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Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: Ursachen und Behandlung

Veröffentlicht am:27.07.2022

6 Minuten Lesedauer

Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS) ist eine angeborene Fehlbildung bei Kindern. Diese wird operativ geschlossen, um Funktionsstörungen zu vermeiden. Welche Ursachen die Krankheit hat und welche Möglichkeiten es zur Behandlung gibt.

Ein Baby mit einer Lippenspalte liegt in den Armen einer Frau, die das Kind besorgt ansieht.

© iStock / PeopleImages

Was ist eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?

Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (abgekürzt: LKGS) zählt zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen: Etwa eines von 500 Babys kommt mit einer Spalte im Lippen-Kiefer-Gaumen-Bereich zur Welt. Die Spaltbildung entsteht, weil die Strukturen im Lippen-Kiefer-Gaumen-Bereich während der Entwicklung des Babys im Bauch der Mutter nicht richtig zusammenwachsen.

So individuell wie das Kind und seine Entwicklung sind auch die diversen Formen der Fehlbildung, die unter dem Begriff Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zusammengefasst werden: Bei manchen Kindern ist nur die Oberlippe, bei anderen sind Oberlippe und Kiefer betroffen. Wiederum andere Babys kommen mit einer Fehlbildung zur Welt, bei der sowohl Oberlippe und Kiefer als auch der Gaumen gespalten sind – mal einseitig, mal doppelseitig, mal komplett, mal unvollständig. Auch sind die Fehlbildungen unterschiedlich stark ausgeprägt.

Im Volksmund wurde die Lippenspalte lange als Hasenscharte bezeichnet, und die Gaumenspalte als Wolfsrachen. Diese veralteten Begriffe wecken negative Vorstellungen, sind unzutreffend und entsprechen nicht dem Zeitgeist einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft. Deshalb sollten sie heute nicht mehr verwendet werden.

Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte fällt normalerweise sofort bei der ersten Untersuchung des Neugeborenen auf. Manchmal ist sie auch so deutlich, dass das ärztliche Fachpersonal sie schon während der Schwangerschaft durch einen Ultraschall erkennen kann. Es gibt aber auch sogenannte Mikroformen, die nur Experteninnen und Experten im Ultraschall entdecken.

Welche Ursachen hat eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?

Verschiedene Faktoren begünstigen die Entstehung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte – sowohl äußere (exogene) als auch innere (genetische) Einflüsse spielen eine Rolle. Es wird vermutet, dass die meisten Spalt-Fehlbildungen durch äußere Faktoren entstehen. Dazu gehören zum Beispiel: Infektionen der Mutter, etwa mit Mumps, Röteln oder Toxoplasmose (eine von Säugetieren auf Menschen übertragbare Infektionskrankheit, deren Erreger sich in Katzen vermehren), Nebenwirkungen von Medikamenten, Alkohol-, Drogen- oder Nikotinkonsum während der Schwangerschaft oder Vitaminmangel oder auch eine Überdosierung von Vitaminen. Wie groß der Einfluss der einzelnen Faktoren ist, lässt sich nicht genau sagen. Sicher ist nur, dass sie Fehlbildungen beim Ungeborenen allgemein fördern.

Die LKGS des Kindes wird meist früh entdeckt und muss auch früh behandelt werden, denn: Abhängig von der individuellen Ausprägung kann sie unbehandelt zu verschiedenen Problemen führen. Zum Beispiel kann das Saugen, Trinken und Schlucken des Babys eingeschränkt sein, oder es können Probleme bei der Atmung auftreten. Unter Umständen verhindert sie auch, dass sich der Oberkiefer gesund entwickelt, und erschwert später dem Kleinkind das Sprechen beziehungsweise die Lautbildung. Möglich sind auch Zahnfehlstellungen und eine erhöhte Anfälligkeit für Karies. Zudem kann eine unbehandelte Lippen-Kiefer-Gaumenspalte die Belüftung der Ohren behindern, was in manchen Fällen zu häufigeren Mittelohrentzündungen führen kann.

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Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: Wie sieht die Behandlung aus?

Die Therapie einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist langwierig und kompliziert und einen einheitlichen Therapiestandard gibt es nicht. Die Behandlung erfolgt in der Regel an spezialisierten Spaltzentren. Dort arbeiten Mund-Kiefer-Gesichtschirurginnen und -chirurgen, kieferorthopädisches Fachpersonal, HNO-Ärztinnen und -Ärzte sowie Logopädinnen und Logopäden zusammen und erstellen individuelle Therapiepläne für jede Patientin und jeden Patienten.

In aller Regel beginnt die Therapie einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte schon bald nach der Diagnose. Ziel ist es, die Spalte beziehungsweise die Spalten in allen Abschnitten zu schließen (Primärbehandlung). Neben den Operationen sind oft vorbereitende Maßnahmen sowie Eingriffe im weiteren Verlauf der Therapie (Sekundärbehandlung) erforderlich.

Erster Schritt ist oft eine sogenannte Gaumenplatte, auch „Trinkplatte“ genannt, die ein betroffenes Baby kurz nach der Geburt erhält. Diese individuell angefertigte Prothese verschließt den Spalt im Hartgaumen und trennt dadurch die offene Mundhöhle vom Nasenraum. Die Gaumenplatte wird dann regelmäßig an den wachsenden Knochen angepasst. Durch die Trinkplatte wird dem Baby das Schlucken und Trinken erleichtert. Außerdem verbessert sich dadurch die Lage der Zunge und das Wachstum des Kiefers wird in die richtige Richtung gelenkt.

Ein besonders wichtiger Teil der LKGS-Behandlung sind Operationen, die die Fehlbildungen korrigieren. Welche Eingriffe erfolgen sollten, hängt davon ab, welche Form der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vorliegt. Das Alter des Kindes und der Schweregrad der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bestimmen dabei die Art und das Vorgehen der Operationen.

Verschluss der Lippenspalte

Im Alter von etwa vier bis sechs Monaten wird die Lippenspalte des Säuglings im Rahmen einer Operation verschlossen. Es gibt keine einheitliche Operationstechnik. Das Verfahren richtet sich nach der individuellen Form der Spaltenbildung. Dabei stellen die Ärtinnen und Ärzte zunächst die normale Funktionsfähigkeit der Lippen wieder her und passen sie auch ästhetisch an, indem sie auf die Symmetrie und die korrekte Lippenrot-Weiß-Grenze der Oberlippe achten. Zusätzlich bilden Chirurginnen und Chirurgen, falls nötig, den Nasenboden, heben die Nasenspitze an und korrigieren gegebenenfalls die Nasenflügel.

Verschluss einer Gaumenspalte

Falls eine Gaumenspalte vorliegt, ist ein wichtiger Schritt bei der LKGS-Behandlung, den Gaumen wieder zu verschließen. Dabei wird die weiche Gaumenspalte früh, am besten innerhalb der ersten Lebensmonate, verschlossen, um eine Mittelohrbelüftung zu ermöglichen. Der Verschluss des harten Gaumens dagegen erfolgt später, um das Kieferwachstum durch Operationsnarben nicht zu stören. Ein richtig geformter Gaumen ist für die Sprachentwicklung wichtig und ermöglicht es dem Kind, die Wörter korrekt im Mund zu formen. Daher wird der Gaumen etwa im Alter von 9 bis 18 Monaten, meist jedoch vor dem ersten Geburtstag, verschlossen – also bevor das Kind mit dem Sprechen beginnt.

Kieferspaltverschluss

Hat das betroffene Kind einen gespaltenen Kiefer, stellt das behandelnde chirurgische Fachpersonal die korrekte Gaumenanatomie durch eine Operation wieder her. Dazu wird in der Regel ein Stück Knochen vom Beckenkamm des Kindes entnommen und später in die Lücke des Zahnbogens transplantiert, um diese zu schließen. So ist gewährleistet, dass die Zähne sich richtig einordnen. Diese sogenannte Kieferspaltosteoplastik erfolgt meist vor Durchbruch des Eckzahns, also etwa mit sieben bis elf Jahren.

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Ästhetische und funktionelle Korrekturen

Neben den Operationen, die die Fehlbildungen beheben und die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte verschließen, werden bei vielen Patientinnen und Patienten im Laufe der Jahre noch weitere Eingriffe durchgeführt. Diese können beispielsweise das Sprechen erleichtern oder aus ästhetischen Gründen sinnvoll sein. Bei wenigen Kindern treten nach der Operation und Rehabilitation funktionelle Probleme wie das Näseln auf. Dies wird im Rahmen einer weiteren OP, der sogenannten Velopharyngoplastik, korrigiert. Andere Kinder haben durch eine doppelseitige Spaltfehlbildung einen verkürzten Nasensteg. Auch hier erfolgt eine Korrekturoperation – die Columellaplastik.

Diese Eingriffe erfolgen in der Regel vor der Einschulung. Doch auch danach werden bei vielen Kindern und Jugendlichen je nach spezifischem Fall noch Korrekturen an Gaumen, Kiefer, Lippen oder Nase durchgeführt. Eventuell ist es nötig, die Nasenscheidewand zu korrigieren oder einen Fehlbiss zu beheben. Das erfolgt in der Regel erst ab einem Alter von etwa 17 Jahren.

Ein Junge schaut ein Mädchen an, das mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKGS) neben ihm sitzt und spielt.

© iStock / Constantinis

Neben einer rein ästhetischen Korrektur geht die Behandlung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS) häufig auch mit begleitenden Therapien, zum Beispiel einer Sprachtherapie (Logopädie) einher.

Begleitende Therapien

Eine Reihe von Therapien begleitet die Behandlung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Es beginnt mit einer Stillberatung für die Mutter. Später erhalten Klein- und Schulkinder mit LKGS eine HNO-ärztliche Betreuung. Dort diagnostizierte Hör-, Schluck- und Sprechstörungen können mit diversen therapeutischen Maßnahmen verbessert werden, etwa mit einer Sprachtherapie (Logopädie), welche der Sprach-, Sprech- und Stimmentwicklung dient. Zur Korrektur von Zahnfehlstellungen kann eine Zahnspange sinnvoll sein. Um auch mit den möglichen psychischen Folgen der Erkrankung besser umgehen zu können, erhalten manche betroffenen Kinder und ihre Eltern auch eine psychotherapeutische Unterstützung. Förderlich sind auch Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen, die Rückhalt bieten.

Prognose der LKGS

Die Therapie der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist langwierig – am Ende steht aber meist ein gutes Ergebnis. Von der einstigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sieht man kaum mehr als eine kleine Narbe an der Oberlippe und die Patienten führen ein beschwerdefreies Leben.

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