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Melatonin-Gummibärchen für Kinder – harmlos oder gefährlich?
Veröffentlicht am:25.07.2025
4 Minuten Lesedauer
Vor allem über die Sozialen Medien verbreitet sich ein ernstzunehmender Trend: Eltern geben ihren Kindern Melatonin, um vermeintliche Schlafstörungen zu behandeln. Expertinnen und Experten warnen jedoch: Für Kinder kann dies zur Gefahr werden.

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Wann hat ein Kind Schlafstörungen?
Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen ihrer Kinder sind vielen Eltern wohl bekannt. Die Gründe dafür sind vielfältig und sehr individuell. Manchmal liegt es nur daran, dass die Kleinen tagsüber vielen neuen Eindrücken ausgesetzt waren, die sie abends im Bett verarbeiten. Doch nicht immer sind die Ursachen harmlos. Auch kleine Kinder können bereits unter emotionalen Belastungen leiden, die den Schlaf negativ beeinflussen. Das können Probleme innerhalb der Familie sein, einschneidende Veränderungen oder Verluste. Schlafprobleme können sowohl für die betroffenen Kinder als auch für die Eltern zu einer großen Herausforderung werden und Leidensdruck verursachen. Deswegen sind Eltern oft verzweifelt auf der Suche nach einer Lösung, die Besserung verspricht. Jedoch ist zu beachten, dass gelegentliche Ein- oder Durchschlafstörungen normal sind und nicht den Krankheitswert einer Schlafstörung haben.
Von einer Einschlafstörung bei Kindern über einem Jahr spricht man, wenn das Einschlafen regelmäßig länger als 30 Minuten dauert und das Kind dabei erhebliche Unterstützung durch die Eltern benötigt – etwa durch langes Herumtragen. Diese Situation muss an mindestens fünf Abenden pro Woche über einen Zeitraum von mindestens einem Monat auftreten.
Von einer Durchschlafstörung bei Kindern ab einem Jahr spricht man, wenn das Kind über einen Zeitraum von mindestens einem Monat in mehr als fünf Nächten pro Woche dreimal oder öfter pro Nacht aufwacht. Dabei ist es im Durchschnitt jeweils länger als 30 Minuten wach und braucht die Hilfe der Eltern, um wieder einzuschlafen.
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Was hat Melatonin mit dem Einschlafen zu tun?
In den sozialen Medien kursieren immer mehr Videos und Beiträge zu einem Mittel, das alle Schlafprobleme innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen scheint: Melatonin. In Form eines Nahrungsergänzungsmittels – häufig sogar als harmlos erscheinendes Gummibärchen – geben die Eltern in besagten Videos ihren Kindern Melatonin als Einschlafhilfe und schon scheint die Schlafstörung überwunden zu sein. Doch sind die Gummibärchen wirklich so unbedenklich?
Melatonin ist ein natürliches, also körpereigenes Hormon, das an der Steuerung des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt ist. Es wird im Gehirn produziert, wenn es dunkel ist. Steigt der Melatoninspiegel an, erhält der Körper das Signal, sich auf den Schlaf vorzubereiten. Verschiedene Faktoren wie zum Beispiel blaues Licht von Bildschirmen können dazu beitragen, dass dieser Mechanismus gestört wird. Dadurch fällt das Einschlafen schwerer und Schlafstörungen können die Folge sein.
Bei bestimmten Erkrankungen kann Melatonin Kindern zu einer verkürzten Einschlafzeit und einer insgesamt längeren Gesamtschlafzeit verhelfen. Dazu gehören etwa das verzögerte Schlafphasensyndrom sowie neuropsychiatrische Erkrankungen wie ADHS, Autismus-Spektrum-Störungen oder neurologische Entwicklungsstörungen. Doch auch hier gilt: Eltern sollten nicht zu Drogerieprodukten wie Melatonin-Gummibärchen greifen, sondern ausschließlich zu Medikamenten, die ärztlich verschrieben wurden. Damit die Medikamente wirken können, sind sowohl die Dosierung als auch der Zeitpunkt der Einnahme entscheidend.
Vorsicht vor Melatonin-Gummibärchen bei Schlafstörungen
Sowohl online als auch in Drogeriemärkten gibt es zahlreiche Produkte, die Melatonin enthalten – sei es als Tabletten, Tropfen, Tee oder – speziell für Kinder – Gummibärchen. Sie alle werben mit dem gleichen Effekt: schnelles Einschlafen, keine Schlafprobleme. Anders als bei Medikamenten zeigen Nahrungsergänzungsmittel oft erhebliche Konzentrationsschwankungen. Die Wirkstoffmengen können also auch erheblich nach oben abweichen.
Bis dato ist noch nicht abschließend geklärt, wie Melatonin bei Säuglingen und kleinen Kindern abgebaut wird. Fest steht, dass die Verstoffwechslung des Hormons während dieser Altersspanne langsamer verläuft. Es ist also möglich, dass Kinder zusätzlich verabreichtes Melatonin nicht schnell genug abbauen können. Die möglichen Folgen sind unklar. In den USA kam es in den letzten Jahren zu mehreren Todesfällen von Kindern im ersten und zweiten Lebensjahr, die zeitlich gesehen mit einem überdurchschnittlich hohen Melatoninspiegel zusammenhängen könnten. Expertinnen und Experten empfehlen deshalb, dass Kinder selbst ärztlich verordnete Arzneimittel, die Melatonin enthalten, nicht länger als sechs bis zwölf Monate einnehmen.
Zu beachten ist, dass Melatonin nicht nur im Hinblick auf die Schlafregulation seine Wirkung entfaltet. Es hat unter anderem Einfluss auf:
- das Immunsystem
- die Wachstumshormonachse
- die Schilddrüse
- die Temperaturregulation
- den Augeninnendruck
- das zentrale Nervensystem
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Statt Melatonin-Gummibärchen: Was hilft Kindern mit Schlafstörungen?
Wenn ein Kind dauerhaft unter Schlafstörungen leidet, hat das in der Regel einen Grund. Steckt eine ernstzunehmende Erkrankung hinter den Problemen, ist eine Diagnose wichtig, damit eine Behandlung erfolgen kann. Eltern sollten daher immer ärztlichen Rat einholen. Nur so lässt sich herausfinden, warum ein Kind schlecht schläft.
Häufig sind auch Faktoren für die Schlafstörungen verantwortlich, die mit einfachen Maßnahmen beseitigt werden können. Schon die Einführung einer gesunden Schlafhygiene wie etwa der Verzicht auf Smartphone- und Medienkonsum kurz vor dem Schlafengehen, reicht oft aus, um die Einschlafprobleme zu lösen. Auch das bewusste Ansprechen und Ausräumen von möglichem Stress, beispielsweise in der Schule, Ängsten oder Sorgen kann dazu beitragen, die Schlafqualität des Kindes zu verbessern.
Weitere Tipps, die für einen besseren Schlaf sorgen können:
- Achten Sie darauf, dass Ihr Kind täglich genügend Bewegung an der frischen Luft hat.
- Geben Sie Ihrem Kind feste Strukturen im Tagesablauf wie regelmäßige Zeiten fürs Abendessen und Zubettgehen.
- Beobachten Sie, wann Ihr Kind müde ist. Eventuell braucht es eine frühere oder spätere Zubettgehzeit, um besser einschlafen zu können.
Durch eine gemeinsame Abendroutine helfen Sie Ihrem Kind, besser in den Schlaf zu finden: Lesen Sie (zusammen) eine Geschichte, singen Sie ein Lied oder besprechen Sie, was Sie und Ihr Kind am vergangenen Tag erlebt haben oder worauf Sie beide sich am nächsten Tag freuen. Ein Kuscheltier gibt dem Kind Nähe und erleichtert die nächtliche Trennung von Mama oder Papa.