Gehirn & Nerven

Kann ich mein Durchhaltevermögen trainieren wie einen Muskel?

Veröffentlicht am:04.12.2025

4 Minuten Lesedauer

Ob bei einer Diät, im Fitness-Studio oder im Job: Das Durchhaltevermögen wird nahezu täglich auf die Probe gestellt. Was die Willenskraft steuert und wie man sie stärken kann.

Eine Frau klettert an einem Seil hoch.

© iStock / Phynart Studio

Wie das Gehirn das Durchhaltevermögen steuert

Jeder und jede kennt Momente, in denen es schwerfällt, sich zum Sport aufzuraffen, die nächste Aufgabe im Job anzugehen oder einfach den Apfel zu wählen anstatt der Schokolade. Wer in solchen Situationen den inneren Widerstand überwindet, zeigt Durchhaltevermögen und Willenskraft. Doch was ist der entscheidende Faktor dafür? Eine bestimmte Hirnregion spielt offenbar eine Schlüsselrolle: der anterior midcingulate Cortex (aMCC). Die Region liegt mittig im Gehirn, an einem Knotenpunkt verschiedener Systeme, die unter anderem für Körperwahrnehmung, Bewegung, Entscheidungsfindung und Sinneseindrücke zuständig sind. Es wird angenommen, dass bei einer anstehenden Entscheidung, der anterior midcingulate Cortex wichtige Informationen aus diesen Bereichen sammelt und sie gegeneinander abwägt. Kurz gesagt scheint er eine Kosten-Nutzen-Rechnung von Energieaufwand und Belohnung zu erstellen. Fällt sie positiv aus, aktiviert der aMCC das Denken für die nötigen Handlungen. Je stärker er reagiert, desto mehr Willenskraft soll ein Mensch aufbringen.

Die besten Tipps: Was stärkt meine Willenskraft?

Solange Durchhaltevermögen und Willenskraft nicht dafür sorgen, dass man permanent über seine eigenen Grenzen geht und die mentale oder körperliche Gesundheit riskiert, bringen sie einen den persönlichen Zielen näher. Der positive Antrieb ist einer der Gründe, warum sich auch die Forschung mit dem aMCC beschäftigt. Vor allem eine Frage treibt die Wissenschaft an: Können wir diesen Teil des Gehirns wie einen Muskel trainieren, dadurch Durchhaltevermögen sowie Willenskraft stärken und schlussendlich Ziele leichter setzen und erreichen? Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass es möglich ist. Doch bevor man anfängt, seine Willenskraft zu stärken, ist es wichtig zu wissen, was genau Willenskraft bedeutet. Man könnte sie auch als Entschlossenheit, Antrieb, Selbstdisziplin oder Selbstbeherrschung bezeichnen. Doch Psychologen und Psychologinnen definieren sie meist so:

  • Die Fähigkeit, eine Belohnung herauszögern und kurzfristigen Versuchungen zu widerstehen, um langfristige Ziele zu erreichen.
  • Die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, also seine Gedanken, Wünsche und Impulse zu steuern und negative Gedanken wie „Du schaffst das nicht“ oder Impulse zu überwinden.

Kann ich Selbstkontrolle üben?

In ihren Untersuchungen, wie man Durchhaltevermögen und Willenskraft gezielt trainieren kann, entdeckten Forschende, dass vor allem Vermeidung und das Prinzip „aus den Augen, aus dem Sinn“ hilfreich sind. Kinder, die in einer Untersuchung eine Süßigkeit direkt im Blick hatten, griffen eher zu als Kinder, die sich ablenkten, wegschauten oder die Augen geschlossen hatten. Bei Erwachsenen kam man in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen: Mitarbeitenden in einem Büro fiel es leichter, Süßigkeiten nicht zu essen, wenn sie diese in einer Schreibtischschublade aufbewahrten. Lagen die Süßigkeiten dagegen offen herum, konnten sie die Herausforderung schwerer meistern. Daher ist es ratsam, wenn Sie auf etwas verzichten möchten, das Objekt der Begierde außerhalb der Reichweite aufzubewahren oder es am besten ganz zu meiden.

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Wie kann ich Versuchungen widerstehen?

Eine einfache, aber wirksame Methode, um Selbstkontrolle und Willenskraft zu verbessern, ist das Planen mit sogenannten Wenn-dann-Szenarien. Ein Beispiel: Sie möchten auf Alkohol verzichten und sind zu einer Feier eingeladen. Damit Sie der Versuchung leichter widerstehen, malen Sie sich ein Szenario aus wie: Wenn mir jemand ein alkoholisches Getränk anbietet, dann frage ich nach einem Softgetränk oder einer alkoholfreien Variante. Solche klaren Vorabentscheidungen helfen Ihnen dabei, in kritischen Momenten standhaft zu bleiben.

Ein Mann reckt die geballten Fäuste in die Luft und freut sich.

© iStock / Studio4

Mit einem guten Durchhaltevermögen lassen sich persönliche Ziele leichter erreichen.

Was aktiviert mein Durchhaltevermögen?

Auch wenn die Willenskraft zeitweise nachlässt, können starke Anreize dabei helfen, weiterzumachen. In einer Untersuchung hielten Menschen eine schwierige Aufgabe länger durch, wenn sie wussten, dass ihre Anstrengung finanziell belohnt wird oder einem sinnvollen Zweck dient – etwa einer guten Sache. Das zeigt: Wer einen klaren Anreiz vor Augen hat, findet oft trotzdem noch die Kraft, weiterzumachen, selbst wenn das Durchhaltevermögen bereits angeschlagen ist. Allerdings wirkt dieser Effekt nur kurze Zeit, denn irgendwann stößt auch die stärkste Motivation an ihre Grenzen.

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Ist meine Willenskraft unendlich?

Auch wenn Sie die Willenskraft wie einen Muskel trainieren, kann Ihr Durchhaltevermögen je nach Tagesform, Stresslevel oder Stimmung schwanken. Wer müde, überfordert oder emotional belastet ist, dem fällt es meist schwerer, bei einer Aufgabe zu bleiben oder einer Versuchung zu widerstehen. Wenn Sie beispielsweise zu einem Arbeitskollegen, den Sie nicht mögen, freundlich sein müssen, sinkt die Willenskraft gegebenenfalls im Laufe des Tages ab. In Fachkreisen wird der Abfall der Willenskraft „Ego Depletion“ genannt – Erschöpfung des Ichs. Aber: Forschende gehen davon aus, dass die Willenskraft nie ganz aufgebraucht werden kann.

Fachlich geprüft
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