Pflegende Angehörige

Demenz und Aggression: Wie Sie damit umgehen können

Veröffentlicht am:11.12.2025

11 Minuten Lesedauer

Ein kleiner Schubser, ein Tritt gegen das Schienbein oder eine heftige Beleidigung – Menschen mit Demenz reagieren manchmal mit körperlicher und psychischer Gewalt. Was sind die Ursachen und wo können Pflegende Hilfe und Unterstützung finden?

Eine ältere Frau und ihr Partner sitzen auf dem Sofa. Mit dem Rücken haben sich voneinander abgewendet. Sie hält den Kopf in ihren Händen.

© iStock / Ridofranz

Woher kommt körperliche und verbale Aggression in der Pflege?

Gewalt in der Pflege kann viele Ursachen haben. Davon betroffen sind nicht nur Pflegebedürftige. Auch pflegende Angehörige und Pflegepersonen erleben gewalttätige Übergriffe – besonders bei der Pflege von Menschen mit Demenz. Im Alter verändert sich die Persönlichkeit, bei Menschen mit Demenz auch das Verhalten. Wenn sie nicht weiterwissen, schimpfen, schreien und treten sie oder werfen mit Gegenständen um sich. Für Angehörige ist dieses herausfordernde Verhalten meist sehr belastend.

Wut- und Gewaltausbrüche sind bei Menschen mit Demenz häufig ein Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit, weil sie bestimmte Dinge nicht mehr können. Weitere Gründe sind, dass sie eine Handlung oder Situation nicht verstehen, sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurechtfinden und sich nicht verständigen können. Auch frühere Konflikte in der Familie können durch die Erkrankung wieder aufbrechen.

Auslöser für körperliche und verbale Aggression in der Pflege kann auch ein vorbeifahrender LKW sein oder ein Bericht aus einem Kriegsgebiet. Bestimmte Geräusche und Bilder wecken bei älteren Menschen mit Demenz häufig Erinnerungen an traumatische Erlebnisse und Gefühle: zum Beispiel an Krieg und Flucht. Im späteren Stadium der Erkrankung können sie auch fremde Gesichter, Stimmen oder grelles Licht als Bedrohung wahrnehmen.

Bei manchen führen Schlafstörungen dazu, dass sie nachts aufstehen, weil sie nicht mehr richtig einschätzen können, wie spät es ist. Werden sie nun von ihrer Partnerin oder ihrem Partner aufgefordert, wieder ins Bett zu gehen, reagieren sie oft ungehalten.

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Welche Formen kann Gewalt in der Pflege annehmen?

Gewalt in der Pflege ist ein gesellschaftliches Problem und kein Einzelfall. Über das Thema wird jedoch kaum gesprochen. Viele Menschen verbinden mit Gewalt eine grobe Behandlung oder Schläge. Sie äußert sich aber in verschiedenen Formen. Unterschieden wird in:

  • körperliche,
  • psychische,
  • sexualisierte Gewalt (sexueller Missbrauch)
  • und Vernachlässigung.

Oft kommen Gewalt und verbale Aggression in der Pflege völlig unerwartet. Bei einer Demenz ist aggressives Verhalten neben Vergesslichkeit, Orientierungsschwierigkeiten und dem Verlust der Alltagsfähigkeiten ein typisches Symptom. Im Verlauf der Erkrankung verändern sich häufig das Wesen und die Kommunikationsfähigkeit. Damit umzugehen, ist für Angehörige und Pflegende schwierig und anstrengend. Manchmal brauchen sie Hilfe von außen.

Demenz ist nicht heilbar, aber beeinflussbar. Frühe Diagnose, aktive Unterstützung und ein gesunder Lebensstil können Betroffenen und Angehörigen helfen.

Demenz und Aggression: Wie können Pflegende vorbeugen?

In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Zwei Drittel von ihnen in privaten Haushalten. Ihre Betreuung und Pflege übernehmen vor allem Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Nachbarinnen und Nachbarn. Pflegende können mit ihrem Verhalten viel dazu beitragen, Konflikte zu vermeiden. Beispielsweise kann gemeinsames Lachen eine Situation entspannen und fördert obendrein die Gesundheit. Wichtig ist, dass pflegende Angehörige und Pflegekräfte in konfliktreichen Situationen deeskalieren. Einige Tipps für den Alltag.

Zeigen Sie Geduld und Einfühlungsvermögen

Menschen mit Demenz sind oft unzufrieden, weil sie keine Aufgabe mehr haben. Stattdessen treten bei ihnen immer neue Defizite auf und sie zweifeln an ihrem Verstand. Manche reagieren deshalb ängstlich und wütend. Denken Sie daran, dass Menschen mit Demenz ihre Fehler und Gedächtnislücken verleugnen, um sich selbst zu schützen. Fühlen Sie sich in sie hinein und versuchen Sie herauszufinden, was sie möchten und was sie aufregt. Reagieren Sie bei Konflikten mit Geduld, Gelassenheit und Einfühlungsvermögen.

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Bewahren Sie Ruhe

Manchmal sind Menschen mit Demenz so wütend, dass sie ihr Essen einfach auf den Boden werfen und um sich schlagen. Versuchen Sie, auch in diesen Momenten Ruhe zu bewahren. Auch, wenn es schwerfällt. Schimpfen Sie nicht, reagieren Sie nicht mit Wut und Vorwürfen und lassen Sie sich auf den Konflikt nicht ein. Einen Streit mit einem Menschen mit Demenz können Sie nicht gewinnen. Verlassen Sie in dieser Situation lieber den Raum. Lassen Sie Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige mit Demenz für eine kurz Zeit alleine. Oft beruhigen sie sich schnell wieder.

Die Pflege-Charta

Im Jahr 2006 wurde die Charta zum ersten Mal veröffentlicht. Acht Artikel fassen die Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen zusammen und erläutern sie. Dazu gehören das Recht auf Wahrung der Privat- und Intimsphäre, auf Wertschätzung, Religionsausübung oder in Würde zu sterben. Die Charta dient pflegenden Angehörigen, Auszubildenden in der Pflege sowie Einrichtungen und Aufsichtsbehörden als Leitfaden.

Das sollten Sie unbedingt vermeiden

Treten Sie niemals von hinten an einen Menschen mit Demenz heran und berühren Sie ihn nicht ohne Vorankündigung. Das könnte Angst und Erschrecken auslösen. Hetzen und drängen Sie nicht, sich zu beeilen. In der Regel werden Betroffene dann noch langsamer. Sprechen Sie nicht mit lauter, hoher und schriller Stimme. Darin sehen Menschen mit Demenz ein Anzeichen für Wut. Wenn sie schlecht hören, können sie das Gesagte zudem noch schlechter verstehen. Texten Sie Menschen mit Demenz nicht zu, sondern geben Sie ihnen häppchenweise Informationen. Seien Sie nicht bevormundend und zurechtweisend. Das führt meist zu Spannungen.

Ein älteres Ehepaar tanzt zuhause im Wohnzimmer.

© iStock / Milan Markovic

Gewalt in der Pflege vorbeugen: Versuchen Sie, Menschen mit Demenz regelmäßig Freude zu bereiten – durch Tanzen oder gemeinsames Singen, Basteln, Malen, Spazierengehen oder Gesellschaftsspiele.

Geben Sie Impulse: Beschäftigung tut gut

Beschäftigung wirkt gegen Unruhe und Unzufriedenheit. Machen Sie Menschen mit Demenz regelmäßig Angebote, die ihnen Spaß machen und Freude bereiten. Gartenarbeit, Spazierengehen, Singen, Tanzen, Basteln, Malen, Lesen, Hilfe im Haushalt oder Gesellschaftsspiele geben ihnen ein gutes Gefühl oder vermitteln ihnen, etwas Sinnvolles zu tun. Oft brauchen Menschen mit Demenz solche Impulse, um nicht völlig passiv zu werden. Und das könnte zur Folge haben, dass vorhandene Fähigkeiten völlig verkümmern.

Denken Sie an sich selbst

Die Pflege und Versorgung von Angehörigen mit Demenz kann psychisch und körperlich belasten. Geben Sie deshalb auf sich selbst acht. Denken Sie an Ihre eigene Gesundheit. Vor allem, wenn Sie jede Nacht um Hilfe gerufen werden. Niemand kann das über einen längeren Zeitraum aushalten. Suchen Sie sich deshalb Unterstützung. Entweder innerhalb der Familie oder holen Sie sich professionelle Hilfe. Ein ambulanter Pflegedienst, eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege verschaffen Ihnen die nötige Auszeit.

Bei Demenz und Aggression: Nutzen Sie Hilfsangebote

In Ratgeber- und Onlineforen bieten Fachleute konkrete Unterstützung. Außerdem können Sie sich mit anderen Pflegenden über Ihre Erfahrungen austauschen. Verschiedene Krisentelefone, lokale Beratungsstellen, ambulante Dienste, Tageseinrichtungen sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind ebenfalls gute Anlaufstellen. Informationen speziell zum Thema Demenz bekommen Sie von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Schulungen für Angehörige bieten bundesweit Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz an.

Ein weiterer Tipp: In der Online-Sprechstunde „Frag nach Demenz“ beantwortet ein interdisziplinäres Team von Expertinnen und Experten Fragen zum Umgang mit aggressivem Verhalten. Das Ziel ist, pflegenden Angehörigen Wissen zu vermitteln. Denn Wissen hilft, mit der Situation besser umzugehen. Außerdem geht es darum, Pflegende zu motivieren, sich mit der Demenz-Erkrankung aktiv auseinanderzusetzen.

Fachlich geprüft
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