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Kinderdemenz: Wenn Kinder körperlich und geistig abbauen

Veröffentlicht am:11.09.2025

4 Minuten Lesedauer

Nicht nur ältere Menschen, auch Kinder können von Demenz betroffen sein. Bei der sogenannten Kinderdemenz verlieren Kinder bereits erworbene kognitive und motorische Fähigkeiten. Welche Ursachen hat die seltene Erkrankung und ist sie heilbar?

Ein Mädchen sitzt im Rollstuhl. Die Mutter sitzt auf einem Sitzkissen vor der Tochter und hilft dem Mädchen, einen Stift über eine Fläche zu führen.

© iStock / South_agency

Was ist eine Kinderdemenz?

Der umgangssprachliche Begriff Kinderdemenz bezeichnet eine Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. In der medizinischen Fachsprache wird das Krankheitsbild auch neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (kurz: NCL) oder NCL-Kinderdemenz genannt. Bei Kindern und Jugendlichen, die davon betroffen sind, sterben Nervenzellen ab und sie verlernen allmählich Dinge, die sie bereits konnten. Körperlich und geistig bauen sie immer mehr ab – wie bei einer Demenz bei Erwachsenen.

Eine Demenz in der Kindheit kommt sehr selten vor. Schätzungen zufolge ist etwa eins von 30.000 Kindern betroffen. Unterschieden werden mehr als 250 Formen, davon 10 NCL-Formen, die jeweils in einer anderen Altersstufe beginnen. Sie alle haben eines gemeinsam: Die erkrankten Kinder entwickeln sich anfangs meist normal und verlieren später nach und nach ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Sie können sich nicht mehr konzentrieren und sich Dinge nicht mehr merken. Auch das Verhalten ändert sich. Häufig treten auch Hör- und Sehstörungen auf. Wann die ersten Symptome auftreten und wie schnell sie sich verschlimmern, hängt von der Erkrankungsform ab. Symptome können schon früh bei Säuglingen auftreten, aber auch bei Klein- und Schulkindern sowie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

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Ist Kinderdemenz genetisch bedingt?

Eine Kinderdemenz ist in der Regel genetisch bedingt. Dabei können verschiedene genetische Ursachen zu unterschiedlichen Formen der Erkrankung führen. Oftmals haben die Gendefekte einen gestörten Stoffwechsel im Gehirn zur Folge. Dadurch fehlen wichtige Substanzen für den Aufbau, die Erhaltung und die Funktion von Hirngewebe und Nervenzellen. Oder es werden giftige Stoffwechselprodukte nicht abgebaut und lagern sich im Gehirn an. Dies führt schließlich zum vorzeitigen Absterben von Nervenzellen.

Was verursacht eine Kinderdemenz?

Kinderdemenz im Allgemeinen gehört zu den sogenannten Speicherkrankheiten, bei denen die Nervenzellen schädliche Stoffe speichern. Im Falle der NCL-Krankheit sammelt sich der wachsartige Stoff Ceroid-Lipofuszin in den Nervenzellen an und kann dort nicht abgebaut werden. In der Folge sterben die Nervenzellen ab. Besonders betroffen sind das Gehirn und die Netzhaut der Augen.  

Unterstützung für Eltern und Kinder

Eltern und Kinder finden Unterstützung bei der Selbsthilfeorganisation NCL-Gruppe Deutschland e. V. Eine spezielle NCL-Sprechstunde bietet die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf an. Patientinnen und Patienten werden dort im Rahmen der Sprechstunde ambulant und stationär versorgt. Ein multidisziplinäres Team begleitet sie zudem während des gesamten Verlaufs der Erkrankung. Das Team erforscht auch neue Therapiemöglichkeiten. 

Wie wird NCL-Kinderdemenz vererbt?

Die Kinderdemenz zählt zu den autosomal-rezessiven Erbkrankheiten. Das bedeutet: Die Eltern von NCL-Kindern sind selbst meist nicht erkrankt, sie tragen aber gesunde und fehlerhafte Anlagen in sich. Besitzt nur ein Elternteil eine solche Genmutation, ist der Nachwuchs nicht gefährdet. Erst wenn beide Elternteile Träger des Gendefekts sind und beide diesen an das Kind weitergeben, erkrankt das Kind. Dadurch liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit für jedes Kind eines solchen Elternpaares bei eins zu vier.

Eine Junge sitzt an einem Tisch und blickt auf ein Bauklötzchen in seiner Hand. Eine Ergotherapeutin sitzt neben ihm und beobachtet ihn dabei. Auf dem Tisch liegt mehrere Kordeln, auf den Bauklötze aufgefädelt sind.

© iStock / FatCamera

Eine Ergotherapie kann bei einer Kinderdemenz dazu beitragen, die Beschwerden der Betroffenen zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Wie macht sich eine Kinderdemenz bemerkbar?

Typische Anzeichen einer NCL-Kinderdemenz sind:

  • Erblindung: Die Sehkraft des Kindes verschlechtert sich zunehmend bis zur Blindheit.
  • Entwicklungsverzögerungen: Das Erlernen neuer Wörter oder Bewegungen ist verlangsamt. Gleichzeitig gehen bereits erlernte Fähigkeiten wie beispielsweise Rechnen, Lesen und Schreiben verloren.
  • Bewegungsstörungen: Die Muskeln werden schwächer. Mit der Zeit nehmen Bewegungsstörungen zu. Die Kinder können nicht mehr laufen und brauchen einen Rollstuhl. Auch das Kauen und Schlucken fällt ihnen immer schwerer.
  • Epileptische Anfälle: Muskelzuckungen oder -verkrampfungen können einzelne Gliedmaßen oder den gesamten Körper betreffen.
  • Verhaltensänderungen: Betroffene Kinder reagieren zunehmend depressiv oder aggressiv. Auch Angstzustände oder Halluzinationen können auftreten.
     

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Die Behandlung einer NCL-Kinderdemenz

Eine Kinderdemenz ist bislang nicht heilbar. Eine frühzeitige Behandlung ist daher wichtig. Je früher sie beginnt, desto weniger Nervenzellen und damit auch motorische und kognitive Fähigkeiten gehen verloren. Ein Kind mit einer NCL-Diagnose sollte dauerhaft und regelmäßig von einem fachärztlichen Team unter Koordination eines Arztes oder einer Ärztin betreut werden. Frühzeitige ergotherapeutische, logopädische und physiotherapeutische Interventionen können Beschwerden lindern, den Alltag erleichtern und die Lebensqualität der Erkrankten verbessern beziehungsweise länger erhalten. Für eine spezielle Form der Erkrankung, die sogenannte CLN2, haben Forschende inzwischen einen Wirkstoff (Cerliponase alfa) gefunden, der den Krankheitsverlauf zumindest verlangsamen und ein fehlendes Enzym ersetzen kann. Dieses Medikament ist in Deutschland zur Behandlung der Kinderdemenz zugelassen.  

Die Lebenserwartung von Kindern, die am Typ CLN3 erkrankt sind, ist in der Regel stark verkürzt. Schon vor dem 20. Lebensjahr sind fast alle Fähigkeiten verloren gegangen. Sie können ihre Körperfunktionen nicht mehr kontrollieren, müssen künstlich ernährt werden und sind rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Bis zum 30. Lebensjahr versterben sie.

Fachlich geprüft
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