Gehirn & Nerven

Die Blut-Hirn-Schranke als wichtige Barriere im Gehirn

Veröffentlicht am:12.05.2023

8 Minuten Lesedauer

Die empfindlichen Zellen des Gehirns müssen vor schädlichen Stoffen aus dem Blut geschützt werden. Diese Aufgabe erfüllt die Blut-Hirn-Schranke, eine Barriere, die von verschiedenen Zellen gebildet wird und reguliert, was vom Blut ins Gehirn gelangen darf und was nicht.

Darstellung von Astrozyten und Blutgefäßen im Gehirn.

© iStock / Dr_Microbe

Schutz des Gehirns durch die Blut-Hirn-Schranke

Das Gehirn steuert Körperprozesse, Bewegungen und Sensibilität, verarbeitet Wahrnehmungen, speichert Informationen und ist Zentrum vieler lebensnotwendiger Funktionen. Damit diese und viele weitere Prozesse reibungslos ablaufen können, benötigt das Gehirn etwa 20 Prozent des Sauerstoffs und der Energie, obwohl es nur etwa 2 Prozent der gesamten Körpermasse ausmacht. Die Versorgung erfolgt über den Blutkreislauf. Da die Nervenzellen des Gehirns sehr empfindlich sind, muss sichergestellt werden, dass Krankheitserreger sowie Schadstoffe aus dem Blut nicht ins Gehirn gelangen. Gleichzeitig brauchen die empfindlichen elektrochemischen und biochemischen Abläufe der Nervenzellen ein stabiles inneres Milieu.

Und genau dafür gibt es die Blut-Hirn-Schranke (BHS). Sie kann das Gehirn sowohl versorgen als auch nach außen abriegeln, indem sie bestimmte Stoffe durchlässt, andere aber am Durchtritt hindert (selektive Durchlässigkeit).

Es gibt im Körper noch weitere Blut-Gewebe-Schranken, die Blut-Hirn-Schranke ist jedoch besonders „streng kontrolliert“. Zu den Stoffen, die über unterschiedliche Mechanismen durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn gelangen können, gehören Sauerstoff, verschiedene Nährstoffe wie Glukose und Aminosäuren, Ionen, kleinere lipophile (fettlösliche) Moleküle und Hormone. Jedoch können auch schädliche Stoffe wie Nikotin und Alkohol die Blut-Hirn-Schranke passieren. Vor diesen bietet die Barriere also keinen Schutz.

Auf der anderen Seite verhindert die Blut-Hirn-Schranke, dass bestimmte Medikamente ins Gehirn gelangen, obwohl das bei gewissen neurologischen und onkologischen Erkrankungen wünschenswert wäre.

Eine Frau fährt in einem Rollstuhl eine Straße entlang.

© iStock / eyecrave productions

Mit der richtigen Behandlung kann die Lebensqualität von Patienten und Patientinnen erhalten und verbessert werden. Bei einer medikamentösen Therapie von Erkrankungen wie Multipler Sklerose spielt die Blut-Hirn-Schranke eine wichtige Rolle.

Wie ist die Blut-Hirn-Schranke aufgebaut?

Die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke (BHS) wird durch verschiedene Zellarten und Schichten gewährleistet. Betrachtet man den Aufbau vom Inneren des Blutgefäßes aus, sind vier Komponenten der Barriere sichtbar:

  • Endothelzellen, also Blutgefäßzellen, kleiden die Blutgefäße von innen aus. Sie haben den größten Anteil an der Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke. Anders als sonst im Körper haben die Endothelzellen dichte Verbindungen (sogenannte Tight Junctions) untereinander und bilden eine starke Barriere. Über verschiedene Transportproteine regulieren sie, welche Ionen, Moleküle und Zellen des Immunsystems in welcher Menge ins Gehirn eindringen dürfen und welche nicht.
  • Basalmembran: Die Basalmembran ist eine dünne Schicht aus Proteinen (unter anderem Kollagen). Sie umschließt die Endothelzellen und unterstützt sie in ihrer Funktion. Sie stellt außerdem eine zusätzliche Barriere für Moleküle und Zellen dar.
  • Perizyten sind in die Endothelzellen eingebettet und kommunizieren mit ihnen. So steuern sie den Blutfluss und können Fremdpartikel und Abfall aus den Zellen aufnehmen und abbauen. Damit sind sie Teil des Immunsystems im Gehirn.
  • Astrozyten (Gliazellen): Astrozyten verbinden die Blutgefäße wie eine Art stützendes Gerüst. Der Austausch von Molekülen, Gasen und Ionen wird durch sie kontrolliert. Über bestimmte Signale können sie außerdem den Blutfluss in den Blutgefäßen regulieren. Benötigt das Gehirn zum Beispiel mehr Sauerstoff, werden die Blutgefäße geweitet, sodass mehr Blut hindurchfließen kann.

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Was passiert, wenn die Blut-Hirn-Schranke gestört ist?

Mit einer intakten Blut-Hirn-Schranke ist das Gehirn gut geschützt. Ist die Funktion der Schranke jedoch gestört, kann das die Durchlässigkeit erhöhen und die Gehirnfunktion beeinträchtigen. Giftstoffe, Krankheitserreger oder schädigende Zellen gelangen so ins Gehirn. Einige Erreger, bestimmte Viren und Bakterien beispielsweise, können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sogar zerstören. Die Folge sind Infektionen wie eine Meningitis, also eine Hirnhautentzündung oder Enzephalitis (Gehirnentzündung). Auch chronischer Alkoholkonsum kann die Barrierefunktion stören. Daneben gibt es verschiedene Krankheiten, die mit einer gestörten Blut-Hirn-Schranke einhergehen, zum Beispiel:

Doc Felix erklärt im Video Aufbau und Funktion des kleinen und großen Blutkreislaufs.

Wie können wichtige Medikamente die Schranke passieren?

Problematisch ist, dass die Blut-Hirn-Schranke das Gehirn so gut abriegelt, dass nur wenige Medikamente hineingelangen.

Bei Erkrankungen des Gehirns stellt genau diese Schutzfunktion Mediziner und Medizinerinnen oft vor große Hürden. Sie erschwert beispielsweise die Therapie von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Hirntumoren und -metastasen. Zwar bewirken verschiedene Krankheiten, wie oben beschrieben, eine Störung der Blut-Hirn-Schranke. Diese erhöhte Durchlässigkeit der BHS lässt sich zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems jedoch kaum nutzen.

Zu der Frage, wie Medikamente besser in das Gehirn gebracht werden können, werden einige neue Therapiemöglichkeiten bereits in klinischen Studien erprobt, beispielsweise:

  • Neuartige Transportsysteme, bei denen Medikamente in Nanopartikel, also kleine Transportkügelchen „verpackt“ werden. Diese können eher durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen und dann direkt im Gehirn Wirkstoffe freisetzen.
  • Verabreichung der Medikamente über die Nasenschleimhaut, in der Fachsprache: intranasal. Der Riech- und der Trigeminusnerv verlaufen von der Nase ins Gehirn und besitzen keine klassische Blut-Hirn-Schranke. So können bestimmte Wirkstoffe über diese „direkten Wege“ schnell ins zentrale Nervensystem gelangen.
  • Vorübergehende Öffnung der Schranke: Forschende arbeiten daran, die Schranke beispielsweise durch Ultraschall mit niedriger Intensität, Laser oder Infusionen gezielt zu öffnen, um sie beispielsweise bei einem Hirntumor für das Krebsmedikament durchlässig zu machen. Dies ist aber noch Zukunftsmusik und muss weiter erforscht werden.
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