Sucht
Sport in der Suchttherapie: Vorteile und Effekte
Veröffentlicht am:30.05.2025
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Der Weg aus einer Sucht ist nicht leicht und Rückfälle sind häufig. Sport kann eine gute Ergänzung zur Suchttherapie sein. Erfahren Sie mehr über die positive Wirkung und welche Sportarten sich besonders eignen.

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Kann Sport helfen, eine Sucht zu überwinden?
„Es lebe der Sport. Er ist gesund und macht uns hort“, sang der österreichische Liedermacher Rainhard Fendrich Anfang der 1980er-Jahre. Tatsächlich ist regelmäßige Bewegung gesund und hält uns fit. Sie verbessert die Kondition, steigert die Leistungsfähigkeit und wirkt sich positiv auf das körperliche sowie psychische Wohlbefinden aus. Außerdem stärkt sie das Immun- und Herz-Kreislauf-System, kräftigt die Muskulatur und kann Krankheiten vorbeugen.
Sport und Bewegung können den Behandlungsplan während eines Drogenentzugs und der Entwöhnung sinnvoll ergänzen, wie Studien zeigen. Sport kann als therapieunterstützendes Element dazu beitragen, den Erfolg der Suchtbehandlung sowie die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen zu verbessern.
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Drogenkonsum und Sucht in Deutschland
Nach dem Reitox-Jahresbericht 2024 gehören in Deutschland Cannabis, Kokain, Amphetamine und Ecstasy zu den am häufigsten von Erwachsenen konsumierten illegalen Drogen (der Datenerhebungszeitpunkt lag vor der Cannabis-Entkriminalisierung). Mehr als 2.200 Menschen – deutlich mehr Männer als Frauen – starben 2023 aufgrund des Konsums illegaler Drogen. Etwa doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Immer häufiger werden verschiedene Drogen nebeneinander konsumiert. Zur Realität gehört auch, dass der Konsum von Tabak und Alkohol in Deutschland weit verbreitet ist. Gut jeder fünfte Mann und jede sechste Frau raucht, 1,6 Millionen Menschen sind alkoholabhängig. Bei über 15 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren zeigt sich ein riskanter Alkoholkonsum – das betrifft etwa 7 Millionen Menschen.
Die Therapie einer Suchterkrankung hängt von der Art der Sucht ab und davon, wie stark sie ausgeprägt ist. Das Ziel der Behandlung ist grundsätzlich die Abstinenz – das heißt, komplett auf das Suchtmittel zu verzichten. Am Anfang der Behandlung steht zunächst die körperliche Entgiftung, bei der es darum geht, mögliche Komplikationen des Entzugs zu verhindern und Entzugserscheinungen zu lindern. Danach können je nach Art des Suchtmittels eine qualifizierte Entzugsbehandlung und eine soziale oder medizinische Rehabilitation folgen.
Therapeutische Wirkung von Sport
Nach einer erfolgreichen Behandlung sind Rückfälle in die Sucht keine Seltenheit. Bei Patientinnen und Patienten, die sich aufgrund ihrer Alkoholkonsumstörung medizinische Hilfe suchten, liegt die Rückfallquote im ersten Jahr bei bis zu 90 Prozent. Deshalb besteht Bedarf an unterstützenden Behandlungsmöglichkeiten, um etablierte Therapien zu ergänzen und ihren Erfolg nachhaltig zu verbessern. Eine Idee ist, sportliche Aktivitäten einzubinden. Auch bei der Therapie von Depressionen gibt es mittlerweile eine Reihe von Studien, die auf eine unterstützende Funktion gezielter sportlicher Aktivitäten hindeuten.
Kanadische Forscher und Forscherinnen sahen sich an, welche Effekte sportliche Aktivitäten auf die Behandlung einer Suchterkrankung haben können. Dazu analysierten sie über 40 Studien, an denen insgesamt 3.135 Personen mit einer Suchterkrankung teilgenommen hatten. In den meisten Studien wurden Menschen mit Alkoholabhängigkeit untersucht (zwölf Studien), bei zehn Studien ging es um Methamphetaminsucht und bei den anderen Studien um verschiedene Substanzen wie Stimulanzien, Kokain, Cannabis und Heroin.

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Sport als Ergänzung der Behandlung
Während der ambulanten oder stationären Suchtbehandlung standen auch sportliche Aktivitäten auf dem Programm. Bei den meisten Studien Joggen. Das Laufen gegen die Sucht war teilweise kombiniert mit Radfahren, Krafttraining oder anderen Sportarten. Am zweithäufigsten fokussierten sich die Studieninterventionen auf Krafttraining, das aber auch meist mit Ausdauersport wie Radfahren oder sporadischen Sportaktivitäten kombiniert wurde. Das Angebot der restlichen Studien umfasste unter anderem Tai Chi, Yoga, Walking, Taijiquan und Softball. Die meisten Studien untersuchten eine moderate körperliche Anstrengung.
Die Forscher und Forscherinnen kamen zu dem Schluss, dass Sport und Bewegung eine vielversprechende Ergänzung der Behandlung von Substanzabhängigkeit sein können. Trotzdem besteht aber noch weiterer Forschungsbedarf.
Einfluss auf die körperliche Gesundheit
Sport verbesserte die Schlafqualität in allen Studien, die diesen Parameter untersuchten. In 12 von 16 Studien fand sich ein signifikanter Rückgang des Substanzkonsums und in 4 von 5 Studien eine deutliche Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Sport verbesserte zudem die aerobe Kapazität – die ein Maß dafür ist, wie gut das Herz-Kreislauf-System und die Atmungsorgane unsere Muskeln bei längerer körperlicher Aktivität mit Sauerstoff versorgen. In einer anderen Übersichtsarbeit, die Sport im Kontext der Behandlung von Alkoholabhängigkeit untersuchte, zeigten sich zudem deutliche Verbesserungen der Herzfrequenz in Ruhe sowie der maximalen Sauerstoffaufnahme.
Effekte auf die psychische Gesundheit
Auch auf psychischer Ebene führte das Sportprogramm zu signifikanten Verbesserungen. Unter anderem reduzierten sich das Angsterleben und die Stressbelastung. In mehreren Studien waren die Sportprogramm-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen zudem zufriedener mit ihrem Körper, ihre Stimmung hellte sich auf, depressive Symptome verringerten sich und die Selbstwahrnehmung verbesserte sich.
Schon gewusst?
Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für über 200 Erkrankungen, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 sowie Schädigungen des Gehirns und des peripheren Nervensystems. Alkoholkonsum erhöht insbesondere das Risiko für Krebserkrankungen des Magens, Darms, der Leber, Speiseröhre, Brust sowie des Mund- und Rachenraums und der Bauchspeicheldrüse. Damit verbunden ist auch ein hoher medizinischer Versorgungsbedarf. Knapp 300.000 Krankenhausaufenthalte – etwa 1,7 Prozent der insgesamt registrierten – gingen im Jahr 2022 in Deutschland auf eine ausschließlich durch Alkoholkonsum bedingte Erkrankung zurück.
Unterstützt Sport die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit?
Alkohol ist in Deutschland die am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz. Selbst wenn Alkohol nur in geringen Mengen getrunken wird und keine Merkmale einer Suchterkrankung vorliegen, kann der Konsum schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Pro Jahr sterben etwa 40.000 Menschen in Deutschland an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das zeigt der Alkoholatlas Deutschland 2022. Eine Alkoholabhängigkeit hat besonders schwerwiegende Folgen, da sie sich nicht nur negativ auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf die geistige Leistungsfähigkeit, die Psyche, die sozialen Beziehungen und das allgemeine Funktionsniveau der Betroffenen auswirkt. Sie ist außerdem der häufigste Grund für eine Beratung und Behandlung in einer Suchthilfeeinrichtung. Eine Auswertung englischsprachiger Studien kommt zu dem Ergebnis, dass sportliche Aktivitäten die Abhängigkeit effektiv reduzieren und den körperlichen sowie geistigen Zustand der Patienten und Patientinnen deutlich verbessern können.
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Ausgewählte Sportarten
Zu den Interventionen gehörten aerobes Training (zum Beispiel langsames Gehen, Joggen oder Schwimmen), Krafttraining, Yoga und kombiniertes Training (Ausdauer- und Krafttraining, Yoga und Pilates sowie Ausdauertraining und Basketball). Die Dauer einer Trainingseinheit lag meist zwischen 30 und 60 Minuten. Trainiert wurde zwischen 3 und 24 Wochen.
Welche Effekte zeigten sich?
Es zeigten sich deutliche Veränderungen des körperlichen und mentalen Zustands. Die Zahl der pro Tag konsumierten alkoholischen Getränke war in der Sportgruppe geringer und die in einem Fragebogen erhobenen Merkmale einer Alkoholabhängigkeit verbesserten sich. Sport wirkte sich zudem positiv auf die Ruheherzfrequenz aus, reduzierte Angstzustände, Depressionen und das Stresslevel. Aufgrund der Heterogenität der untersuchten Studien konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, ob unterschiedliche Trainingsprogramme zu unterschiedlichen Effekten führen. Deshalb besteht auch hier noch weiterer Forschungsbedarf.