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Muskel-Skelett-System

Fibromyalgie: dauerhafter Muskelschmerz

Veröffentlicht am:22.09.2021

4 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 30.07.2025

Die Beschwerden fühlen sich an wie Muskelkater und kommen aus dem Nichts. Sie breiten sich am Rücken und auf den Armen und Beinen aus. Fibromyalgie heißt das Schmerzgespenst, das Betroffene in Schüben heimsucht. Was Sie über die Therapie wissen müssen, lesen Sie hier.

Frau leidet durch ihre Fibromyalgie unter schmerzenden Gelenken und massiert ihre Hand.

© iStock / ljubaphoto

Was ist Fibromyalgie?

Fibromyalgie, auch als Fibromyalgie-Syndrom bekannt, ist eine chronische Erkrankung, die anhaltende Schmerzen in mehreren Bereichen des Körpers verursacht. Besonders häufig sind Muskeln in Gelenknähe und die Wirbelsäule betroffen. Zusätzlich zu den Schmerzen leiden viele Betroffene unter Schlafproblemen, ständiger Müdigkeit, schneller Erschöpfung – sowohl geistig als auch körperlich – sowie Konzentrationsschwierigkeiten. Obwohl die Beschwerden das tägliche Leben stark beeinträchtigen können, gilt die Erkrankung als ungefährlich: Sie hat keinen Einfluss auf die inneren Organe oder die Lebenserwartung, daher gibt es auch kein Fibromyalgie-Endstadium. Rund zwei von hundert Menschen erkranken am Fibromyalgie-Syndrom, wobei Frauen sechs bis sieben Mal häufiger als Männer betroffen sind. „Man nimmt an, dass Fibromyalgie-Schmerzen auf eine gestörte Schmerzverarbeitung zurückgeführt werden können. Vermutlich spielen aber mehrere Faktoren eine Rolle – man geht davon aus, dass die Erkrankung durch eine Mischung aus genetischen Faktoren und körperlichen oder psychischen Belastungen ausgelöst wird“, erklärt Prof. Dr. Winfried Häuser.

Prof. Dr. Winfried Häuser

Prof. Dr. Winfried Häuser ist Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Internistische Intensivmedizin sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie. Er hat viel Erfahrung damit , wie Patienten und Patientinnen mit der richtigen Therapie ihre Fibromyalgie besser in den Griff bekommen und was sie selbst dafür tun können.

Ursachen der Fibromyalgie: Wie entsteht das Fibromyalgie-Syndrom?

Die Ursachen der Fibromyalgie sind noch nicht vollständig verstanden. Klar ist jedoch: „Bei Fibromyalgie liegt eine Störung der zentralen Schmerzverarbeitung im Gehirn vor und nicht etwa ein Verschleiß der Gelenke“, sagt Prof. Häuser. Reize, die normalerweise nicht wehtun, werden von Betroffenen als schmerzhaft empfunden – die individuelle Schmerzgrenze ist herabgesetzt. Diese Fehlregulation im Nervensystem gilt als zentrale Fibromyalgie-Ursache.

Folgende Faktoren werden als Auslöser für Fibromyalgie vermutet:

  • genetische Einflüsse
  • Operationen
  • Infektionen
  • starke körperliche oder seelische Belastungen
  • traumatische Erfahrungen

Auch Lebensstilfaktoren wie zu wenig Bewegung, Übergewicht oder Rauchen könnten das Risiko erhöhen. Manchmal entwickelt sich das Fibromyalgie-Syndrom zudem im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen – etwa bei Menschen mit rheumatoider Arthritis. Trotzdem ist die früher verbreitete Bezeichnung „Weichteilrheuma“ irreführend: Die Schmerzen beruhen nicht auf einer rheumatischen Entzündung und entstehen auch nicht direkt in Muskeln oder Sehnen.

Fibromyalgie: Welche Symptome deuten auf die Erkrankung hin?

Bei der Fibromyalgie gibt es drei Symptomkomplexe, die als besonders bedeutsame Anzeichen gelten – die sogenannten Leitsymptome:

  1. Chronische Schmerzen, die mindestens drei Monate anhalten und mehrere Körperregionen betreffen. Die Schmerzen können an den Beinen, Armen oder am Rücken auftreten.
  2. Nicht erholsamer Schlaf: Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen fühlen sich morgens wie gerädert.
  3. Probleme mit der Konzentrations- und Merkfähigkeit können ebenfalls auf eine Fibromyalgie-Erkrankung hindeuten.

Die chronischen Schmerzen treten bei der Fibromyalgie in ganz unterschiedlichen Regionen im Körper auf – häufig sind Rücken, Beine und Arme betroffen. Sie fühlen sich wie eine Muskelzerrung oder ein heftiger Muskelkater an und können von Tag zu Tag unterschiedlich stark sein. Dabei befällt Fibromyalgie keine Gelenke, sondern verursacht Schmerzen in ihrer Umgebung – zum Beispiel rund um Kiefer, Schultern, Hüfte, Ellenbogen, Hände, Fuß- oder Kniegelenk. „Neben den körperlichen Fibromyalgie-Symptomen können auch psychische Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, innere Unruhe und Konzentrationsprobleme oder Kopfschmerzen auftreten“, ergänzt Prof. Häuser.

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Wie wird das Fibromyalgie-Syndrom diagnostiziert?

Bevor eine Fibromyalgie diagnostiziert wird, leiden viele Betroffene oft jahrelang unter diffusen Schmerzen oder berichten von Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom, interstitielle Zystitis (chronische Blasenentzündung) oder Endometriose.

Um eine Diagnose zu stellen, erfragt der Arzt oder die Ärztin zunächst die Krankengeschichte, die sogenannte Anamnese. Dabei wird beispielsweise gefragt, welche Symptome bestehen und ob es ähnliche Beschwerden in der Familie gibt. Um ein Fibromyalgie-Syndrom zu diagnostizieren, müssen die drei Leitsymptome chronische Schmerzen, nicht erholsamer Schlaf sowie Probleme mit Konzentrations-und Merkfähigkeit vorliegen. Im Anschluss erfolgt eine körperliche Untersuchung.

Die Basislaborwerte einer Blutuntersuchung geben Aufschluss darüber, ob Erkrankungen des Stoffwechsels, eine Blutarmut oder Gelenkentzündungen in Betracht kommen. „Patienten und Patientinnen können auch unter einer sekundären Fibromyalgie leiden. Sie tritt als Folgeerkrankung auf, wenn bereits eine entzündlich-rheumatische Erkrankung wie eine rheumatoide Arthritis vorliegt“, sagt Experte Professor Häuser. Das ist bei etwa 20 bis 30 Prozent der Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen der Fall. Durch die Anamnese und die weiteren Untersuchungen sollen vor allem andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.

Fibromyalgie: Welche Fachärztin oder welcher Facharzt ist zuständig?

Auch der Hausarzt oder die Hausärztin kann das Fibromyalgie-Syndrom diagnostizieren. Hierbei kommt häufig ein Fibromyalgie-Symptome-Fragebogen zum Einsatz. Wenn andere Erkrankungen vermutet werden, stellt der Hausarzt oder die Hausärztin eine Überweisung zu einem entsprechenden Facharzt oder einer Fachärztin aus. Die Vorstellung zur Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms bei einem Rheumatologen oder einer Rheumatologin beziehungsweise einem Orthopäden oder einer Orthopädin ist nicht zwingend notwendig.

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Diagnose Fibromyalgie: Worauf sollte ich als Patientin oder Patient beim Arztbesuch achten

Insbesondere Gesunde unterstellen Betroffenen manchmal, dass sie sich ihre Beschwerden nur einbilden. Obwohl die Fibromyalgie seit 30 Jahren als Erkrankung anerkannt ist, gehört das Syndrom immer noch zu den weniger bekannten Leiden. Achten Sie beim behandelnden Arzt oder der Ärztin darauf, dass Sie sich gut aufgehoben und ernstgenommen fühlen. Das Fachpersonal sollte Ihnen signalisieren: „Ich nehme deine Beschwerden ernst“. Fragen Sie bei Unklarheiten nach. „Betroffenen hilft es auch, ein Erklärungsmodell zur Seite gestellt zu bekommen. Nachvollziehen zu können, wie es zu den Beschwerden kommt, hilft Patienten und Patientinnen bei der Verarbeitung ihrer Erkrankung“, weiß Professor Häuser.

Fibromyalgie-Behandlung: Welche Therapien helfen?

Trotz der chronischen Schmerzen stehen Schmerzmittel bei der Fibromyalgie-Behandlung nicht primär im Vordergrund. Sie helfen – wenn überhaupt – nur kurzfristig. Bei einigen Betroffenen können bestimmte Medikamente wie Amitryptilin, Duloxetin oder Pregabalin die Fibromyalgie-Schmerzen deutlich lindern. Die Mittel wurden ursprünglich zur Behandlung von Depressionen oder Epilepsie entwickelt, beeinflussen aber auch bestimmte Botenstoffe, die die Schmerzwahrnehmung steuern. Daher werden sie bei Fibromyalgie zur Schmerzlinderung und nicht wegen ihrer antidepressiven oder antiepileptischen Wirkung eingesetzt. „Es geht vielmehr darum, realistische Therapieziele zu erfassen, um die Lebensqualität zu verbessern. Eine komplette Schmerzfreiheit erlangen die Patienten und Patientinnen in der Regel nicht“, sagt Professor Häuser. Allerdings kann Bewegung in Form von leichtem Ausdauertraining (zum Beispiel Walken), moderatem Krafttraining und Dehnübungen helfen. Das Thema Stressbewältigung ist im Zuge der Fibromyalgie-Behandlung ebenfalls wichtig. Dazu können auch Entspannungsmaßnahmen wie Meditation beitragen. „Patienten und Patientinnen müssen lernen, ihre Kräfte einzuteilen. Dafür kann es sinnvoll sein, dass die Hausarbeit von einer Haushaltshilfe erledigt oder eine helfende Hand zur Pflege des Gartens bestellt wird“, so der Experte.

Eine gute Schlafhygiene fördert nicht nur die Entspannung, sondern kann Müdigkeit am nächsten Tag entgegenwirken. Einschlafrituale bringen Ruhe, erleichtern das Einschlafen und unterstützen die Fibromyalgie-Behandlung. „Nicht zuletzt sollten eventuell bestehende psychische Begleiterscheinungen behandelt werden“, rät Professor Häuser. Eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen und andere mentale Belastungen können die Beschwerden bei einem Fibromyalgie-Syndrom verstärken.

„Bewegung, Stressbewältigung, Entspannung, die richtige Schlafumgebung und die Einteilung der Kräfte können das Wohlbefinden von Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen verbessern.“

Prof. Dr. Winfried Häuser
Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Internistische Intensivmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie

Was können Patienten und Patientinnen bei Fibromyalgie selbst tun?

Patienten und Patientinnen sind die Hauptakteure, wenn es um die Fibromyalgie-Behandlung geht. Sie können maßgeblich dazu beitragen, ihr Wohlbefinden zu steigern. Das funktioniert beispielsweise, indem sie Stress in ihrem Alltag reduzieren. Welche Entspannungsmaßnahmen dafür gewählt werden, bleibt jedem und jeder selbst überlassen. Tai-Chi, Qigong oder Yoga stehen beispielsweise zur Verfügung, aber auch Meditation oder autogenes Training können helfen. „Etwa 90 Prozent der Betroffenen reagieren empfindlich auf Kälte. Wärme wird hingegen oft als wohltuend empfunden“, erklärt Professor Häuser. Eine Wärmedecke, der Besuch eines Thermalbads oder ein heißes Bad lindern Schmerzen. Heilfasten und vegetarische Kost kann von Betroffenen ebenfalls ausprobiert werden, eine Garantie für eine Beschwerdebesserung gibt es jedoch nicht. Denn die Datenlage ist hier noch sehr dünn. Auch die Angehörigen können einen wichtigen Beitrag leisten. Sie können beispielsweise Verständnis aufbringen und bei schweren Aufgaben zur Hand gehen.

Fachlich geprüft
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