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Motivation

Präkrastination: Lass es uns jetzt tun

Veröffentlicht am:19.08.2020

5 Minuten Lesedauer

Präkrastination ist das direkte Erledigen von Aufgaben. Was anfangs motiviert klingt, kann bei fehlender Work-Life-Balance schnell in den Burn-out führen.

Kalender mit Büro-Dingen zur Präkrastination

© iStock / netrun78

Präkrastination – nein, hier hat sich kein falscher Buchstabe eingeschlichen. Präkrastination ist das Gegenteil der bereits bekannten Aufschieberitis, der Prokrastination.

Während Prokrastination besonders unter Studierenden ein weitverbreitetes Phänomen ist, tritt die Präkrastination vermehrt im Joballtag auf. Sie ist ein Phänomen der Neuzeit, da Digitalisierung und moderne Arbeitswelt das Präkrastinieren begünstigen.

Präkrastination: Was ist das überhaupt?

Den Begriff der Präkrastination führte David A. Rosenbaum gemeinsam mit seinen Forscherkollegen 2014 ein. Als Professor für Psychologie an der Pennsylvania State University beschäftigte er sich als einer der Ersten mit dem Gegenteil der Prokrastination. Mit 250 Studierenden führte er unterschiedliche Testreihen durch. In einem Experiment sollten die Studierenden einen von zwei Eimern Wasser, die in einem Gang standen, zur anderen Seite des Ganges bringen.

Die Eimer standen unterschiedlich weit vom anderen Ende entfernt, den hinteren Eimer zum anderen Ende zu tragen, hätte den geringeren körperlichen Aufwand bedeutet. Doch die Studierenden griffen zum nächstgelegenen Eimer. Rosenbaum schlussfolgerte, dass der psychische Druck der unerledigten Aufgabe bis zum weiter entfernteren Eimer zu groß war. So führte er den Begriff der Präkrastination ein – das dringende Verlangen, eine Aufgabe direkt und schnell zu erledigen. 

Im Joballtag neigen wir häufiger zur Präkrastination

Präkrastination sorgt oft für Stress
Präkrastination kann zum Stress-Kollaps führen.

© iStock / milanvirijevic

Während besonders Studierende im Selbstmanagement zur Prokrastination neigen, tritt im stressigen Joballtag häufig das Phänomen der Präkrastination auf. Dem Wirtschaftspsychologen Dr. Franz J. Schaudy zufolge hat das zwei Gründe. Zum einen lassen der technische Wandel und die Beschleunigung fast unseres gesamten Lebens die Zeit in unkontrollierbarer Geschwindigkeit verstreichen. Die Motivation, alle Aufgaben schnell und direkt abzuarbeiten, liegt dann im Wunsch nach mehr Zeit.

Schaudy ist der Meinung, dass wir die Arbeit schnell erledigen wollen, um danach Freizeit zu haben. Doch das Gegenteil pendelt sich ein. Je mehr Aufgaben erledigt werden, desto mehr kommen dazu, die ebenfalls erledigt werden sollen. Denn dank der modernen Technik sind E-Mails überall verfügbar, durch das Smartphone sind wir rund um die Uhr erreichbar. Dadurch rückt die ursprünglich gewünschte Freizeit immer weiter in die Ferne. 

Der zweite Grund, warum Menschen vermehrt im Job zur Präkrastination neigen, ist der ständige Kampf um Anerkennung. Wer an die Spitze will, so scheint es, muss sich gegen alle anderen durchsetzen: Schnelleres, effizienteres, härteres Arbeiten ist das Resultat. Professor Rosenbaum fand in seinen Experimenten zu Präkrastination heraus, dass es besonders das Glücksgefühl nach getaner Arbeit ist, das Menschen zum Präkrastinieren bewegt. Schaudy widerspricht dem insofern, als seinen Beobachtungen nach diese Glücksgefühle sehr vergänglich waren. Das Erfolgserlebnis hielt nur sehr kurz an, bis wieder eine neue Aufgabe in Angriff genommen wurde. 

Durch die vielen Aufgaben im Job, die als wichtig und dringend empfunden werden, vernachlässigen präkrastinierende Menschen ihre Freizeit, Partner oder Kinder. In diesen Bereichen tendieren sie eher zur Prokrastination, schieben das wichtige Gespräch mit dem Partner auf, schaffen es nicht zur Kino-Verabredung oder verzichten auf Schlaf. All das erscheint im Vergleich zum Aufgabenberg im Job nichtig. 

Von Depression bis Burn-out – die Folgen von Präkrastination

Eigentlich klingt es harmlos, ja sogar positiv, wenn jemand motiviert und engagiert an die Arbeit geht. Doch die Übermotivation, die Präkrastination, kann auch weitreichende Folgen haben. Die fangen schon simpel an: Arbeiten wir zu schnell und unüberlegt, passieren eher Fehler. Das kann bei beruflichen Aufgaben passieren, aber auch bei wichtigen Entscheidungen.

Nehmen wir uns nicht die Zeit, intensiv darüber nachzudenken und abzuwägen, kann das zu falschen Entscheidungen führen. In einer schnelllebigen Welt findet keine intensive Beschäftigung mit einem Thema statt. Dadurch geht die Tiefe verloren, aber auch Kreativität, die mit der Zeit zu wachsen beginnt. Dr. Schaudy spricht von „Häppchenkultur“: Wir wollen von allem ein bisschen, aber nichts mehr umfangreich. 

Das stete Erledigen von Aufgaben, ohne Pausen oder ohne intensive Beschäftigung mit einem einzigen Thema, führt jedoch nicht zur gewünschten Entlastung. Während wir eine Aufgabe erledigen, sind wir in Gedanken schon bei der nächsten. Anstatt nach getaner Arbeit herunterzufahren, macht unser Kopf einfach weiter. Auf die Präkrastination im Job folgt die Prokrastination im Alltag. Wer schon mal prokrastiniert hat, kennt das schlechte Gewissen, das sich dadurch einschleicht. Diese Erfahrungen machen Präkrastinierer im privaten Leben. Neben dem Druck der Aufgaben, die erledigt werden müssen, kommt ein schlechtes Gewissen gegenüber Familie und Freunden, die vernachlässigt werden. 

Die Präkrastination kann so weit führen, dass Menschen nicht mehr schlafen wollen oder können. Sobald sie nachts aufwachen, setzen sie sich wieder an den Schreibtisch. Die Universität Utrecht spricht dabei von der sogenannten bedtime procrastination. 

Der dauerhafte Druck und Stress kann neben Überbelastung und Schlafstörungen auch zu Depressionen führen. Im schlimmsten Fall erleiden Präkrastinierer einen Burn-out. 

Was kann ich tun, um Präkrastination zu vermeiden?

Grundsätzlich gilt natürlich, dass das sorgfältige Abarbeiten von Aufgaben und eine motivierte Arbeitsmoral nichts Schlechtes sind. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist dabei der Schlüssel. Die ergibt sich aus einem gesunden Mittelmaß zwischen Pro- und Präkrastination.

Dazu sollten Sie für sich selbst definieren, was Ihnen in einer Work-Life-Balance wichtig ist. Welchen Stellenwert hat der Beruf, und wie viel Energie und Zeit möchten Sie in Familie, Partnerschaft und Privatleben stecken? Beziehungen pflegen, Kinder erziehen, private Probleme lösen – all das benötigt ausreichend Zeit. 

Für ein erstes Bild, wie Sie aktuell Ihre Zeit einteilen, eignet sich eine Zeitanalyse. Darin halten Sie zwei Wochen lang täglich fest, wie viele Stunden Sie für welche Aktivitäten Sie aufwenden, und markieren diese farbig. Das kann ein erster Schritt sein zu erkennen, wie viel Zeit berufliche Aufgaben wirklich fressen. 

Im Job selbst bietet es sich an, E-Mails nur zu einem bestimmten Zeitpunkt zu checken und dann auf Dringlichkeit zu prüfen. Um Stress durch Multitasking zu vermeiden, ist es ratsam, Handys oder Tablets nicht mit in Meetings zu nehmen. So können Sie sich besser auf das Meeting konzentrieren und Ihre Ideen effektiver einbringen. Schließlich gehören auch Pausen zum Job. Räumen Sie sich freie Zeiten im beruflichen Alltag ein, zu denen Sie durchatmen können und den Kopf frei bekommen. 

Die Schnelllebigkeit und Digitalisierung dieser Zeit können Sie nicht ändern, aber Sie können ihre Work-Life-Balance gesund daran anpassen und so Präkrastination (und Prokrastination) vermeiden. 

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