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Vorurteilsbewusste Erziehung: Kindern Vielfalt nahebringen

Veröffentlicht am:29.09.2023

4 Minuten Lesedauer

Typisch Junge – typisch Mädchen: In solche Kategorien werden oft schon Kleinkinder eingeteilt. So können Eltern Vorurteile über Geschlecht, Hautfarbe, Religion und Behinderungen bei Kindern abbauen.

Vater liest seiner Tochter aus einem Buch vor – beide tragen Kronen aus Karton und lächeln sich fröhlich an.

© iStock / blackCAT

Woher kommen Vorurteile bei Kindern?

Kinder kommen ohne Vorurteile auf die Welt. Dennoch weigert sich manches Kind schon im Kindergartenalter, mit einem anderen zu spielen, weil das andere Kind „komisch aussieht“ oder „komisch redet“. Kinder kopieren damit nicht unbedingt intolerante Erwachsene. In den ersten Lebensjahren lernen sie, zwischen vertrauten und unvertrauten Menschen zu unterscheiden – zunächst als Schutzmechanismus. Dabei nehmen Kinder ab einem Alter von drei Jahren zunehmend bestimmte Merkmale wahr, wie Sprache, Hautfarbe oder eine körperliche Beeinträchtigung. Haben sie etwa Rollstuhlfahrende bislang nur als Fremde auf der Straße erlebt, reagieren sie bei einem ersten nahen Kontakt womöglich mit Misstrauen und Unbehagen.

Zudem spüren kleine Kinder genau: Bestimmte Zugehörigkeiten, etwa zu einem Geschlecht, rufen verschiedene Reaktionen hervor. Das fängt bei Bewertungen wie „Typisch Mädchen – typisch Junge“ an, oft schon im Säuglingsalter. Durch Gender-Marketing, die gezielte Vermarktung spezieller Mädchen- und Jungenspielsachen, wird noch vor der Einschulung ein Gegensatz zwischen den Geschlechtern aufgebaut. Später nehmen Kinder weitere Unterschiede wie Familienkonstellation und Religionszugehörigkeit wahr. Neben der Familie prägen Erziehungs- und Lehrpersonal, Freunde und Medien das Bild, wer „dazugehört“ und wer nicht.

Was ist vorurteilsbewusste Erziehung?

Im deutschsprachigen Raum hat sich die „Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung“ etabliert. Das pädagogische Konzept lehnt sich an den sogenannten „Anti-Bias-Approach“ an (auf Deutsch: Ansatz gegen Einseitigkeiten und Diskriminierung). Die Pädagogin Louise Derman-Sparks enttwickelte den Ansatz in den 1980er-Jahren in den USA: Pädagogische Fachkräfte sollen sich darüber bewusst werden, wie Vorurteile und Diskriminierung entstehen und sich auswirken – Aufgabe der Fachkräfte sei es, an den richtigen Stellen gegenzusteuern.

Im eigenen Familienalltag bedeutet eine vorurteilsbewusste Erziehung: Die Diversität der Gesellschaft für die Kinder sichtbar machen und Unterschieden wertschätzend begegnen. Das Motto ist nicht „Wir sind alle gleich“, sondern „Wir sind alle unterschiedlich – und das ist gut!“

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Warum ist eine vorurteilsbewusste Erziehung wichtig?

Viele Menschen haben typische Vorurteile und stereotype Bilder von fußballspielenden Jungen und Prinzessinnen-Mädchen im Kopf. Außerdem gibt es nach wie vor gesellschaftliche Ungleichheit zwischen verschiedenen Gruppen und Diskriminierung. Noch immer hängen die Chancen von Kindern auf eine gute Bildung, soziale und berufliche Teilhabe nicht nur von ihrem familiären Hintergrund ab, sondern auch davon, welche Vorurteile ihnen begegnen.

Eine vorurteilsbewusste Erziehung macht das Erleben und Zusammenleben von Kindern vielfältiger und bunter. Gemeinsam mit gezielter Sprachförderung trägt sie dazu bei, die Chancengleichheit für alle Kinder zu verbessern.

Für Vorurteile in Familie, Kindergarten oder Schulalltag gibt es viele Beispiele. Umso wichtiger ist es, im Alltag der Kinder einen Gegenpol zu schaffen. Eine vorurteilsbewusste Erziehung können Sie als Eltern in der Praxis auf vielfältige Weise gestalten:

Vielfältige Begegnungen schaffen

Machen Kinder positive Erfahrungen mit verschiedenen Menschen, bauen sich Vorurteile von allein ab. Dabei helfen etwa Kontakte mit gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen, ethnischer Herkunft und religiösem Hintergrund. Spiele und Aktivitäten mit gemeinsamen Zielen fördern den Zusammenhalt besser als Aktivitäten, die auf Konkurrenz und Wettbewerb ausgelegt sind. Hier kommt Inklusion ins Spiel: Wenn Kinder früh auf Gleichaltrige mit einer Behinderung treffen, nehmen sie dies als Teil der menschlichen Vielfalt wahr.

Kinder verschiedener Herkunft sitzen im Kindergarten gemeinsam auf dem Boden und sind vergnügt.

© iStock / Halfpoint

Im Kindergarten können Kinder Diversität als etwas Normales kennenlernen – wichtig ist, dass auch Eltern als gutes Beispiel vorangehen, damit Vorurteile im Alltag keine Rolle spielen.

Vielfalt in Büchern und Filmen nutzen

Hilfreich ist, das Regal mit den Kinderbüchern kritisch zu durchforsten: In vielen Erzählungen sind die Helden weiß und die Familien bestehen aus Vater, Mutter und Kind. Kinder haben Hobbys und Haarschnitte aus der Kategorie „typisch Junge“ und „typisch Mädchen“. Inzwischen bilden immer mehr Bücher und Filme, vielfältigere Lebenswirklichkeiten ab. Dazu zählen etwa Kinder mit gleichgeschlechtlichen oder getrennten Eltern, verschiedenen Hautfarben oder Interessen, die nicht typischerweise ihrem Geschlecht zugeordnet werden. Solche Geschichten helfen dabei, Diversität als normal zu erfahren und Stereotype zu hinterfragen.

Vorurteilsfreie Kinderbücher für Kinder bis drei Jahren sind:

  • Danielle Graf und Katja Seide: Alex, abgeholt. Julius Beltz Verlag
  • Astrid Lindgren: Alle gehen schlafen. Oetinger Verlag
  • Dan Green: Auf der Raumstation. LIBRI

Für Kinder von drei bis sechs Jahren eignen sich diese Titel:

  • Alexandra Maxeiner: Alles Familie. Klett Verlag
  • Eric Carle: Herr Seepferdchen. Gerstenberg Verlag
  • Cornelia Funke und Kerstin Meyer: Der geheimnisvolle Ritter namenlos. Fischer Sauerländer

Passende Buchvorschläge für Kinder von sechs bis neun Jahren sind:

  • Fabrizio Silei und Maurizio A.C. Quarello: Der Bus von Rosa Parks. Jacoby Stuart
  • Kirsten Boie und Jutta Bauer: Ein mittelschönes Leben. Ein Kinderbuch über Obdachlosigkeit. Carlsen Verlag
  • Jan de Kinder: Tomatenrot oder Mobbing macht traurig. Atlantis Verlag

Interessen frei ausleben lassen

Bestärken Sie als Eltern Kinder in ihrer Identität und erkennen Sie ihre Einzigartigkeit an. Wer sich als Kind gesehen und angenommen fühlt, dem fällt es leichter, dieses Gefühl auch anderen entgegenzubringen. Dazu gehört, verschiedene Gruppenzugehörigkeiten und Interessen zu akzeptieren und das Kind zu stärken. Einem Jungen etwa aus Angst vor vermeintlichen Hänseleien rosafarbene Kleidung zu verbieten, wird ihn langfristig nicht ermutigen.

Vorbild sein

Wenn Eltern und andere Bezugspersonen Toleranz und Respekt vorleben, schaffen sie die besten Chancen für eine offene und vorurteilsbewusste Haltung bei ihren Kindern. Wichtig ist, immer wieder das altersgemäße Gespräch mit den Kindern zu suchen – und sich auch eigene bestehende Vorurteile ehrlich einzugestehen und sie zu hinterfragen.

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