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Psychologie

Hypochonder: Wie viel Angst vor Krankheiten ist normal?

Veröffentlicht am:18.01.2022

4 Minuten Lesedauer

Der Begriff „Hypochonder“ wird oft abfällig für Menschen verwendet, die wehleidig sind. Eine echte hypochondrische Störung ist aber ein ernst zu nehmendes psychisches Problem, das einer Behandlung bedarf.

Frau mit Hypochondrie googelt ihre Symptome auf dem Smartphone.

© iStock / Brothers91

Was ist Hypochondrie?

Als Hypochonder bezeichnet man Menschen, die eine übermäßige Angst vor gesundheitlichen Problemen haben und jedes kleinste körperliche Signal – etwa Halskratzen, eine belegte Zunge – als Symptom für eine schwere Krankheit interpretieren. Viele Betroffene gehen häufig zum Arzt, um ihren Gesundheitszustand überprüfen zu lassen. Oft suchen sie dafür auch mehrere Ärzte hintereinander auf, da sie die Diagnose anzweifeln oder denken, der Arzt nehme ihre Beschwerden nicht ernst oder verharmlose sie.

Woher kommt der Begriff Hypochonder?

Hypochondrie ist ein veralteter Begriff, der aus dem Griechischen stammt. Die alten Griechen glaubten, dass sich der Sitz von Gemütskrankheiten „unter den Rippenknorpeln“ (hypo = unter, chondros = Knorpel) befinde. Da die Milz als Ursache für diese Beschwerden galt, wurde die Hypochondrie früher auch „Milzsucht“ genannt. Mediziner sprechen heute von der sogenannten hypochondrischen Störung. Sie gehört zur Gruppe der somatoformen Störungen, deren Kennzeichen körperliche Beschwerden ohne ausreichende organische Ursache sind.

Ab wann ist man ein Hypochonder?

Die generelle Angst vor Krankheiten tritt auch bei psychisch Gesunden auf. Diese sind allerdings beruhigt, wenn ein Arzt bestimmte Symptome abklärt und keine besondere Krankheit feststellt. Menschen mit einer hypochondrischen Störung kann es dagegen schwerfallen, mit der Unsicherheit zu leben, dass sich nicht immer für jedes körperliche Symptom eine eindeutige Ursache finden lässt. An sich harmlose Beschwerden können dann zu einer beharrlichen Beschäftigung mit der Möglichkeit führen, an einer oder mehreren schweren Krankheiten zu leiden. Eine klinische Hypochondrie ist ein psychisches Problem, das zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen kann. Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist davon betroffen.

Symptome der Hypochondrie sind:

  • Kreisende Gedanken um die eigene Gesundheit und Krankheiten.
  • Unklare Körpersymptome werden als Anzeichen für schwere Krankheiten gedeutet.
  • Ständige Selbstbeobachtung der körperlichen Funktionen.
  • Häufige Arztbesuche und Arztwechsel und Anzweifeln von Befunden.

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Welche Ursachen gibt es für Hypochondrie?

Die Ursachen für eine Hypochondrie sind vielschichtig. Bestimmte Risikofaktoren können das Auftreten einer hypochondrischen Störung begünstigen. Oft traten in der Kindheit oder Jugend der Betroffenen emotional stark belastende Ereignisse auf, die einen normalen Umgang mit körperlichen Beschwerden erschwert oder unmöglich gemacht haben. Dazu gehören zum Beispiel schwere Erkrankungen, die einen selbst oder Familienmitglieder betroffen haben. Manche Kinder verinnerlichen dann, dass Krankheit mit unangenehmen Gefühlen wie Ängsten oder Traurigkeit verbunden ist, und empfinden sie als bedrohlich.

Auch ein angstfördernder Erziehungsstil erhöht das Risiko, später im Leben ein Hypochonder zu sein. Harmlose Körperbeschwerden werden dramatisiert. Kinder machen dann oft die Erfahrung, dass körperliche Symptome fast immer etwas Schlimmes sind und dass Gesundheit bedeutet, völlig frei von Beschwerden zu sein. Tatsächlicher Auslöser einer Hypochondrie im Erwachsenenalter sind aber oft emotional belastende Ereignisse wie ein Todesfall in der Familie, Krankheit oder eine große Stressbelastung.

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Welche Therapien gibt es für Hypochonder?

Bei Hypochondern wird zur Behandlung in erster Linie die sogenannte kognitiv-behaviorale Therapie eingesetzt. Sie hilft dem Patienten, ihre körperlichen Beschwerden anders zu bewerten und nicht immer an eine Krankheit zu denken, das zwanghafte Verhalten zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern. Wichtig für den Erfolg der Therapie ist, dass sich die Betroffenen von ihrem Therapeuten ernst genommen fühlen. Die Patienten haben oftmals das Bedürfnis nach der Bestätigung, dass ihre Symptome real sind und nicht nur in ihrem Kopf stattfinden. Der Arzt muss alle subjektiven Symptombeschreibungen akzeptieren, aber nicht unbedingt alle Auslegungen. Basis einer erfolgreichen Behandlung ist eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehungen, die von Respekt, Wärme und Empathie geprägt ist. Verschiedene Studien haben bestätigt, dass sowohl kognitive Therapie als auch Verhaltenstherapie wirksame Behandlungen sind.

Neben der genannten Verhaltenstherapie kommen andere Verfahren zum Einsatz, wie etwa ein spezielles Training zum Stress- oder Problemlösemanagement, Bibliotherapie (bei der die Lektüre ausgewählter Bücher oder schriftlicher Übungsanleitungen miteinbezogen wird) oder die motivierende Gesprächsführung. Hier gibt es aber noch keinen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis. In besonders schweren Fällen verschreiben Ärzte auch Psychopharmaka, vor allem sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI).

Hypochonderin sitzt beim Arzt und lässt ihre Symptome abklären.

© iStock / SDI Productions

Hypochondrie ist ein ernst zu nehmendes psychisches Problem, für den Erfolg der Therapie ist es deshalb besonders wichtig, dass sich Betroffene ernst genommen fühlen.

Ist Hypochondrie heilbar?

Trotz einer Therapie kann es bei Hypochondern immer wieder zu Rückfällen kommen, vor allem, wenn sich bislang unbekannte körperliche Symptome zeigen oder wenn in den Medien von neuen Erkrankungen berichtet wird. Mit der richtigen Behandlung können Hypochonder ihre Ängste und Beschwerden aber in der Regel so weit in den Griff bekommen, dass sie in ihrem Alltag gut zurechtkommen. Generell gilt, sich möglichst früh behandeln zu lassen, denn das erhöht die Chancen auf eine Heilung. In vielen Fällen treten zusätzlich zu der hypochondrischen Störung weitere Krankheiten auf, vor allem psychische Leiden wie Angststörungen oder Depression. Es ist wichtig, diese zeitgleich zu behandeln, um den Therapieerfolg zu fördern.

In jedem Fall ist es sinnvoll, die Angehörigen mit in die Therapie einzubinden. Sie können die Selbstwirksamkeit des Betroffenen stärken, indem sie seine Befürchtungen ernst nehmen, ihn zu einer Therapie ermuntern und ihm helfen, seinen Gesundheitszustand realistisch einzuschätzen. Übertriebene Fürsorge und Schonung können dagegen eher schaden. Angehörige eines Hypochonders können sich an den behandelnden Therapeuten wenden, um Tipps und Infos zum Umgang mit der Krankheit zu bekommen.

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