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Gesundheitsmagazin

Schwangerschaft

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Baby – gibt es den überhaupt?

Veröffentlicht am:06.02.2023

6 Minuten Lesedauer

Viele Paare möchten ein Baby, hadern aber mit dem richtigen Zeitpunkt. In jungen Jahren stehen oft Karriereschritte an, später wächst die Angst vor einer abnehmenden Fruchtbarkeit. Irgendwo dazwischen soll die Familienplanung passen, aber wo?

Junges Paar liegt im Sitzsack und spricht entspannt über die Kinderplanung.

© iStock / kupicoo

Porträt von Prof. Dr. Ariane Germeyer

© Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Prof. Dr. Ariane Germeyer ist Leitende Oberärztin der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitätsfrauenklinik Heidelberg. Im Interview erklärt sie, welche Faktoren Paare bei der Familienplanung berücksichtigen können.

Ein perfektes Timing für die Familienplanung gibt es nicht

In welchem Alter bekommen Frauen durchschnittlich ihr erstes Kind?

Verglichen mit den letzten Jahrzehnten fällt auf, dass Frauen in Europa immer später ihr erstes Kind bekommen – laut Statistischem Bundesamt sind sie in 8 von insgesamt 27 EU-Ländern im Durchschnitt über 30 Jahre alt. So hatten Frauen im Jahr 2020 ein Durchschnittsalter von 31,4 in Italien und 29,9 in Deutschland, als sie ihr erstes Kind bekamen. Erfüllt sich der Kinderwunsch nicht auf natürlichem Weg, suchen manche Paare eine Kinderwunschklinik auf. Sie können dann zum Beispiel eine sogenannte In-Vitro-Fertilisation (IVF), also eine Befruchtung in einem Reagenzglas, in Betracht ziehen. Das Deutsche IVF-Register erhebt regelmäßig Zahlen zum Thema künstliche Befruchtung und zeigt, dass Frauen, zum Zeitpunkt der Kinderwunschbehandlung, deutlich über 30 Jahre alt sind. Während Frauen im Jahr 2021 ein Durchschnittsalter von 35,7 aufwiesen, waren Männer bereits 38,6 Jahre alt, als die künstliche Befruchtung bei der Partnerin durchgeführt wurde. Allerdings beziehen sich diese Zahlen nicht unbedingt auf den ersten Versuch, ein Kind zu zeugen – sie zeigen jedoch, dass Paare sich tendenziell immer später mit dem Kinderwunsch beschäftigen. Schließlich waren Frauen im Jahr 1998 bei ihrer künstlichen Befruchtung im Durchschnitt deutlich jünger, nämlich 32,8 Jahre alt.

Warum bekommen Frauen immer später Kinder?

Dafür gibt es viele Gründe. Eine Erklärung könnte sein, dass einige Menschen heute weniger dazu bereit sind, feste Bindungen einzugehen. Gleichzeitig sind die Trennungsraten hoch. Das bedeutet, viele Paare kommen erst gar nicht dazu, den Kinderwunsch zu thematisieren. Außerdem spielt die eigene Lebensplanung eine ganz entscheidende Rolle. Einige Paare möchten beispielsweise zunächst ein Haus bauen oder ihre Karriere vorantreiben. Die Vereinbarkeit von Kinderwunsch und der beruflichen Tätigkeit beschäftigt vor allem Frauen. Haben sie einen neuen Job angenommen, ist es ihnen oft unangenehm, den Vorgesetzten unmittelbar danach von einer Schwangerschaft zu berichten. Auch deshalb, weil sie befürchten, dass sie berufliche Nachteile dadurch haben könnten. Viele Frauen ziehen es vor, zunächst einige Jahre zu arbeiten, um sich ihre Stellung und einen unbefristeten Vertrag zu sichern. Die Suche nach dem richtigen Partner oder der richtigen Partnerin, das eigene Lebenskonzept und die berufliche Tätigkeit – all das kann also die Familienplanung hinauszögern.

Erst spät ein Kind zu bekommen, ist natürlich nicht immer eine freiwillige Entscheidung. Manchmal klappt es auf natürlichem Weg nicht. Ein Grund dafür kann eine Chlamydieninfektion, beispielsweise in jüngeren Jahren, sein – die Bakterien können die Eileiter verkleben und so zu einer Unfruchtbarkeit führen. Insbesondere bei einem häufigen Wechsel der Partner oder Partnerinnen ist deshalb grundsätzlich eine (zusätzliche) Verhütung mit Kondomen wichtig.

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Daran können Paare erkennen, ob sie bereit für ein Baby sind

Was signalisiert den richtigen Zeitpunkt für ein Baby?

Fragen wie „Ist man jemals bereit für ein Kind?“ und „Sind wir bereit für ein Kind?“ beschäftigen viele Paare. Woran sie erkennen, dass sie bereit für ein Baby sind, ist ganz individuell. Rational denkende Menschen beschäftigen sich vielleicht dann mit ihrem Kinderwunsch, wenn aus ihrer Sicht das Einkommen ausreicht, sie also genügend finanziellen Puffer besitzen. Andere Paare verspüren das dringende Verlangen, sich um ein Baby kümmern zu wollen, bei ihnen spielen die Umgebungsfaktoren wahrscheinlich eine weniger wichtige Rolle.

Junges Paar freut sich über einen positiven Schwangerschaftstest, da beide ein Baby wollen.

© iStock / South_agency

Geteilte Freude ist doppelte Freude: Wenn Paare gemeinsam planen, wann sie bereit sind für ein Baby, stärkt das den Zusammenhalt in der Beziehung.

Zählt bei der Kinderplanung eher die Vernunft oder das Bauchgefühl?

Aus meiner Sicht ist das Bauchgefühl entscheidend. Nur wenn das stimmt, sind Paare bereit für ein Baby und lassen sich voll und ganz auf die Kinderplanung ein. Allerdings ist die Vernunft ebenfalls wichtig. Schließlich benötigen Paare auch eine finanzielle Sicherheit, um ein Baby gut versorgen zu können. Viele Faktoren sind aber weniger bedeutend, als Menschen oft denken. Ob das Paar beispielsweise in einer Mietwohnung oder in einem Haus lebt, ist nebensächlich. Einige Frauen bekommen ihr Kind auch während ihres Studiums oder in einer anderen Situation, die Außenstehende vielleicht nicht für den optimalen Zeitpunkt halten. Was wirklich zählt, ist, dass Paare die Kinderplanung als gemeinschaftliche Aufgabe ansehen und sich gut organisieren.

„Was wirklich zählt, ist, dass Paare die Kinderplanung als gemeinschaftliche Aufgabe ansehen und sich gut organisieren.“

Prof. Dr. Germeyer
Leitende Oberärztin der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Wann tickt die biologische Uhr bei der Frau – und tickt sie auch beim Mann?

Wann die Unfruchtbarkeit eintritt, ist von Frau zu Frau verschieden. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Chromosomenstörung beim Kind. Das ist auch der Grund dafür, warum ab dem 35. Lebensjahr das Risiko für das Down-Syndrom beim Baby ansteigt. Mit zunehmendem Alter lässt also die Qualität der Eizellen nach. Das Gleiche gilt für ihre Anzahl. Jede Frau wird nämlich mit einer individuellen Eizellen-Anzahl geboren – diese Eizellen verbraucht sie in der fruchtbaren Zeit ihres Lebens. Je nach vorhandener Eizellreserve kann es sogar zu vorzeitigen, also vor dem 40. Lebensjahr eintretenden Wechseljahren kommen. Davon sind ein Prozent aller Frauen betroffen. Frauen, die die Antibabypille einnehmen, haben durch das Verhütungsmittel einen regelmäßigen Zyklus und wissen gar nicht, ob womöglich ein hormonelles Problem existiert. Manche Frauen setzen die Antibabypille mit einem Kinderwunsch ab, um dann festzustellen, dass ihre „biologische Uhr“ bereits abläuft.

Übrigens: Auch bei einigen Männern lässt die Fruchtbarkeit im Laufe des Lebens nach. Kann ich mir in der Beziehung ein Kind vorstellen und sagt mein Bauchgefühl, dass ich ein Baby möchte, ist es Zeit, das Thema Kinderwunsch mit meinem Partner oder meiner Partnerin zu besprechen. Bestenfalls geschieht das vor dem 35. Lebensjahr, denn dann ist in der Regel noch eine gute Fruchtbarkeit gegeben.

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So finden Paare gemeinsam den richtigen Zeitpunkt

Welche Tipps helfen, den richtigen Zeitpunkt zu finden?

Zunächst ist es wichtig, sich als Paar zusammenzusetzen und sich über das Thema Kinderwunsch zu unterhalten. So finden Partner und Partnerinnen heraus, ob ihr Gegenüber sich überhaupt vorstellen kann, ein Baby zu haben. Paare, die sich einig sind, dass sie ein Kind möchten aber ihren Kinderwunsch erst mit Ende 30 oder noch später in die Tat umsetzen wollen, können sicherheitshalber einen Termin in einer gynäkologischen Praxis vereinbaren. Gynäkologen und Gynäkologinnen können das sogenannte Anti-Müller-Hormon bestimmen – damit können sie abschätzen, wie viele Eizellen bei der Frau noch vorhanden sind. Außerdem suchen Frauen im besten Fall einen Frauenarzt oder eine Frauenärztin auf, wenn sie sehr lange oder sehr kurze Zyklen haben. Manchmal rät der Gynäkologe oder die Gynäkologin Paaren dazu, den Kinderwunsch möglichst schnell umzusetzen. Zum Beispiel dann, wenn Frauen keine großen Reserven an Eizellen mehr besitzen.

„Paare, die sich einig sind, dass sie ein Kind möchten aber ihren Kinderwunsch erst mit Ende 30 oder noch später in die Tat umsetzen wollen, können sicherheitshalber einen Termin in einer gynäkologischen Praxis vereinbaren.“

Prof. Dr. Germeyer
Leitende Oberärztin der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen in der Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Warum ist die Kinderplanung für Paare am besten eine gemeinschaftliche Aufgabe?

Bei der Kinderplanung dürfen wir nicht vergessen, dass der Wunsch nach einem Baby nicht immer bei beiden gleich verteilt ist. Die Sehnsucht nach einem Baby kann auch bei einem Partner oder einer Partnerin stärker sein oder deutlich früher auftreten. Im optimalen Fall einigen sie sich auf einen Zeitpunkt, der für beide passt. Das ist deshalb wichtig, weil eine gemeinsame Entscheidung für ein Kind meist auch den Zusammenhalt nach der Geburt unterstützt. Schließlich braucht ein Kind viel Aufmerksamkeit und bedeutet Verantwortung. Wenn Paare an einem Strang ziehen und sich die Aufgaben im Alltag teilen, lassen sich die Bedürfnisse des Kindes aber auch die der Eltern besser erfüllen.

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