Immunsystem
Was Sie über Krankenhauskeime wissen sollten
Veröffentlicht am:29.12.2020
4 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 05.08.2025
Beschäftigte in Kliniken fürchten sie genauso wie Patienten und Patientinnen: Krankenhauskeime. Wie groß sind die Gefahren tatsächlich und wie kann ich mich schützen? Dr. Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie, hat die Antworten.

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Inhalte im Überblick
- Herr Professor Bockmühl, was genau sind Krankenhauskeime eigentlich?
- Jährlich gibt es etwa 500.000 Infektionen mit Krankenhauskeimen und 15.000 Tote. Was sagt das aus?
- Gesundheitliche Risiken durch Krankenhauskeime und Ansteckungsgefahr
- Die Gefahr durch multiresistente Keime in Krankenhäusern
- Die Ansteckungsgefahr mit Krankenhauskeimen verringern
Herr Professor Bockmühl, was genau sind Krankenhauskeime eigentlich?
Ich spreche lieber von Krankenhausinfektionen. Der Fachbegriff dafür lautet „nosokomiale Infektionen“. Darunter lassen sich Infektionen zusammenfassen, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung auftreten, beispielsweise in Krankenhäusern. Sie können durch verschiedene Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze verursacht werden.
Jährlich gibt es etwa 500.000 Infektionen mit Krankenhauskeimen und 15.000 Tote. Was sagt das aus?
Jeder Fall ist natürlich ein Fall zu viel. Schließlich gehen wir ja ins Krankenhaus, um gesund zu werden, und nicht, um uns eine unter Umständen lebensbedrohliche Infektion zuzuziehen. Beim Blick auf die Todesfallzahlen sollten wir allerdings nicht gleich in Panik ausbrechen. Denn hier haben wir es häufig mit ohnehin sehr kranken Patienten und Patientinnen zu tun.
Somit ist es im Einzelfall oft schwierig zu sagen, ob solche Betroffenen direkt an den Folgen einer Krankenhausinfektion gestorben sind oder ob sie auch ohne eine derartige Infektion einen eher schlechten Krankheitsverlauf gehabt hätten.
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Gesundheitliche Risiken durch Krankenhauskeime und Ansteckungsgefahr
Woher kommen die Krankenhauskeime und was macht sie gefährlich?
Die entsprechenden Mikroorganismen besiedeln zum Beispiel natürlicherweise unsere Haut oder den Darm. Es gibt aber auch solche, die in der Umwelt überall vorkommen und sich etwa in Wasserleitungen oder Klimaanlagen finden lassen. Normalerweise können diese Keime einem gesunden Menschen nichts anhaben. Denn ein intaktes Immunsystem und eine gut funktionierende Hautbarriere halten die Organismen in Schach.
In einem Krankenhaus sieht die Sache aber manchmal anders aus. Denn bei sogenannten hautdurchdringenden Eingriffen, etwa beim Legen eines Katheters oder auch bei einer Operation, können zum Beispiel an sich harmlose Bakterien dort hingelangen, wo sie nicht hingehören, beispielsweise in den Blutkreislauf. Zu den häufigeren Komplikationen zählen dann Wundinfektionen, Harnwegserkrankungen oder eine Blutvergiftung.
Betroffene stecken sich mit Krankenhauskeimen bei sich selbst an?
Genau, so könnte man es ausdrücken. Das ist ein großes Problem, vor allem bei Menschen, deren Immunsystem eben nicht mit voller Kraft arbeitet. Wir nennen sie „YOPIs“. Die Abkürzung steht für die englischen Begriffe young, old, pregnant und immunocompromised (Anm. d. Redaktion: jung, alt, schwanger, immungeschwächt).
Damit sind also zum einen sehr junge Menschen wie Säuglinge gemeint, zum anderen ältere Menschen und Schwangere. Und schließlich auch solche, die zu keiner dieser Gruppen gehören und trotzdem ein schwaches Immunsystem haben, weil sie vielleicht als Krebspatienten eine Chemotherapie bekommen.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch andere Infektionen erwähnen, die von Mensch zu Mensch übertragen werden. Also in einem Krankenhaus etwa durch Ärzte, Pflegepersonal, andere Patienten oder Besucher. Die Übertragung erfolgt dann zum Beispiel über Türklinken oder die Hände.
„Infektionen werden oft durch Erreger verursacht, die Patienten selbst mit ins Krankenhaus bringen.“
Prof. Dr. Dirk Bockmühl
Professor für Hygiene und Mikrobiologie, Hochschule Rhein-Waal
Welche Symptome gibt es bei Krankenhausinfektionen?
Das kommt immer auf den jeweiligen Erreger und die betroffene Körperstelle an. Allgemein können Krankenhauskeime Symptome wie Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen oder auch Beschwerden an Operationswunden auslösen. Auch hohe Entzündungswerte im Blut deuten auf eine Infektion hin.
Die Gefahr durch multiresistente Keime in Krankenhäusern
Was hat es mit multiresistenten Keimen im Krankenhaus auf sich?
Erkrankungen durch multiresistente Keime sind sicherlich die am meisten gefürchteten Krankenhausinfektionen. Nicht etwa, weil sie von Natur aus aggressiver oder gefährlicher als andere bakterielle Infektionserreger wären, sondern weil bakterielle Infektionen in der Regel gut mit Antibiotika in den Griff zu bekommen sind. Multiresistente Keime haben aber gegen gängige Antibiotika Resistenzen entwickelt. Das heißt, die Mittel wirken nicht mehr. Das hat vielfältige Ursachen, passiert zum Beispiel aber, wenn Antibiotika zu häufig, zu kurz oder zu niedrig dosiert eingenommen werden.
„Multiresistente Keime haben gegen gängige Antibiotika Resistenzen entwickelt.“
Prof. Dr. Dirk Bockmühl
Professor für Hygiene und Mikrobiologie, Hochschule Rhein-Waal
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Was machen Ärzte und Ärztinnen bei multiresistenten Keimen?
Wenn die standardmäßig eingesetzten Antibiotika nicht wirken, können Mediziner auf Reserve-Antibiotika (siehe Infobox) zurückgreifen. Allerdings gibt es mittlerweile auch bereits Resistenzen gegen diese Wirkstoffe. Deshalb gilt es, Infektionen bereits im Vorfeld so gut wie möglich zu vermeiden oder zumindest das Risiko gering zu halten.
Was sind Reserveantibiotika?
Sogenannte Reserveantibiotika sollen im Notfall eingesetzt werden, wenn andere, gängige Antibiotika nicht mehr wirken – also bei besonders resistenten oder multiresistenten Bakterien, beispielsweise MRSA (multiresistenter Staphylocuccus aureus).
Reserveantibiotika kommen auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie einer Blutvergiftung oder schweren Lungenentzündungen zum Einsatz. Sie sind breiter einsetzbar als ein im medizinischen Alltag übliches Antibiotikum. So können Medizinerinnen und Mediziner schnell handeln ohne auf den Nachweis eines konkreten Erregers im Labor warten zu müssen. Wegen ihrer breiten und starken Wirkung haben Reserveantibiotika allerdings stärkere Nebenwirkungen als die Standardantibiotika, was Schwerkranke zusätzlich belastet.
Reserveantibiotika sollen nur sparsam und nach sorgfältiger medizinischer Prüfung genutzt werden. Fachleute bezeichnen sie deswegen auch als „Antibiotika letzter Wahl“. Durch einen zu häufigen und falsch dosierten Gebrauch können Bakterien auch gegen Reserveantibiotika Resistenzen entwickeln. So würden sie als letzte Notfallhilfe bei Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika wegfallen. Bestimmte Infektionen wären dann nicht mehr zu behandeln.

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Die Ansteckungsgefahr mit Krankenhauskeimen verringern
Viele Infektionen ließen sich schon durch eine gute Händehygiene vermeiden. In fast allen Krankenhäusern stehen an den Eingängen Spender mit Desinfektionsmitteln. Die sollte man auch als Besucher nutzen – und zwar gleich beim Betreten des Krankenhauses. Schließlich geht es vor allem um den Schutz der Patienten und Patientinnen.
Es gibt aber auch andere Maßnahmen, die seitens des Krankenhauses durchgeführt werden. Die bekomme ich als Patient nicht immer im Einzelnen mit, kann aber ruhig mal nachfragen, was im konkreten Fall getan wird, etwa vor einer geplanten Operation.
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