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Die Vorsorgemuffel: Männer neigen zu „Reparaturmedizin“

Veröffentlicht am:26.05.2023

4 Minuten Lesedauer

Eine AOK-Umfrage zeigt: Männer sind Vorsorgemuffel. Nur knapp die Hälfte nimmt Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung regelmäßig in Anspruch – bei den Frauen sind es immerhin gut zwei Drittel. Warum das so ist, weiß der Experte.

Ehefrau überredet ihren Mann, zur Krebsvorsorge zu gehen.

© iStock / urbazon

Porträt von Thorsten Padberg

© Caroline Pitzke

Thorsten Padberg ist Buchautor, Psycho­therapeut und Dozent für Verhaltenstherapie, beschäftigt sich unter anderem mit Geschlechterrollen. Seine Erfahrung: Viele Männer seien es nicht gewohnt, über ihre Befindlichkeit zu reden – und schon gar nicht über Krankheiten, die ihre Männlichkeit infrage stellen. Wollen Männer lieber gar nicht wissen, wie es Ihnen wirklich geht? Oder hängt ihr Vorsorgeverhalten mit dem Bild von Männlichkeit in unserer Gesellschaft zusammen?

Laut AOK-Umfrage gehen Männer deutlich seltener zur Krebsvorsorge

Männer nehmen Vorsorgeuntersuchungen also weniger ernst?

Das ist tatsächlich ein Problem: Gesundheitsfürsorge für die ganze Familie wurde traditionell immer als Aufgabe von Frauen verstanden. Inzwischen sind Frauen deutlich gleichberechtigter und haben eigenständige Berufsbiographien – doch einige Rollenklischees halten sich. Zudem werden Frauen durch geschlechterspezifische Routineuntersuchungen viel früher an das Thema Gesundheitsvorsorge herangeführt. So entsteht eine Vorsorge-Routine. Schon in jungen Jahren wird sich mit dem eigenen Körper beschäftigt – da liegt es nah, später entsprechende Vorsorge- und Früherkennungsangebote anzunehmen. Für Männer ist dies alles in allem ein deutlich größerer Schritt.

Nehmen Sie selbst Ähnliches wahr – gehen Männer seltener zur Psychotherapie?

In meiner Praxis sehe ich natürlich vor allem Männer, die sich für eine Psychotherapie entschieden haben. Aber es gibt Fachliteratur, die besagt, dass es Männer in der Therapie schwerer haben, da sie zum Beispiel nicht gut auf ihre Gefühle achten. Das ist meiner Meinung nach ein Klischee: Man sollte als Therapeut flexibel sein und genau darauf achten, welches Angebot für welchen Menschen sinnvoll ist. Hierbei werden Geschlechterrollen immer weniger wichtig – beispielsweise steigt die Sensibilität für psychologische Themen bei jüngeren Männern mittlerweile spürbar.

Ein Arzt bespricht ein Untersuchungsergebnis mit seinem Patienten.

© iStock / Geber86

Krebsvorsorge kann Leben retten, denn je früher ein Tumor erkannt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Wichtig ist, dass man die Vorsorgeangebote wahrnimmt und Verdachtsmomente ernst nimmt.

Vernachlässigte Vorsorge? Toxische Männlichkeit kann eine Rolle spielen

Wie macht sich toxische Männlichkeit im Alltag bemerkbar?

Männer hatten in Lebensbereichen wie Beruf und Familie lange Zeit unhinterfragt die Oberhand. Manche versuchen diese Vorherrschaft mit bestimmten Verhaltensweisen zu verteidigen, die man heute „toxisch männlich“ nennt. Das kann zu Problemen führen – vor allem für diejenigen, die darunter zu leiden haben. Doch es geschieht auch ein kultureller Wandel: Unsere Gesellschaft ist freier geworden, Teile der Diskriminierung von Frauen sind abgebaut und generell herrscht ein liberaleres Klima. Dadurch wird bei Männern die Notwendigkeit erzeugt, sich selbst stärker zu hinterfragen – gleichzeitig haben sie weniger Angst, kein „echter Mann“ zu sein.

Inzwischen sind jüngere Männer jedoch mit psychologischen Konzepten deutlich besser vertraut, weil sie darüber sprechen. Da knüpfen Kampagnen wie „Deutschland, wir müssen über Gesundheit reden“ der AOK gut an, indem das Thema der Gesundheitsvorsorge enttabuisiert und in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird.

AOK-Kampagne „Deutschland, wir müssen über Gesundheit reden“

Die AOK übernimmt die Kosten für die Krebsfrüherkennung bei Männern ab dem 35. Lebensjahr, bei Frauen ab dem 20. Lebensjahr.

Regelmäßige Untersuchungen für die Früherkennung von Krebserkrankungen sind sehr wichtig – und wirksam, denn die noch gutartigen Vorstufen können dabei gut erkannt und behandelt werden. Um die Aufmerksamkeit für das Thema Krebs-Früherkennung zu erhöhen und anspruchsberechtigte Menschen zu motivieren, das Vorsorgeangebot wahrzunehmen, hat die AOK die Kampagne ins Leben gerufen. Das Interview mit Herrn Padberg entstand als Teil einer Experten- und Expertinnen-Interviewreihe im Rahmen dieser Reihe und soll dabei helfen, Gespräche über Gesundheit und Krebsvorsorge und -früherkennung zu fördern und vermeintliche Tabus zu brechen.

„Unsere Gesellschaft ist freier geworden, […] generell herrscht ein liberaleres Klima. Dadurch wird bei Männern die Notwendigkeit erzeugt, sich selbst stärker zu hinterfragen – gleichzeitig haben sie weniger Angst, kein „echter Mann“ zu sein.“

Thorsten Padberg
Buchautor, Psychotherapeut und Dozent für Verhaltenstherapie

Wie äußern sich toxische Verhaltensweisen bei der Gesundheitsvorsorge?

Es kann vorkommen, dass Männer ihre dominierende Rolle in Familie und Beruf generalisieren. Manche glauben, die Welt spiele nach ihren Regeln – und dazu gehört eben auch der Körper. Dieser hat zu funktionieren und muss eventuell gestählt, aber nicht gepflegt werden. Das kann zu einer Menge Problemen führen. Vor allem für diejenigen, die darunter zu leiden haben.

Und wie wirkt man diesem Phänomen entgegen?

Wir können auf diese Verhaltensmuster hinweisen. Wenn einmal allen Beteiligten klar wird, dass bestimmte Aufgaben wie selbstverständlich von Frauen übernommen werden – und das eigentlich ohne jeden Grund – dann können wir diesen Zustand als Gesellschaft ändern. Ich beobachte immer wieder, wie zum Beispiel auf Partys plötzlich die Frauen in der Küche aufräumen, während die Männer die Playstation der Kinder in Betrieb nehmen. Da reicht es dann manchmal schon, auf diesen Umstand hinzuweisen – und die Gruppen mischen sich wieder.

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Inwiefern kann Krebsvorsorge in der Partnerschaft eine Rolle spielen?

Den veralteten Rollenbildern entsprechend sehen Frauen ihre Aufgabe oft darin, sich auch um andere zu kümmern. Das kann man ebenso in einer Partnerschaft beobachten. Getreu dem Motto: „Wenn Du es schon nicht für Dich selbst tust, dann mach es wenigstens für mich!“. Das ist alles andere als ideal, aber bei einem so wichtigen Thema heiligt der Zweck vielleicht die Mittel.

Lassen sich Frauen und Männer unterschiedlich motivieren?

Aktuell wird versucht, Männerrollenvorbilder zu gewinnen: Kurt Krömer und Thorsten Sträter sprechen über ihre Depressionen und Joko und Klaas weisen auf die Wichtigkeit von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen hin. Vielleicht sollte man alten Rollenklischees entsprechend auch andere Worte wählen – man geht nicht zur Krebsfrüherkennung, sondern zum TÜV. Auch die Etablierung eines Wettbewerbsgedanken kann helfen: Wer sorgt am besten für sich? Wer hat durch seinen achtsamen Umgang mit dem Körper das niedrigste biologische Alter? Ich denke, man könnte hier spielerisch herangehen – und findet vielleicht auch Vermittlungsideen, die weniger klischeebehaftet sind.

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