Sicher Reisen
Kann Virtual Reality eine Reise ersetzen?
Veröffentlicht am:23.09.2025
6 Minuten Lesedauer
Vom Sofa aus Städtetrips unternehmen oder in weit entfernte Länder reisen – das ist mit Virtual Reality möglich. Eine große Urlaubskasse oder ausgiebige Planungen sind nicht nötig. Studien untersuchen, wie erholsam das digitale Reisen wirklich ist.

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Wie funktionieren virtuelle Reisen?
Wer träumt nicht davon, ferne Orte zu entdecken, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Virtuelles Reisen macht genau das möglich. Entwickelnde bauen dafür reale Landschaften digital nach. Diese vermitteln das Gefühl, mitten in den Landschaften zu stehen. Bei virtuellen 3D-Reisen mit realen Szenen schaffen 360-Grad-Fotos die Grundlage. Sie werden mit einer speziellen Kamera aufgenommen und erfassen beinahe das gesamte Sichtfeld. Aus diesen Aufnahmen entsteht dank Computergrafik ein Vollbildmodus, also nahtlose Panoramen. Das Erlebnis geht jedoch über reine Betrachtung hinaus: Anwendende können Perspektiven frei wählen, die Szene nach oben, unten oder rundum erkunden – so als wären sie tatsächlich physisch am Reiseort. Die Kombination aus erstaunlichen Landschaften und hochauflösenden Panoramafotos sorgt für ein intensives Eintauchen in die Umgebung – fast wie ein Spaziergang durch die Straßen oder ein Blick vom Aussichtspunkt über die Landschaft. Verglichen mit Fotos oder klassischen Videos wird das Reiseerlebnis dadurch deutlich intensiver – Menschen erleben dabei und interagieren mehr als beim bloßen Betrachten von Foto- oder Videomaterial.
Was ist eine VR-Brille?
Für virtuelle Reisen ist nicht zwingend eine VR (Virtuelle Realität)-Brille nötig – sie verspricht aber ein besonders intensives Erlebnis. Mit einer VR-Brille tauchen Nutzende in eine computerentwickelte, dreidimensionale Umgebung ein. In dieser Welt werden mit der VR-Brille Bewegungen registriert und auf das eigene Handeln reagiert – das digitale Panorama „folgt“ durch die integrierte Tracking-Technologie beispielsweise den Kopfbewegungen des Spielenden. Der 3D-Eindruck entsteht durch die stereoskopische Darstellung: Jedem Auge wird ein leicht unterschiedliches Bild gezeigt, das Gehirn setzt diese beiden Bilder zu einer räumlichen Wahrnehmung zusammen. So wird Reisenden ein realistisches Gefühl vermittelt, tatsächlich in der virtuellen Umgebung präsent zu sein.
Vorteile der virtuellen Realität bei Reisen
Wenn das Fernweh ruft, kann nicht jeder Mensch sofort reagieren – schließlich müssen dafür unter anderem die Reisekasse stimmen und genügend Urlaubstage vorhanden sein. Virtuelle Reisen sind vor allem dann eine Alternative, wenn es momentan an Flexibilität fehlt.
Folgende Vorteile hat die Virtual Reality:
- die Technologie rund um digitale Reisen wird immer erschwinglicher und verfügbarer – im direkten Vergleich mit Fernreisen kann sie günstiger sein.
- virtuelle Reisen sind mit keinem großen Aufwand verbunden – Koffer packen und Reiserouten planen entfallen.
- wer Virtual Reality nutzt, ist flexibel – „Urlaub“ nach dem Feierabend oder am Wochenende ist spontan möglich.
- digitale Reisen sind umweltfreundlicher als physischer Urlaub – der Weg mit dem Schiff, Auto oder Flugzeug entfällt, das spart CO₂.
- mit der Technologie können Anwendende Sehenswürdigkeiten ungestört digital erleben.
- digitale Reisen sind oft mit nur wenig Barrieren verbunden – bei der vollumfänglichen Nutzung einer VR-Brille wird aber eine gewisse Mobilität in den Armen und Beinen vorausgesetzt. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen können Reiseziele erreichen, die im echten Leben nur schwer zugänglich sind.
Kurzum: Für Menschen mit wenig Zeit, begrenztem Budget oder körperlichen Einschränkungen ist es oft schwer, die Vorteile der Natur oder entlegener Reiseziele direkt zu erleben. Virtuelles Reisen bietet hier eine praktische Alternative, denn es ermöglicht, Landschaften, Sehenswürdigkeiten und Kulturen digital zu erkunden – flexibel, kostengünstig und unabhängig von körperlichen oder zeitlichen Einschränkungen.

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Virtuelles Reisen reduziert psychischen Stress
Stress kann das psychische und körperliche Wohlbefinden nachhaltig beeinträchtigen. Er betrifft Menschen allen Alters, so auch junge Erwachsene. Traditionelle Entspannungstechniken wie Meditation können Stress reduzieren, stressgeplagte Menschen setzen sie aber nicht immer durchgängig ein. Virtuelle Erlebnisse sind womöglich eine Alternative. In einer Studie erlebten 21 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren eine VR-Sitzung. Während und nach dem Erlebnis prüften Forschende ihre Herzfrequenz. Das Ergebnis: Die Frequenz sank durch die Anwendung, was auf eine Stresslinderung hindeuten kann. Doch nicht nur die objektiven Daten sprachen dafür. Die Analyse der Rückmeldungen zeigte, dass die Teilnehmenden die VR-Erfahrung auch subjektiv als entspannend empfanden. Gleichzeitig gaben sie an, dass die Erlebnisse schnell zugänglich und unkompliziert waren. Viele berichteten, dass sie das Gefühl hatten, an einen völlig anderen Ort versetzt zu werden – das lenkte sie von ihren Stressfaktoren ab.2 Diese Studie ist aufgrund der kleinen Untersuchungsgruppe aber nur bedingt aussagekräftig. Eine andere Untersuchung war breiter aufgestellt: Eine systematische Übersicht von 19 Studien mit über 1.200 Teilnehmenden ergab, dass VR-Programme machbar, gut akzeptiert und effektiv in der Stressreduktion sind. Die Programme setzten zur Entspannung vor allem auf audiovisuelle Reize und wurden mit einer VR-Brille genutzt.
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Die virtuelle Natur erzielt ähnliche Effekte wie natürliche Umgebungen
In einer weiteren Untersuchung prüften Forschende aus China, welche Effekte 3D-virtuelles Reisen mit realen Szenen auf die Erholung von jungen Erwachsenen ausübt. Dabei konzentrierten sie sich auf vier verschiedene Umgebungen: Wald, See, Grasland und Wüste. Alle Umgebungen trugen zur Entspannung bei, am stärksten allerdings das Grasland – es vermittelte Nutzenden ein Freiheitsgefühl. Die Konzentrationsfähigkeit profitierte vor allem von einem Besuch am virtuellen See. Diese Seelandschaft förderte den inneren Frieden und reduzierte unter anderem die Ablenkung. Positive Emotionen riefen alle vier Attraktionen hervor, doch auch dabei war die Seelandschaft am erfolgreichsten, gefolgt vom Wald, dem Grasland und der Wüste. Erstaunlich war, dass bereits zehn Minuten in der virtuellen Welt ausreichten, um die Erholung, Konzentration und positive Emotionen zu steigern und negative Emotionen zu lindern – das ähnelt den Erfahrungen mit natürlichen Umgebungen, etwa mit realen Wäldern und Wiesen.
Virtuelle Erfahrungen haben ihre Grenzen
Virtuelles Reisen bringt Sehenswürdigkeiten direkt nach Hause. Ein virtueller Spaziergang durch den Wald kann zudem Entspannung und Erholung fördern – auch mitten in der Stadtwohnung. Die digitale Welt schafft dabei eine gefühlte Abgrenzung zur Stadt, kann die Natur aber nicht exakt nachbilden. Auch wenn es multisensorische Reize gibt, also Klänge und eindrucksvolle Bilder, lassen die Erlebnisse nicht den Sand zwischen den Füßen spüren und vermitteln keinen Geschmack beim Eisessen. Außerdem bleibt der Kontakt mit realen Menschen aus. Die Erfahrungen in der virtuellen Welt können allerdings das Interesse an Reisezielen steigern – wer also einen Blick in interessante Umgebungen werfen möchte, kann das mit Virtual Reality machen.
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Virtual Reality Reisen bieten sich für ruhige Momente an
Die Forschung zeigt: Virtuelle Reisen eignen sich vor allem für Menschen, die eher passive Erlebnisse genießen – also Situationen, bei denen sie etwas beobachten oder entspannt aufnehmen, etwa während einer Tour durch die Landschaft. Wer dagegen aktive Abenteuer sucht, etwa Sport oder Bewegung, wird mit einer digitalen Reise weniger zufrieden sein. Auch die Motivation spielt eine Rolle: Wer aus äußeren Gründen virtuell reist – beispielsweise, weil es gerade nicht anders möglich ist oder um eine Vorstellung vom Reiseziel zu bekommen, findet mit der virtuellen Welt oft eine gute Alternative. Wer hingegen aus innerem Antrieb reist, um das „echte“ Reisegefühl zu erleben, ist mit der Virtual Reality Reise vielleicht nicht glücklich – die reale Erfahrung kann schließlich nicht in allen Bereichen nachgeahmt werden.
Mögliche Nachteile von virtuellen Reisen
Das digitale Reisen bringt nicht nur Vorteile mit sich. Neben fehlenden Sinneseindrücken, wie Gerüche, Haptik oder das Klima vor Ort, kommt hinzu, dass auch der Kontakt mit anderen Menschen ausbleibt. Das betrifft nicht nur Einheimische, sondern auch Mitreisende, die sonst Teil des Reiseerlebnisses wären. Virtuelle Reisen sind also stärker auf eine Einzelperson zugeschnitten und weniger sozial eingebettet. Darüber hinaus berichten manche Nutzende von Beschwerden wie Simulator Sickness – eine Art Übelkeit durch die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Bewegung. Auch Augenbelastungen bei längerer Nutzung von VR-Brillen oder eine kognitive Überlastung, wenn zu viele visuelle Eindrücke gleichzeitig verarbeitet werden müssen, sind möglich. Gerade für Menschen, die empfindlich auf Reize reagieren, kann das ein virtuelles Erlebnis einschränken.
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