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Gesundheitsmagazin

Liebe & Sexualität

Was bedeutet eine Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung?

Veröffentlicht am:10.07.2025

4 Minuten Lesedauer

Alle Menschen haben sexuelle Bedürfnisse. Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung können diese oft nicht ohne Hilfe erfüllen. Worum es bei der Sexualbegleitung geht und wie sie das Leben von Menschen mit Behinderung bereichern kann.

Eine junge Frau umarmt einen Mann. Ihre Augen sind geschlossen. Der Mann ist von hinten abgebildet, sein Gesicht ist nicht zu erkennen.

© iStock / Goodboy Picture Company

Sexualbegleitung: Teilhabe und sexuelle Selbstbestimmung

Intimität, zärtliche Berührungen, Erotik und Sexualität gehören zu den menschlichen Grundbedürfnissen, die für unser körperliches und psychisches Wohlbefinden unerlässlich sind. Sexualität bedeutet dabei viel mehr als nur den eigentlichen geschlechtlichen Akt. Sexualität ist für soziale Beziehungen und das eigene Selbstverständnis von großer Bedeutung. Eine unerfüllte Sexualität kann Menschen belasten.

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht

In Deutschland hat jeder Mensch das Recht, seine Sexualität selbstbestimmt zu leben und dabei gleichberechtigt behandelt zu werden. Nicht alle Menschen können dieses Recht in Anspruch nehmen. Mögliche Gründe sind eine körperliche oder geistige Behinderung, eine körperliche oder psychische Erkrankung oder ein hohes Alter. Auch die persönliche Wohnsituation kann das Ausleben einer selbstbestimmten Sexualität verhindern. So können etwa Betreuungseinrichtungen, in denen keine umfangreichen externen Kontakte möglich sind, ein Problem darstellen.

Wie lässt sich das Recht auf sexuelle Teilhabe verwirklichen?

Eine geistige oder körperliche Behinderung heißt nicht, dass Menschen in ihrem sexuellen Empfinden und ihren Wünschen eingeschränkt sind. Eine Behinderung kann jedoch dazu führen, dass sie ihre Sexualität nur begrenzt oder gar nicht ausleben können. In diesem Spannungsfeld zwischen sexuellen Bedürfnissen und dem Recht auf Teilhabe einerseits sowie den eingeschränkten Möglichkeiten, dieses Recht zu leben, werden verschiedene Ansätze diskutiert. Dazu gehört etwa Sexualberatung oder die Schaffung von Begegnungsorten, die bei der Partnersuche unterstützen. Eine weitere Möglichkeit, um Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmte Sexualität zu ermöglichen, sind Sexualassistenz und Sexualbegleitung.

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Was ist der Unterschied zwischen Sexualassistenz und Sexualbegleitung?

Bei Sexualassistenz und Sexualbegleitung geht es um mehr als nur Beratung oder Begegnungsstätten. Es geht um eine mehr oder weniger unmittelbare Unterstützung. Dabei werden die Begriffe „Sexualassistenz“ und „Sexualbegleitung” oft vermischt, sie bezeichnen aber verschiedene Dinge. Darüber hinaus unterscheidet man zwischen passiver und aktiver Sexualassistenz.

  • Passive Sexualassistenz

    Hierzu zählt beispielsweise die Bereitstellung von Verhütungsmitteln, Sexspielzeug oder anderen Hilfsmitteln (etwa pornografische Produkte) sowie die Vermittlung einer sexuellen Begleitung. Entscheidend ist: Bei der passiven Sexualassistenz ist die helfende Person an keiner sexuellen Handlungen direkt beteiligt.

  • Aktive Sexualassistenz

    In diesem Fall unterstützt die helfende Person beispielsweise bei der Selbstbefriedigung oder beim Geschlechtsverkehr von Paaren mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit. Es handelt sich also um eine direkte Beteiligung an sexuellen Handlungen. Deshalb sind die Grenzen zwischen aktiver Sexualassistenz und Sexualbegleitung fließend.

  • Sexualbegleitung

    Aktive Sexualassistenz kann theoretisch auch von Personen aus dem Umfeld des beeinträchtigten Menschen erbracht werden, beispielsweise von Pflegekräften oder Bekannten. Dann spricht man in der Regel nicht von Sexualbegleitung. Bei einer Sexualbegleitung erfüllt eine außenstehende Person die konkreten sexuellen Wünsche des beeinträchtigten Menschen. Da es sich um sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung handelt, gilt die Sexualbegleitung aus rein rechtlicher Perspektive als Prostitution. Eine eigene rechtliche Regelung für die Sexualbegleitung gibt es nicht. Es gibt auch keine einheitliche oder gesetzlich anerkannte Berufsausbildung. Welche Leistungen Menschen anbieten, die haupt- oder nebenberuflich in der Sexualbegleitung arbeiten, ist ihre freie Berufsentscheidung. Geschlechtsverkehr kann eingeschlossen sein.

Rückansicht eines Rollstuhlfahrers, auf dessen Schoß eine Frau sitzt. Er fährt durch ein sonniges Wohnzimmer. Die Frau legt einen Arm um die Schultern des Mannes und lächelt ihn an.

© iStock / skynesher

Bei der Sexualbegleitung geht es nicht (nur) um Sex, sondern vor allem um das Bedürfnis von eingeschränkten Menschen nach körperlicher Nähe.

Wie Sexualbegleitung Menschen mit Behinderung weiterhilft

Rein formal betrachtet ist Sexualbegleitung also eine entgeltliche Dienstleistung, um die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse von Menschen zu erfüllen, da diese die Bedürfnisse sonst nicht ausleben könnten. Damit ist die Sexualbegleitung zwar prinzipiell mit „normaler“ Prostitution vergleichbar, aber: Bei einer Sexualbegleitung steht nicht der konkrete Sex im Zentrum, sondern das Bedürfnis und das Recht von eingeschränkten Menschen auf emotionale und körperliche Nähe.

Außerdem hat Sexualbegleitung eine klare gesundheitliche Dimension. Da Sexualität so wichtig für die eigene Persönlichkeit und das soziale Leben ist, dient die Sexualbegleitung neben der Befriedigung individueller sexueller Wünsche vor allem dazu, das Selbstwertgefühl, die Selbstbestimmung und die Persönlichkeit zu fördern. Wie Untersuchungen zeigen, kann das mit Sexualbegleitung gelingen. Das sinnliche Erlebnis löst positive Gefühle gegenüber dem eigenen Körper aus und kann dazu führen, dass sich Menschen mit Behinderung gestärkt, selbstbewusster und selbstbestimmter fühlen. Kurz gesagt: Die Auslebung der Sexualität steigert das Wohlbefinden.

Sexualität ist ein Menschenrecht. Sexualbegleitung verhilft Menschen mit Beeinträchtigungen zu sexueller Teilhabe und hat einen gesundheitlichen Mehrwert. Es lohnt sich daher, das Thema offen und vorurteilsfrei anzugehen: um Menschen den Weg zu ihrer eigenen Sexualität zu eröffnen, die ihn ohne fremde Hilfe nicht beschreiten können.

Zahlen die Krankenkassen oder andere Kostenträger für die Sexualbegleitung?

Eine so intime Dienstleistung wie die Sexualbegleitung ist mit Kosten verbunden. Wie hoch diese genau sind, hängt in erster Linie vom Sexualbegleiter bzw. der Sexualbegleiterin sowie von der gemeinsam verbrachten Zeit ab. Man darf davon ausgehen, dass die Preise deutlich über 100 Euro je Stunde liegen.

Grundsätzlich müssen Menschen mit Behinderung oder ihre Angehörigen die Kosten einer Sexualbegleitung selbst tragen. Eine Finanzierung dieser Leistung durch einen Sozialleistungsträger ist derzeit nicht möglich. Zu diesem Thema gibt es mehrere Gerichtsurteile, die zu dem Schluss kommen, dass sich aus dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung kein Anspruch auf die Finanzierung von Sexualbegleitung ableiten lässt. Eine gesetzliche Grundlage zur Kostenübernahme einer Sexualbegleitung im Rahmen von Sozialleistungen existiert nicht.

Das gilt auch für das Persönliche Budget. Mit einem Persönlichen Budget können Menschen mit Behinderung Leistungen zur Teilhabe selbstständig bezahlen. Dadurch soll ihnen explizit ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Trotzdem gilt eine Sexualbegleitung nicht als Leistung, die im Rahmen des Persönlichen Budgets finanziert werden kann. Es gibt ein Urteil aus dem Jahr 2022, in dem ein Sozialgericht anders entschieden hat. Das ist jedoch ein Einzelfall.

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