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Ein Experte gibt Tipps wie man lernen kann, glücklich zu sein

Veröffentlicht am:10.07.2023

5 Minuten Lesedauer

Glücklich sein fängt in der Kindheit an – aber auch im Alter kann man Glück lernen. Wie das geht, welche Aktivitäten dabei helfen können und was Glück eigentlich ist, erklärt der Psychologie-Professor Dr. René Proyer.

Eine Mutter trägt ihren kleinen Sohn huckepack über eine Wiese und beide lachen dabei.

© iStock / PeopleImages

Herr Professor Proyer, was genau ist eigentlich Glück?

In der Wissenschaft sprechen wir vom subjektiven Wohlbefinden. Das klingt komplizierter als der Begriff Glück, beschreibt aber passender, worum es geht. Denn wer von Glück spricht, meint häufig einen glücklichen Zufall: „Da habe ich aber Glück gehabt.“ Aber ein Glücksmoment allein macht noch keinen grundsätzlich glücklichen Menschen. Glücklich ist nach wissenschaftlichen Maßstäben, wer sich zufrieden fühlt und der Meinung ist, in seinem Alltag mehr positive als negative Gefühle zu erleben.

Erwachsene erinnern sich oft mit Wehmut an ihr sorgenfreies Leben als Kind. Sind wir als Kinder am glücklichsten?

Das Glück ist nicht in einem bestimmten Lebensabschnitt zu Hause. Ich möchte behaupten: Es kennt kein Alter. Tatsächlich erscheint vielen ihre Kindheit oft erst im Rückblick so glücklich, weil sie sie mit ihrem Erwachsenenleben vergleichen. Menschen haben eine Tendenz, sich eher an die schönen Dinge zu erinnern. Wir denken an die viele freie Zeit, die wir hatten, das Spielen, den Schokopudding bei Oma. Dabei vergessen wir oft den Realitätscheck.

Was meinen Sie damit?

Das Kind möchte noch länger auf dem Spielplatz bleiben, aber Papa sagt: „Ab nach Hause!“ Können Kinder so frei leben, wie sie gern möchten? Nein. Es gibt vom Aufstehen bis zum Schlafengehen viele Regeln. Aber natürlich können Kinder üblicherweise häufiger unbeschwert sein als Erwachsene, haben weniger Verpflichtungen. Es ist für viele eine gute Lebensphase, um positive Emotionen und Glück zu erleben.

„Wer als Kind die Erfahrung macht, sich auf Erwachsene verlassen zu können, Trost zu finden, dem fällt es leichter, enge soziale Bindungen aufzubauen.“

Prof. René Proyer
Professor für Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ist Fürsorge der Schlüssel zum Glück?

Sich geborgen und sicher zu fühlen, bildet eine gute Basis dafür. Sie stärkt die Fähigkeit, auch mit schwierigeren Momenten im Leben umgehen zu können. Wer als Kind beispielsweise in einem Kriegsgebiet aufwächst, erlebt alles andere als eine glückliche Zeit. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass ein Kind dort unglücklich sein muss. Geben ihm Bezugspersonen das Gefühl, alles zu tun, um es zu schützen, kann das Zuversicht und Vertrauen vermitteln.

Auch noch im Erwachsenenalter?

Ja. Geborgenheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass aus glücklichen Kindern zufriedene Erwachsene werden. Wenn wir als Kind die Erfahrung machen, uns auf Erwachsene verlassen zu können, Trost zu finden, dann fällt es uns auch im Erwachsenenalter leichter, soziale Bindungen aufzubauen. Und Beziehungen, Freundschaften sowie enge, vertrauensvolle Kontakte sind die wichtigsten Quellen für Wohlbefinden, wie Studien belegen.

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Können wir unser Wohlbefinden beeinflussen – ganz unabhängig von unseren Erfahrungen in der Kindheit?

Unbedingt. Ein großer Baustein für die Lebenszufriedenheit ist es, die eigenen Stärken gut zu kennen. Wir alle haben Eigenschaften, die uns ausmachen, Dinge, die wir gut können. Kreativität kann eine solche Stärke sein, aber auch Humor, Neugier oder Begeisterungsfähigkeit. Für jeden von uns sind es andere. Meine Empfehlung: Wir sollten uns bewusst machen, was wir gern tun, was uns glücklich macht, und das dann möglichst oft in den Alltag einbinden. Sie mögen Humor? Versuchen Sie doch, ihn auch in den Austausch am Arbeitsplatz einzubringen. Sie gehen gern spazieren? Dann reservieren Sie sich Zeitfenster dafür in Ihrem Kalender. Wissen wir, was uns guttut, erleben wir mehr positive Gefühle und können daraus Kraft und Energie schöpfen. Das gilt natürlich auch für Kinder. Es lohnt sich also für Eltern, herauszufinden, ob der Sohn gern malt oder die Tochter gern tanzt, und dem Nachwuchs dann die Möglichkeit dazu zu geben.

Drei Tipps, die zum Glücklichsein beitragen können

Mit folgenden Tipps können Sie innehalten und ihr Glücksgefühl steigern.

  • Halten Sie positive Momente fest: Nehmen Sie sich jeden Abend fünf Minuten Zeit und schreiben Sie auf, was Ihnen an diesem Tag Freude gemacht hat – zum Beispiel in einem Tagebuch. So rufen Sie sich glückliche Momente und positive Emotionen ins Gedächtnis.
  • Leben Sie Dankbarkeit: Schreiben Sie eine Nachricht an eine Person, die aus Ihrer Sicht einen Dank verdient.
  • Helfen Sie anderen: Soziales Engagement ist eine gute Quelle für Glück. Übernehmen Sie beispielsweise eine Kinder-Patenschaft oder pflanzen Sie Bäume.
Vierköpfige Familie mit Schwimmwesten paddelt mit einem Kanu auf einem Fluß.

© iStock / Image Source

Aktiv sein, Neues ausprobieren – wie eine Kanutour mit der ganzen Familie, das kann wichtige Glücksmomente spenden.

Gibt es einen weiteren Glücksbaustein?

Ganz klar: Aktivität. Freunde einladen, Kontakte pflegen, mal ein neues Gericht kochen. Oder gleich etwas ganz Neues ausprobieren, zum Beispiel eine Kanu-Tour mit der ganzen Familie. So können wir uns selbst einen Glücksmoment schaffen. Und was uns einmal Spaß gemacht hat, wiederholen wir in der Regel – und kommen so Schritt für Schritt in unseren persönlichen Glücks-Flow.

Profitiert davon auch unsere Gesundheit?

Glück und Gesundheit sind eng verknüpft. Tatsächlich zeigen Studien: Wer sich zufrieden fühlt, fühlt sich oft auch körperlich wohler. Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass sozial gut vernetzte Menschen ein stärkeres Immunsystem haben. Wenn wir Beziehungen zu unseren Mitmenschen pflegen, trägt das also nicht nur zu unserem Glücksempfinden bei. Es kann sogar die Lebenserwartung erhöhen.

Das Leben hält aber auch Schicksalsschläge oder große Herausforderungen bereit. Wie gelingt es uns, auch dann Momente des Glücks wahrzunehmen?

Negative Erlebnisse, Ereignisse und Gefühle sind Teil unseres Lebens. Auch wenn es unangenehm ist oder wehtut, sollten wir sie zulassen. Oft können sie uns stärken, denn wenn wir Krisensituationen überwinden, hilft uns das dabei, in Zukunft mit ähnlichen Situationen besser umgehen zu können. In dem Moment des Ereignisses tröstet dieses Wissen aber nicht. Es gibt auch keine „fünf Wege zum Glück“, die für jeden funktionieren. Im Gegenteil, häufig erzeugt das eher zu viel Druck. Mein Rat ist deshalb, eine Situation, die sich nicht ändern lässt, anzunehmen. Akzeptanz hilft, loszulassen. Im nächsten Schritt sollten wir versuchen, den Blick bewusst auf das zu richten, was gelingt und gut ist. Das fällt in einer Krise nicht leicht, ist aber wichtig, um unsere Psyche zu schützen und Kraft zu finden, um die Situation bewältigen zu können.

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