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Gesundheitsmagazin

Pflegende Angehörige

Was verlangt die Pflege von Angehörigen den Young Carers ab?

Veröffentlicht am:26.09.2022

4 Minuten Lesedauer

Bislang stellen Young Carers eine in Deutschland kaum wahrgenommene Gruppe von Pflegenden dar. Dabei gehört für viele Kinder und Jugendliche die Versorgung kranker Familienmitglieder zu ihren täglichen Aufgaben. Unterstützungsangebote fehlen.

Junge Tochter pflegt ihre Mutter, sie gehört zu den sogenannten Young Carers.

© iStock / Xesai

Wer sind Young Carers?

Young Carers sind Kinder und Jugendliche, die regelmäßig für erkrankte Familienmitglieder sorgen, ihnen helfen oder sie pflegen. Sie finden bislang in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung, dabei gibt es eine beträchtliche Anzahl von Young Carers. Laut einer Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2017 übernehmen in Deutschland etwa 5 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren regelmäßig pflegerische Aufgaben – hochgerechnet sind das derzeit etwa 230.000 Jugendliche. Erweitert man die Altersgruppe auf 10 bis 19 Jahre, sind es nach einer Studie der Universität Witten-Herdecke 480.000 junge Pflegende.

Da jedoch die meisten Young Carers nicht über die Pflege von Angehörigen sprechen, aus Angst vor Ausgrenzung oder Eingreifen von Autoritäten (wie zum Beispiel dem Jugendamt), dürfte die Dunkelziffer um einiges höher ausfallen. Statistisch bedeutet das, dass in jeder Klasse einer weiterführenden Schule mindestens eine Schülerin oder ein Schüler sitzt, die oder der sich zu Hause um ein krankes Familienmitglied kümmert.

Welche Aufgaben übernehmen Young Carers?

Die Kinder und Jugendlichen erledigen als Young Carers zum Beispiel Tätigkeiten im Haushalt, gehen einkaufen, lösen Rezepte ein, kümmern sich um die jüngeren Geschwister oder spenden Trost. Je nach Pflegebedürftigkeit des Familienmitglieds übernehmen sie darüber hinaus auch medizinische Tätigkeiten: Sie legen Verbände an, verabreichen Medikamente oder geben Spritzen. Ebenso helfen sie bei der Mobilisation, der Nahrungsaufnahme oder der Körperpflege. Viele Kinder von erkrankten Eltern wachsen in die Rolle der pflegenden Hilfskraft langsam hinein, denn: In den meisten Fällen leidet der betroffene Elternteil an einer chronischen oder langsam fortschreitenden Erkrankung wie zum Beispiel Rheuma, Depressionen oder Krebs. Daher nimmt meist die Belastung mit dem Alter der Eltern zu. Das Kind wird nach und nach in die Rolle des Verantwortlichen gedrängt und übernimmt die Aufgaben des Erwachsenen. Man spricht in diesem Fall auch von Parentifizierung.

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Wie hoch ist die Belastung und sind Betroffene zur Hilfe verpflichtet?

Viele der Kinder und Jugendlichen empfinden die Pflege der Eltern zunächst als etwas Selbstverständliches und leisten Hilfe aufgrund der Familienzusammengehörigkeit. Vom Gesetz aus sind Kinder nicht zur Pflege der Eltern verpflichtet und könnten sie auch ablehnen. Ob die Pflegverantwortung zur Belastung wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Kind nur hin und wieder Hilfe bei einfachen Haushaltstätigkeiten leistet oder für die Pflege allein verantwortlich ist.

Der Umfang der Pflege wird oftmals durch die folgenden Faktoren beeinflusst:

  • Grad der Hilfsbedürftigkeit der erkrankten Person
  • Status des Kindes innerhalb der Familie (Einzel- oder ältestes Geschwisterkind)
  • Familienkonstellation (Elternpaar oder alleinerziehender Elternteil)

Je größer die Hilfsbedürftigkeit des Angehörigen und je weniger Unterstützung die jungen Pflegenden durch weitere Familienmitglieder erfahren, desto höher ist die Belastung.

Welche Auswirkungen hat die Pflegeverantwortung für Young Carers?

In einem gewissen Ausmaß kann die Pflege auch positive Auswirkungen auf die Kinder haben. Einige Young Carers berichten in der ZQP-Studie von einem stärkeren Familienzusammenhalt, einem größeren Selbstwertgefühl oder mehr Reife. Dominiert die Pflegeverantwortung jedoch den Alltag der Kinder und Jugendlichen, kann sich die damit verbundene hohe Belastung auf ihr soziales Leben, die körperliche Gesundheit, die Schule oder den Beruf auswirken. Aufgrund des permanenten Pflegeeinsatzes bleibt den Kindern und Jugendlichen weniger Zeit für Kontakte zu Gleichaltrigen, Hobbys oder für die Schule. Dazu kommt die seelische Belastung. Die jungen Pflegenden sehen, wie ihre erkrankten Geschwister oder Eltern leiden und mitunter immer schwächer werden.

Aus Angst davor, dass die Familie durch das Einschreiten von Behörden auseinandergerissen werden könnte, vertrauen sich die Kinder und Jugendlichen nur in seltenen Fällen jemandem an. Manchmal wird den Kindern auch ein Redevorbot von den Eltern erteilt, was die seelische Belastung zusätzlich erhöht. All diese Faktoren können die persönliche Weiterentwicklung und später den Berufseinstieg beeinträchtigen.

Jugendliche reicht ihrer pflegebedürftigen Mutter ein Glas Wasser, sie gehört zu den Young Carers.

© iStock / Kannika Paison

Kinder und Jugendliche, die ihre pflegebedürftigen Eltern unterstützen, werden Young Carers genannt.

Welche Hilfsangebote gibt es für junge Pflegende?

Kinder oder Jugendliche können kaum von der Situation abgeschirmt werden, wenn eins ihrer Elternteile pflegebedürftig wird. Der Unterstützungsbedarf der gesamten Familie ist in solchen Fällen umfangreich. Doch werden Kinder und Jugendliche oft gar nicht als Pflegende von Angehörigen wahrgenommen, weil dabei fast ausschließlich an bereits erwachsene Kinder oder an Lebenspartner und Lebenspartnerinnen gedacht wird. Das erschwert den Zugang zu den Unterstützungsangeboten für die Betroffenen.

Hilfsangebote für Young Carers

Welche Unterstützungsangebote gibt es bisher?

Kinder, Jugendliche und Familien, die Unterstützung suchen, finden auf der Website Pausentaste hilfreiche Tipps sowie weitere Beratungsangebote. Weiterführende Informationen gibt es zudem beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Unterstützung bietet außerdem die Website „Young Carers“. Dort erhalten Betroffene die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und zu unterstützen. Durch diverse Projekte soll die Gruppe der jungen Pflegenden zudem sichtbarer gemacht werden.

Bei der „Nummer gegen Kummer“ oder bei „echt unersetzlich“ können junge Pflegende außerdem anonym über Ihre Sorgen und Gefühle sprechen und schreiben und so Entlastung erfahren.

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