Psychologie
Trypophobie - wenn Löcher die Panik hochkommen lassen
Veröffentlicht am:27.10.2025
4 Minuten Lesedauer
Bekannt wurde der Begriff „Trypophobie“ durch gruselige Bilder von Punkten oder Löchern im Internet. Viele verspüren dabei einen wohligen Schauer. Manche empfinden allerdings ernsthaft Angst. Was dann helfen kann.

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Die Angst vor den Löchern
Manchen ist das Phänomen Trypophobie wohl zuerst im Internet begegnet. Um das Jahr 2010 herum tauchten dort vermehrt Bilder mit kleinen, runden Löchern oder Mustern auf. Sie zeigten Motive wie die samenübersäte Haut von Erdbeeren, Sonnenblumenkerne, Schaum auf dem Kaffee oder auch Öffnungen in einem Duschkopf in Großaufnahme. Sehr gern wurden auch Bilder der Samenkapseln von Lotusblumen per Photoshop passend eingefärbt, auf menschliche Hände oder andere Körperpartien montiert und die Montagen als Abbildungen von exotischen Hautkrankheiten deklariert. Die so genannte „Trypophobie-Haut“ konnte ziemlich unappetitlich wirken.
Während die allermeisten solche Bilder aber nur mit etwas wohligem Grusel oder mit schnell vergehendem Ekel betrachteten, lösten sie bei anderen ernsthafte Furcht oder sogar Panik aus – ganz so, wie es der Begriff „Trypophobie“ (aus den griechischen Wörtern trypa für „Loch“ und phobos für „Angst“) aussagt. Er bedeutet „Angst vor Löchern“.
Was ist Trypophobie?
Zur Trypophobie muss weiter geforscht werden, deshalb lässt sich vieles noch nicht abschließend beantworten. Trypophobie ist derzeit auch keine anerkannte Angststörung. Sicher ist aber trotzdem: Es gibt Menschen, bei denen Ansammlungen von kleinen Löchern oder Dellen, kleine Muster mit ähnlichem Aussehen oder die Abbildungen von solchen Motiven für Leidensdruck sorgen. Dabei kann sich das, was die Angst auslöst, von Mensch zu Mensch unterscheiden: Bei den einen sind es nur eng beieinander liegende Löcher, bei anderen generell alles, was klein und rund ist und ein Muster bildet. Bilder wirken bei den einen anders als reale Objekte, andere reagieren auf beides mit Furcht.
Anblicke die bei Betroffenen Angst auslösen können (Beispiele)
- Honigwaben
- Käse
- Schwämme
- Blasen
- Luftschokolade
- Facettenaugen von Insekten
Die durch Trypophobie ausgelöste körperliche Reaktion lässt sich messen, sie zeigt sich etwa durch den geringeren elektrischen Leitungswiderstand der Haut. Amerikanische Forschende gehen davon aus, dass zwischen 10 und 18 Prozent aller Erwachsenen eine Form von Angst empfinden, wenn sie Ansammlungen von Punkten, Dellen oder Löchern betrachten. Manche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ordnen die Trypophobie der spezifischen Phobie – also von einer bestimmten Sache ausgelösten Angst zu. Andere bringen sie mit den Reaktionen einer Zwangsstörung in Verbindung.

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Ist Trypophobie eine Gefahrenreaktion aus alten Zeiten?
Ebenfalls noch nicht geklärt ist, was der Auslöser von Trypophobie ist. Eine Forschungshypothese besagt, dass optische Reize dann Angst auslösen, wenn sie der Zeichnung auf der Haut von gefährlichen Tieren ähneln, etwa von Schlangen oder Spinnen. Die Phobie wäre dann eine Art fehlgeleitete Gefahrenreaktion, die noch aus früheren Zeiten der Menschheit übrig geblieben ist. Das gilt auch für eine zweite Theorie: Andere Forschende vermuten, dass Betroffene Muster oder Bilder unbewusst mit Hautkrankheiten oder Krankheitserregern in Verbindung bringen. Außerdem existiert die Vermutung, dass die Trypophobie mit sozialer Phobie zusammenhängen könnte. Die Löcher oder Muster würden dann mit starrenden Augenpaaren in einer Menschenmenge assoziiert.
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Für Menschen, die unter der Angst leiden, dürften solche theoretischen Erklärungen allerdings Nebensache sein. Die Hauptsache ist der Leidensdruck. Die Symptome können von Ekel oder Unbehagen über Schwitzen, Zittern und Übelkeit bis hin zu Herzrasen, Fluchtdrang und regelrechter Panik reichen. Den Alltag und die Lebensqualität kann das stark beeinträchtigen. Erst recht dann, wenn die Phobie dazu führt, dass Betroffene bestimmte Orte oder Situationen meiden und die Angst dadurch den Lebensraum immer mehr einengt.
Therapie gegen Trypophobie
Behandlungsmethoden speziell gegen Trypophobie gibt es nicht. Es werden die Therapien empfohlen, die generell bei Phobien angewendet werden. Das ist zum einen die Kognitive Verhaltenstherapie. Im Rahmen dieser Behandlung lernen Betroffene Strategien, mit denen sich unerwünschte Gedanken und belastende Gefühle wie Angst oder Panik erkennen und neu bewerten lassen. Außerdem gibt es die Expositionstherapie. In ihrem Rahmen setzt man sich seiner Angst aus, in einer sicheren Umgebung und mit Hilfe des Therapeuten oder der Therapeutin. Die Therapie ist eine Art Training, bei dem gelernt werden soll, dass die Furcht unbegründet ist. Die Expositionstherapie gilt als klassische Behandlungsmethode bei Phobien. Auch Selbsthilfegruppen unterstützen Betroffene.
Und nicht zuletzt kann man sich selbst Gutes tun, um die Beschwerden zu lindern. Dazu gehören Entspannungstechniken oder Yoga, Zeit in der Natur oder anderen beruhigenden Umgebungen und Tätigkeiten, die einem Spaß machen. Generell kann eine gesunde Lebensweise dabei helfen, Phobien zu lindern: zum Beispiel ausreichend Schlaf, genug Bewegung sowie wenig Alkohol und Koffein. Auf jeden Fall gilt, auch, wenn das Leiden noch nicht erschöpfend erforscht ist: Trypophobie ist eine echte Belastung. Und sie kann denen, die an ihr leiden, sehr zu schaffen machen. Dass die Angst mehr ist als nur ein Internetphänomen, beweist das, worauf Forschende hinweisen: Viele ältere Betroffene haben unter der Angst schon gelitten, als es noch gar kein Internet gab.
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