Selbstbewusstsein

Wie Sie Krisen meistern – mit Selbstwertgefühl und Optimismus

Veröffentlicht am:03.11.2025

17 Minuten Lesedauer

Manche Menschen lassen sich durch nichts aus der Bahn werfen, andere plagen schnell Zweifel und Ängste. Wie ein gutes Selbstwertgefühl und eine optimistische Grundhaltung in Krisen helfen. Ein Gespräch mit der Psychotherapeutin Isabella Helmreich.

Eine Frau in Businesskleidung, die nur von hinten zu sehen ist, spricht mit einer anderen Frau und deutet mit dem Zeigefinger auf sie. Die andere Frau blickt leicht angespannt.

© iStock / Johnce

Dr. Isabella Helmreich

Porträt von Dr. Isabella Helmreich

© Hanieh Tofigh Saadati

Dr. Isabella Helmreich ist Psychotherapeutin und wissenschaftliche Leiterin des Bereichs Wissenstransfer am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz.

Ein gutes Selbstwertgefühl macht stark – auch in schwierigen Situationen

Warum stecken manche einen Wutausbruch des Chefs problemlos weg, andere schlafen danach schlecht?

Isabella Helmreich — Das hat verschiedene Ursachen: Es gibt zum Beispiel Leute, die haben generell einen optimistischeren Blick auf die Welt als andere oder können solche Situationen besser an sich abprallen lassen. Jeder Mensch hat andere Lebenserfahrungen und bringt andere Fertigkeiten mit, wie er oder sie mit schwierigen Situationen umgeht. Und dann gibt es noch externe Faktoren: Wer zum Beispiel ein gutes soziales Netzwerk hat, holt sich eher die Unterstützung von Freundinnen und Freunden.

Warum steigern sich einige Menschen nach schwierigen Situationen in negative Gedankenspiralen?

Unser Gehirn ist tatsächlich evolutionsbiologisch darauf ausgerichtet, vor allem die negativen Dinge wahrzunehmen. Das ist wichtig, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Wir müssen deshalb manchmal unser Gehirn überlisten und aktiv versuchen, auch das Positive zu beachten. In der Psychologie gibt es eine Methode, die wir „Schule des positiven Denkens“ nennen.

Worum geht es bei der „Schule des positiven Denkens“?

Wer den Blick für die positiven Dinge des Lebens behält, kommt besser mit negativen Ereignissen zurecht. Jede Krise hat ja auch positive Seiten. Man lernt etwas über sich, die Welt oder wie bestimmte Personen für einen da sind. Trainieren lässt sich der Blick fürs Positive mit kleinen Übungen wie einem Dankbarkeitstagebuch. Man fokussiert sich nicht so auf das Negative und lässt sich davon nicht noch weiter runterziehen. Es fällt dann leichter, neue Lösungen zu finden und eine Situation zu verändern.

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Optimismus heißt nicht, alles um jeden Preis positiv zu sehen

Wird aus einer solchen positiven Grundhaltung nicht schnell Schönfärberei?

Tatsächlich gibt es den Begriff der „toxic positivity“ – das heißt so viel wie: schädlicher Optimismus. In dem Fall versuchen Menschen, auch der schlechtesten Nachricht noch etwas Gutes abzugewinnen – in der Art eines „Jetzt hab dich mal nicht so“. Oder sie blenden negative Aspekte ganz aus. Aber solche Reaktionen sind etwas anderes als positives Denken. Es geht nämlich nicht darum, die rosarote Brille aufzusetzen und alles zu verklären. Wut, Trauer, Enttäuschungen, aber auch unbekannte Situationen gehören zum Leben dazu. Es geht vielmehr um den bestmöglichen Umgang damit.

Wie gehe ich mit einer schwierigen Situation bestmöglich um?

Wenn ich ein berufliches Problem habe, bedeutet Optimismus ja nicht, die Hände in den Schoß zu legen und auf ein Wunder zu warten. Im Gegenteil: Gut mit schwierigen Situationen umzugehen, heißt, sich aktiv um einen Ausweg zu kümmern. Man sucht die Ursache des Problems und packt sie an, redet zum Beispiel mit dem oder der Vorgesetzten oder lernt neue Fähigkeiten. Menschen, die das tun, machen die Erfahrung der „Selbstwirksamkeit“ – so nennen wir das in der Psychologie. Sie spüren, dass das eigene Handeln etwas in Bewegung bringen kann. Das ist eine sehr wichtige, positive Erfahrung.

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Es geht also um eine positive Grundhaltung, eine optimistische Einstellung zum Leben?

So könnte man das bezeichnen, ja. „Resilienz“ ist ein Fachbegriff, der dazu passt. Ich vergleiche die Resilienz gern mit einem Tafelschwamm, wie man ihn von früher aus dem Klassenraum kennt. Man kann ihn zusammendrücken, auf den Boden werfen, darauf herumtrampeln – er kehrt immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. Genau das bedeutet Resilienz. Auch wenn Widrigkeiten, Stress, traumatische Ereignisse auf mich einprasseln, helfen mir mein Selbstvertrauen und meine Ressourcen, das gut zu überstehen.

„Ein resilienter Mensch ist wie ein Tafelschwamm. Man kann ihn zusammendrücken – aber er kehrt immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück.“

Dr. Isabella Helmreich
Psychotherapeutin und wissenschaftliche Leiterin des Bereichs Wissenstransfer am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz

Coach Darius Kamadeva beleuchtet das Thema mentale Stärke und gibt praktische Tipps, wie Männer ihr seelisches Wohlbefinden stärken können.

Mit einem stärkeren Selbstwertgefühl zu mehr positiver Grundhaltung

Indem ich mein positives Denken schule, kann ich also tatsächlich mein Wohlbefinden beeinflussen?

Durchaus. Wer sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst ist und die Erfahrung gemacht hat, dass er sich auf sie verlassen kann, löst Probleme erfolgreicher und entwickelt eine positivere Grundhaltung. Da spielt dann auch das soziale Netzwerk, die Freundinnen und Freunde, eine wichtige Rolle. Wenn man auf vertraute Menschen zugeht und fragt: „Hast du so was schon einmal gemacht? Wie geht das?“, dann bekommt man natürlich mehr Hilfe als jemand, der niemanden an sich heranlässt und sich in einer negativen Grundstimmung abschottet.

Drei Frauen unterschiedlicher Altersgruppen sitzen in entspannter Atmosphäre vor einem Fenster mit Blick auf die Natur zusammen und unterhalten sich.

© iStock / mapodile

Selbstwertgefühl und Optimismus helfen, Krisen zu meistern. Auch wer sich auf seine Bezugspersonen verlassen kann, geht mit Krisen gelassener und souveräner um.

Kann ich selbst etwas dafür tun, dass ich mit schwierigen Situationen besser klarkomme?

Auf jeden Fall! Früher ging die Wissenschaft davon aus, Resilienz sei eine Eigenschaft, die man entweder hat oder eben nicht. Heute wissen wir, dass es zwar eine genetische Komponente gibt – aber ein ganz großer Teil erlernt und auch trainiert werden kann. Ab der frühen Kindheit schaut man sich von Eltern, Lehrerinnen, Lehrern und anderen Bezugspersonen ab, wie sie mit den Herausforderungen des Lebens umgehen. Heute zeigen Studien, dass das auch für ältere Menschen gilt. Auch sie können Selbstwirksamkeit lernen.

„Wer den Blick für die schönen Dinge des Lebens behält, kommt besser mit negativen Ereignissen zurecht.“

Dr. Isabella Helmreich
Psychotherapeutin und wissenschaftliche Leiterin des Bereichs Wissenstransfer am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz

Wie kann ich Resilienz trainieren und mein Selbstwertgefühl steigern?

Es hilft zum Beispiel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Scheitern zum Leben dazugehört. Dass man stärker daraus hervorgehen kann. Außerdem ist es wichtig, sich gut um sich selbst zu kümmern und die Ressource der sozialen Kontakte zu kennen. Viele beherzigen diese Aspekte im Alltag nicht genug. Sie trauen sich etwa nicht, andere um Hilfe zu fragen. Einiges lässt sich also vergleichsweise einfach umsetzen, man muss nur täglich dranbleiben: sich immer mal wieder etwas gönnen, soziale Kontakte pflegen, gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, Pausen und Schlaf in den Alltag integrieren. Und noch etwas ist wichtig: Bei Resilienz geht es nicht darum, sich selbst ständig zu optimieren. Es geht vielmehr darum, die eigenen Stärken, aber auch die Grenzen zu erkennen und sie auch gut und deutlich zu kommunizieren. Dadurch kommt man im Idealfall gar nicht erst in Situationen, die einen überfordern.

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Bausteine für ein zufriedenes Leben

  • Selbstwirksamkeit: Das Bewusstsein haben, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können.
  • Selbstwertgefühl: Den eigenen Wert erkennen und Stärken sowie Schwächen einschätzen und annehmen können.
  • Selbstvertrauen: Den eigenen Fähigkeiten vertrauen und zuversichtlich sein, Schwierigkeiten meistern zu können.
  • Empathie: Die Gefühle und Perspektiven anderer nachempfinden und emotionale Zusammenhänge verstehen können.
  • Selbstständigkeit: Die Bereitschaft und Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln und für das eigene Wohlbefinden zu sorgen.
  • Durchhaltevermögen: Die Ausdauer besitzen, an Zielen festzuhalten und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
  • Konfliktfähigkeit: Konflikte austragen, konstruktiv lösen und sich versöhnen können.

Quelle: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, 2024.

Fachlich geprüft
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