Gehirn & Nerven
Wie läuft eine Narkose ab und welche Risiken bestehen?
Veröffentlicht am:10.08.2023
6 Minuten Lesedauer
Vor allem bei größeren oder umfangreichen Operationen ist eine Allgemeinanästhesie die Methode der Wahl. Sie gewährleistet, dass Patienten und Patientinnen bewusstlos, schmerzfrei und mit entspannter Muskulatur operiert werden können.
Was ist eine Vollnarkose?
Das Grundprinzip einer Allgemeinanästhesie, umgangssprachlich auch Vollnarkose genannt, lässt sich anhand der ursprünglichen Bedeutung der beiden Begriffe ableiten: Das Wort Narkose stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt „Schläfrigkeit“, „Betäubung“ oder auch „Erstarrung“; der Begriff Anästhesie setzt sich aus den beiden altgriechischen Worten für „nicht“ und „Wahrnehmung“ zusammen. Mithilfe von Medikamenten wird ein künstlicher, schmerzfreier und komatöser Zustand ausgelöst. Ziel der Vollnarkose ist es, dass der Patient oder die Patientin während einer Operation nichts von dem Eingriff mitbekommt, stillhält und keine Schmerzen spürt. Um dies zu erreichen, bedarf eine Narkose einer Medikamentenkombination, die drei wesentliche Faktoren sicherstellt:
- Schmerzausschaltung: Das Verabreichen von starken Schmerzmitteln bei der Narkoseeinleitung sowie während der Operation sorgt dafür, dass der Patient oder die Patientin keine Schmerzen verspürt. Häufig kommen zusätzlich etwas schwächere Schmerzmittel zum Einsatz, die die Wirkung der stärkeren steigern und über die Operation hinaus wirken.
- Bewusstseinsverlust: Um den Tiefschlaf einzuleiten und während der gesamten Operation aufrechtzuerhalten, werden über die Venenverweilkanüle, eine Beatmungsmaske oder einen Beatmungsschlauch hochwirksame Schlafmittel (Hypnotika) verabreicht.
- Muskelentspannung: Für einen bestmöglichen OP-Verlauf bei bestimmten Operationen ist es wichtig, dass die Muskulatur während des Eingriffs komplett erschlafft ist. Zu diesem Zweck – und auch, damit beispielsweise der Beatmungsschlauch problemlos eingeführt werden kann – bekommt der Patient oder die Patientin sogenannte Relaxantien.
Anästhesie-Vorgespräch
Vor jedem operativen Eingriff mit Teil- oder Allgemeinanästhesie führt ein Anästhesist oder eine Anästhesistin mit dem Patienten beziehungsweise der Patientin ein Vorgespräch – das sogenannte Prämedikationsgespräch. Hier werden Fragen bezüglich der Einnahme von Medikamenten oder Rauschmitteln geklärt – und auch der Patient oder die Patientin hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Folgendes sollten Patienten und Patientinnen zu dem Termin mitbringen:
- Unterlagen und Befunde, die für die Operation von Bedeutung sind, wie Laborergebnisse oder Röntgenbilder
- Versichertenkarte
- Medikamentenplan, wenn vorhanden
- Allergiepass, wenn vorhanden
- Anästhesieausweis, wenn vorhanden
- Arztbriefe bei vorherigen Krankenhausaufenthalten
Anhand dieser Unterlagen entscheidet der Anästhesist oder die Anästhesistin über das Anästhesieverfahren, die Dosis und Zusammensetzung des Anästhesiemittels. Auch Faktoren wie Alter, Gewicht, Vorerkrankungen und Gesundheitszustand des oder der Behandelten werden hierbei miteinbezogen.
Vor der Operation: Verabreichen des Narkosemittels
Nachdem die Identität des Patienten oder der Patientin überprüft, die Nüchternheit abgefragt und die Richtigkeit der anstehenden Operation noch einmal sichergestellt wurde, wird das Anästhetikum verabreicht. In der Regel passiert dies intravenös über einen Venenzugang am Handrücken. Es besteht auch die Möglichkeit, ein Narkosemittel in Form von Inhalationsgas über eine Gesichtsmaske einzuatmen und den Venenzugang erst zu legen, wenn Tiefschlaf erreicht ist. Diese Variante kommt oftmals bei Kindern zum Einsatz. Unabhängig von der Art der Verabreichung setzt die Wirkung des Anästhetikums direkt ein. Für die meisten Menschen fühlt sich die Narkoseeinleitung wie ein sehr angenehmes Einschlummern an – nur wenige empfinden dabei Unbehagen.
Während der Operation
Der Anästhesist oder die Anästhesistin ist während der gesamten Operation anwesend und stellt sicher, dass die Narkosetiefe zu jedem Zeitpunkt den Notwendigkeiten entspricht. Er oder sie kann diese bei Bedarf anpassen oder auch nachdosieren. In Narkose ist die selbstständige Atmung regelhaft so sehr eingeschränkt, dass beatmet werden muss. Hierfür wird ein Beatmungsgerät genutzt. Zudem ist es die Aufgabe des anwesenden Anästhesisten oder der anwesenden Anästhesistin, Körperfunktionen wie Herz- und Kreislaufaktivität während der Operation zu überwachen und Störungen zu therapieren.
Wie lange schläft man nach einer Vollnarkose?
Sobald die Operation vorüber ist, beendet der Anästhesist oder die Anästhesistin die Narkosemittelzufuhr und der Patient oder die Patientin erwacht, nachdem der Körper die Medikamente abgebaut hat, ähnlich wie nach einem langen, tiefen Schlaf. Dies kann noch im OP-Saal der Fall sein, das vollkommene Bewusstsein wird jedoch in der Regel allmählich im Aufwachraum erlangt. Spezielles Fachpersonal ist hierbei vor Ort, um die Aufwachphase, den Allgemeinzustand sowie die Organfunktionen zu kontrollieren und beispielsweise Schmerzmittel zu verabreichen, sollten beim Aufwachen Schmerzen auftreten. Anschließend kann der Patient oder die Patientin zurück auf das Zimmer oder – bei ambulanten Operationen – abgeholt werden. Der Anästhesist oder die Anästhesistin wird bei der Entlassung mit auf den Weg geben, worauf zu achten ist. Beispielsweise sollte man nach einer Vollnarkose für 24 Stunden nicht allein sein und darf keinesfalls ein Fahrzeug bedienen.
Beatmung per Atemmaske
Bei der Beatmung mit einer Atemmaske wird eine Maske auf das Gesicht gesetzt, an die über einen Schlauch ein Beatmungsgerät angeschlossen wird. Nase und Mund sind dabei fest von der Maske umschlossen. Diese Methode wird zur Überbrückung, bis die Relaxantien wirken, oder bei sehr kurzen Eingriffen ohne Beatmungsschlauch, genutzt.
Beatmung per Kehlkopfmaske
Bei der Beatmung mit Kehlkopfmaske (auch Larynxmaske genannt) wird eine ohrmuschelförmige Maske durch den Hals im Rachen vor den Kehlkopf gestülpt. Dieser Vorgang findet erst statt, wenn der Patient oder die Patientin bereits narkotisiert ist. An der Maske sind zwei Schläuche befestigt: Über einen dünneren Schlauch wird Luft in den aufblasbaren Maskenrand gepumpt, bis er den Kehlkopfeingang optimal umschlossen hat. Das Beatmungsgerät wird an den dickeren Schlauch geschlossen und transportiert so Luft in die Atemwege.
Beatmung per Intubation
Sprechen Anästhesisten oder Anästhesistinnen von Intubation, meinen sie damit in der Regel das Einführen eines Kunststoffschlauchs (Endotrachealtubus) in die Luftröhre. Dieser Schlauch ist am äußeren Ende mit dem Beatmungsgerät verbunden. Auch der Tubus wird erst gelegt, wenn der Patient oder die Patientin im Narkosezustand ist.
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Welche Risiken gehen mit einer Narkose einher?
Dank hochqualifiziertem Personal, moderner Techniken und Medikamente sind Nebenwirkungen bei Narkosen selten und auch das Risiko, an einer Allgemeinanästhesie zu sterben, ist extrem gering. Die nach wie vor weit verbreitete Angst, nach einer Narkose „einfach nicht mehr aufzuwachen“ ist daher unbegründet. Bei einer groß angelegten, in Deutschland durchgeführten Studie, die Daten aus den Jahren 1999 bis 2010 heranzog, zeigte sich: Bei 1,37 Millionen ansonsten gesunden Patientinnen und Patienten kam es nur bei 36 Menschen zum Todesfall oder zu schwerwiegenden Komplikationen.
Diese Komplikationen und Folgen können auftreten:
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Komplikationen im Herz-Kreislaufsystem oder in der Lunge
- Verletzungen des Rachenraums, der Atemwege, der Stimmbänder, im oberen Verdauungstrakt oder dem Bereich der Nase
- Aufwachen während der Narkose
- Übelkeit und Erbrechen nach dem Erwachen
- Heiserkeit, Hustenreiz oder Halsschmerzen innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Operation durch beispielsweise eine Kehlkopfmaske
- kurzfristiges Kältegefühl oder Zittern durch Auskühlen während des Eingriffs
- Schäden an den Zähnen durch Atemhilfen
- Schmerzen nach der Operation
In sehr seltenen Ausnahmefällen kann es bei einer Narkose zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen, wie etwa dem Einatmen von Erbrochenem (Aspiration) während der Operation oder Blut in der Lunge. Auch kann es nach der Narkose zu vorübergehenden Denk-, Verhaltens- oder Bewusstseinsstörungen kommen. Bedenken Sie jedoch, dass diese Risiken wirklich sehr selten auftreten.
Worauf sollte ich vor und nach einer Allgemeinanästhesie achten?
Bereits im Prämedikationsgespräch wird Ihr Anästhesist oder Ihre Anästhesistin Ihnen einige Verhaltensregeln mit auf den Weg geben. Folgende Regeln gelten in jedem Fall:
- Nehmen Sie sechs Stunden vor dem Eingriff keine feste Nahrung zu sich. So verringern Sie das Risiko einer Aspiration, denn: Während der Narkose ist Ihr Hustenreflex „ausgeschaltet“, wodurch Mageninhalt in die Luftröhre gelangen und eine Lungenentzündung verursachen kann.
- Verzichten Sie zwei Stunden vor Operationsbeginn auf Getränke. Sollten Sie Medikamente einnehmen müssen, nehmen Sie diese mit einem kleinen Schluck Wasser ein.
- Entfernen Sie vor dem Eingriff Make-up, Nagellack, Schmuck und Kontaktlinsen. Auch Hörgeräte, herausnehmbare Zahnprothesen und künstliche Haarteile dürfen nicht mit in den OP-Saal.
- Informieren Sie Ihren Anästhesisten oder Ihre Anästhesistin über aktuelle mögliche Erkrankungen, Infektionen oder Unwohlsein.
- Gehen Sie sicher, dass lockere Zähne vor der Operation von Ihrem Zahnarzt oder Ihrer Zahnärztin geschient, fixiert oder entfernt werden.
- Scheuen Sie sich nicht, eventuelle Ängste anzusprechen. Verschiedene Geräte oder Behandlungsmethoden können einschüchtern – Ihr behandelnder Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin kann Ihnen diese Sorgen nehmen, der beste Ort für diese Sorgen sind die Aufklärungsgespräche zur Vorbereitung für die Operation und die Anästhesie.
Erholungszeit nach einer Vollnarkose
Der folgende Erholungsverlauf ist in erster Linie von der Art des Eingriffs abhängig, nicht von der Vollnarkose. Besprechen Sie daher mit Ihrem Chirurgen oder Ihrer Chirurgin Ihren voraussichtlichen Genesungsweg und holen Sie ärztlichen Rat ein, wenn Ihr Allgemeinzustand diesem nicht entspricht.