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Gesundheitsmagazin

Muskel-Skelett-System

Wie erkennt und wie behandelt man Morbus Bechterew?

Veröffentlicht am:26.04.2023

6 Minuten Lesedauer

Die rheumatische Krankheit Morbus Bechterew kann unbehandelt zu einer Versteifung der Wirbelsäule führen. Mit einer angemessenen Therapie kann der Verlauf beeinflusst werden. Wichtig ist bei Morbus Bechterew eine frühe Diagnosestellung.

Ein Mann mit Morbus Bechterew steht vom Bett auf und hat Rückenschmerzen.

© iStock / Nes

Was ist Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew ist eine chronisch entzündlich-rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule. Er zählt zu den sogenannten Spondyloarthritiden (chronische Entzündungskrankheiten im Bereich der Wirbelsäule und von Gelenken). Dabei handelt es sich aber nicht um Bakterien oder Viren, die eine Entzündung auslösen, vielmehr richtet sich das körpereigene Abwehrsystem gegen eigene Körperzellen und löst dort einen Entzündungsprozess aus.

Oft fängt der Morbus Bechterew mit Beschwerden im Bereich der Iliosakralgelenke an, die die Beckenknochen mit der unteren Wirbelsäule verbinden. Im Krankheitsverlauf können sich die Entzündungen und Beschwerden auf die ganze Wirbelsäule ausweiten und auch Brustkorb, weitere Gelenke oder Sehnenansätze betreffen. Unbehandelt kommt es zur Verknöcherung der kleinen Wirbelsäulengelenke und Bänder und die Wirbelsäule büßt an Beweglichkeit ein. Im Extremfall versteift sie vollständig. Typisch für dieses weit fortgeschrittene, heute aber nur noch selten auftretende Stadium, ist eine nach vorn gebeugte Körperhaltung.

Morbus Bechterew – Spondylitis ankylosans

Namensgeber der Krankheit ist der russische Neurologe Wladimir M. Bechterew, der sie 1892 beschrieben hat. International sind die Bezeichnungen Spondylitis ankylosans und ankylosierende Spondylitis gebräuchlich. Übersetzt bedeutet das: „versteifende Wirbelentzündung“ Morbus Bechterew ist nicht heilbar. Aber sein Verlauf lässt sich therapeutisch positiv beeinflussen, wodurch die Beweglichkeit oft zu großen Teilen erhalten bleibt. In Europa sind rund ein Prozent der Bevölkerung von Morbus Bechterew betroffen. Frauen haben meist einen milderen Krankheitsverlauf als Männer.

Morbus Bechterew bleibt oft lange unerkannt

Morbus Bechterew wird oft erst im fortgeschrittenen Stadium, wenn die Betroffenen schon älter sind, diagnostiziert. Erste Symptome treten aber meist schon in jungen Jahren auf – meist liegt der Krankheitsbeginn zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr. Betroffene leiden manchmal lange Zeit unter starken Rückenschmerzen, ohne dass sie selbst oder Ärzte und Ärztinnen Morbus Bechterew in Betracht ziehen. Deshalb liegen zwischen dem Beginn der Krankheit bis zum Zeitpunkt der Diagnose in der Regel mehrere Jahre.

Was sind die Ursachen von Morbus Bechterew?

Die Rolle der Gene

Vermutlich spielt eine genetische Veranlagung eine entscheidende Rolle bei der Krankheit. Konkret scheint ein Zusammenhang zu einem bestimmten Genvariante zu bestehen: HLA-B27 – über 90 Prozent der vom Morbus Bechterew Betroffenen tragen diese Variante. Das bedeutet aber nicht, dass Menschen mit HLA-B27 zwangsläufig Morbus Bechterew entwickeln: Acht von 100 Menschen haben HLA-B27, aber die allermeisten erkranken nicht. Die Krankheit kann zudem auch bei Menschen ohne HLA-B27 auftreten. HLA-B27 kann von einem Familienmitglied auf ein anderes vererbt werden, weshalb es zu familiären Häufungen der Krankheit kommt. Aber auch andere Gene, nämlich ERAP1 und IL23R, werden mit Morbus Bechterew in Verbindung gebracht.

Fehler im Immunsystem?

Erbfaktoren spielen zwar eine Rolle – aber was einen Morbus Bechterew konkret auslöst, ist nicht geklärt. Eine mögliche Ursache: eine Störung des Immunsystems. Ob es sich aber um eine typische Autoimmunerkrankung, wie andere Formen des Rheumas, handelt oder um eine Erkrankung, die durch das Immunsystem vermittelt wird, ist nicht sicher geklärt. Wahrscheinlich spielen neben der genetischen Komponente Auslöser wie Infektionen und Umweltfaktoren eine Rolle. Auch Entzündungen im Bereich der Geschlechtsorgane, der Harnröhre sowie des Darms werden als mögliche Krankheitsauslöser vermutet.

Woran erkennt man Morbus Bechterew?

Tiefsitzender Rückenschmerz

Tiefsitzende Schmerzen im Becken-, Gesäß- und Lendenwirbelbereich sind typische Anzeichen für einen beginnenden Morbus Bechterew, da die Erkrankung meistens mit einer Entzündung der Iliosakralgelenke beginnt. Üblicherweise treten diese Schmerzen in der zweiten Nachthälfte oder am frühen Morgen auf, also nach einer langen Phase ohne Bewegung. Begleitet werden die Schmerzen meist von einer Morgensteifigkeit des Rückens. Typisch bei Morbus Bechterew: Die Beschwerden bessern sich bei Bewegung und verschlimmern sich in Ruhe.

Individuelle Krankheitsverläufe

Typisch ist die Ausdehnung der Entzündungen auf Sehnen- und Muskelansätze oder Schleimbeutel. Aber auch große Gelenke wie Hüfte oder Knie oder Knochen-Knorpel-Verbindungen können betroffen sein. Ansonsten kann die Krankheit sehr unterschiedlich verlaufen. Typisch ist ein schubhafter Verlauf, bei dem sich schmerzhafte Entzündungsphasen mit Zeiten ohne Beschwerden abwechseln. In einigen Fällen breiten sich die Schmerzen mit der Zeit bis in den Brust- und Halsbereich aus. Wenn im Verlauf der Krankheit Abschnitte der Wirbelsäulen zunehmend verknöchern und versteifen, fällt eine aufrechte Haltung immer schwerer.

Weitere mögliche Morbus-Bechterew-Symptome

  • Müdigkeit und Abgeschlagenheit
  • Minderung der Knochendichte (erhöhtes Risiko von Knochenbrüchen)
  • Entzündung der Iris im Auge
  • Schuppenflechte
  • chronisch entzündliche Darmerkrankungen
  • Selten sind innere Organe wie Herz oder Lunge beteiligt.

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Wie wird Morbus Bechterew festgestellt?

Je früher ein Morbus Bechterew erkannt wird, desto größer ist die Chance, Entzündungsvorgänge zu bremsen und die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule zu bewahren. Wichtig ist es, auf frühe Warnzeichen zu achten: Wer über drei Monate anhaltende und tief sitzende Rückenschmerzen hat, die durch Bewegung gelindert werden, sollte sich ärztlich untersuchen lassen. Die Schweizerische Vereinigung Morbus Bechterew hat einen Online-Diagnosetest erstellt, der Anhaltspunkte für den Verdacht auf eine Erkrankung liefert.

In der Hausarztpraxis werden die Symptome im Arztgespräch abgeklärt. Wenn sich der Verdacht auf Morbus Bechterew erhärtet, folgt die Überweisung in eine rheumatologisch-fachärztliche Praxis. Hier werden die Wirbelsäule und die Gelenke auf Anzeichen von akuten und abgeklungenen Entzündungen sowie Knochenwucherungen untersucht. Dabei kommen bildgebende Verfahren wie Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule und des Beckens und die Magnetresonanz-Tomografie (MRT) zum Einsatz. Entzündungswerte sowie die HLA-B27-Genvariante lassen sich zudem über Blutuntersuchungen ermitteln.

Morbus Bechterew-Therapie

Da Morbus Bechterew nicht heilbar ist, sind die Behandlungsziele: Schmerzlinderung, Erhaltung der körperlichen Funktionsfähigkeit, Reduktion der Steifigkeit und die Verhinderung von Schäden an Organen, Knochen oder Gewebe. Üblich ist eine Kombination aus medikamentöser und Bewegungstherapie. Eingesetzte Medikamente sind beispielsweise entzündungshemmende Schmerzmittel. Bei sehr starken Beschwerden kann auch eine Injektion von Hormonen (Glukokortioiden) in die betroffene Region notwendig sein. Ergänzend stehen mittlerweile sogenannte Immunmodulatoren zur Verfügung, die in den Stoffwechsel eingreifen oder das Immunsystem dämpfen. Beispiele hierfür sind Sulfasalazin, Upadacitinib oder sogenannte TNF-Alpha-Blocker.

Eine spezielle Bechterew-Gymnastik gegen das Fortschreiten der Versteifung kann nach Anleitung selbstständig durchgeführt werden. Am besten nach dem Aufstehen, wenn die Steifigkeit am stärksten ist. Zusätzlich sind folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Gruppengymnastik
  • Balneotherapie (Bewegungstherapie im Wasser)
  • Manuelle Therapie (zum Beispiel Dehnen und Strecken von Gliedmaßen)
  • Wärmetherapie (beispielsweise Saunagänge und Überwärmungsbäder)

Mit speziellen Messmethoden wird die Beweglichkeit der Wirbelsäule und die Körperhaltung regelmäßig ärztlich kontrolliert, um eine positive Wirkung der Therapie auf den Krankheitsverlauf sicherzustellen und gegebenenfalls die Maßnahmen anzupassen.

Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin sowie Ihrer Krankenkasse, welche Maßnahmen für Sie infrage kommen und übernommen werden.

Manchmal ist eine Operation notwendig. Zu den häufigsten zählt das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks. Selten ist eine Wirbelsäulen-Aufrichtungs-Operation bei Menschen mit fortgeschrittenem Morbus Bechterew, die eine so stark gekrümmte Haltung haben, dass sie nicht mehr nach vorn schauen können oder es zu Funktionsstörungen von inneren Organen kommt.

Eine Gruppe von Menschen unterschiedlichen Alters macht in einem Schwimmbecken Wassergymnastik mit Schwimmnudeln.

© iStock / kzenon

Wassergymnastik unterstützt die Beweglichkeit der Wirbelsäule bei Morbus Bechterew.

Leben mit der Krankheit

Mit der passenden Therapie ist ein aktives Leben mit Morbus Bechterew in den meisten Fällen möglich. Gut behandelt hat Morbus Bechterew auf die Lebenserwartung keinen oder nur geringen Einfluss. Die Behandlung ist besonders erfolgversprechend, wenn auch der Lebensstil an die Krankheit angepasst wird. Dazu zählt vor allem regelmäßige Bewegung. Ideal sind Aktivitäten, die Skelett und Gelenke nicht zu sehr belasten, zum Beispiel Spazierengehen, Schwimmen oder Nordic Walking. Sportarten wie Joggen, Tennis oder Fußball sind hingegen nicht geeignet.

Tipps für Morbus-Bechterew-Betroffene

  • Spezialgymnastik regelmäßig durchführen – das wirkt der Versteifung entgegen
  • auf eine möglichst aufrechte und gerade Körperhaltung achten
  • Ernährung mit hohem pflanzlichen Anteil (Gemüse, Obst, Vollkornprodukte), Milchprodukte und Lebensmittel mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (zum Beispiel Fisch). Diesen Lebensmitteln wird eine entzündungshemmende Wirkung zugesprochen – und nur wenig Fleisch und Wurstwaren, die als entzündungsfördernd gelten.
  • Übergewicht reduzieren – das entlastet die Gelenke
  • auf Alkohol verzichten – Alkohol wirkt entzündungsfördernd
  • nicht rauchen – Tabakrauchen verschlimmert rheumatische Erkrankungen

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