Paare.

Minderheitenstress geht alle an

In einer idealen Gesellschaft würde überhaupt niemand aufgrund dessen, was er ist oder wie er lebt, diskriminiert werden – unabhängig von Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Identität. Dann hätte sich auch das Thema „Minderheitenstress” erledigt. Eine durch und durch gleichberechtigte Gesellschaft mag zwar weit entfernt sein, doch wir alle können selbst etwas dazu beitragen, sie näher rücken zu lassen. Durch Achtsamkeit und Respekt gegenüber anderen Lebens- und Liebesformen.

Fachlich geprüft
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