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Hodentorsion: So wichtig ist eine schnelle Behandlung

Veröffentlicht am:16.09.2021

4 Minuten Lesedauer

Wenn sich der Hoden am Samenstrang verdreht und damit die Blutzirkulation unterbricht, spricht man von einer Hodentorsion. Damit die Verdrehung keine langfristigen Folgen hat, ist eine schnelle Behandlung unbedingt notwendig.

Mann mit Hodentorsion verzieht das Gesicht vor Schmerzen.

© iStock / kali9

Dr. med. Atiqullah Aziz
PD Dr. med. Atiqullah Aziz, Chefarzt der Urologie an der München-Klinik Bogenhausen

© München Klinik Bogenhausen

Nach Tätigkeiten in den Universitätskliniken Regensburg, Hamburg-Eppendorf und Rostock ist PD Dr. med. Atiqullah Aziz seit 2019 Chefarzt der Urologie an der München-Klinik Bogenhausen, einem der größten kommunalen Häuser in Deutschland. Im Interview erklärt er, wie es zu einer Hodentorsion kommt, welche Symptome sich zeigen und wie sie behandelt werden kann.

Was versteht man unter einer Hodentorsion und was genau passiert dabei?

Hodentorsion nennt man die plötzliche Verdrehung des Hodens um seine Achse. Durch die Verdrehung wird die Gefäßversorgung des Hodens abgeschnürt. Findet keine Behandlung statt, kommt es aufgrund des Sauerstoffmangels zu einem irreversiblen Schaden des Hodengewebes. Dieser Schaden kann bis zur Bildung eines inaktiven Schrumpfhodens beziehungsweise zum Absterben des Hodengewebes führen. Die Hodentorsion stellt daher immer einen Notfall dar.

„Dieser Schaden kann bis zur Bildung eines inaktiven Schrumpfhodens beziehungsweise zum Absterben des Hodengewebes führen.“

PD Dr. med. Atiqullah Aziz
Chefarzt der Urologie an der München-Klinik Bogenhausen

Welche verschiedenen Arten der Hodentorsion gibt es?

Die Hodentorsion kann komplett, also in Form einer 360-Grad-Verdrehung, oder inkomplett sein. Bei einer kompletten Torsion bleibt die arterielle Zufuhr mit dem Sauerstoff sofort und vollständig aus. Bei einer Teilverdrehung ist zunächst nur der venöse Abfluss gestört. Die Schwellung durch die venöse Stauung verursacht hier erst im Verlauf den Verschluss der Arterien. Das verbessert die Prognose bei einer eventuell verzögerten Behandlung.

Rund ein Drittel aller Patienten erfährt eine wiederkehrende inkomplette Torsion. Die Symptome sind hier meist nur flüchtig, da sich der Hoden spontan zurückdreht, bevor es zur kompletten Torsion kommt.

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Was sind die Ursachen für eine Hodentorsion?

Die Hodentorsion wird durch eine erhöhte und anormale Beweglichkeit des Hodens innerhalb seiner Hülle begünstigt. Die Verdrehung selbst kann jedoch schon durch eine geringfügige Verletzung beziehungsweise Einwirkung von außen oder Kontraktionen (das sich zusammenziehen eines Muskels) verursacht werden, die zur Drehung und Hebung des Hodens führen. Die tatsächlich auslösenden Ursachen sind meistens nicht nachvollziehbar – auch aus der Ruhe, ohne direkten Auslöser, kann eine Torsion auftreten.

„Die tatsächlich auslösenden Ursachen sind meistens nicht nachvollziehbar – auch aus der Ruhe, ohne direkten Auslöser, kann eine Torsion auftreten.“

PD Dr. med. Atiqullah Aziz
Chefarzt der Urologie an der München-Klinik Bogenhausen

Wer ist besonders häufig betroffen?

Unter dem 20. Lebensjahr ist die Hodentorsion am weitesten verbreitet: Hier liegt das Risiko bei eins zu 4000. Besonders gehäuft zeigt sie sich vor dem zweiten Lebensjahr sowie zwischen zwölf und 20 Jahren. Bei neu auftretenden Schmerzen des Hodensacks ist jedoch immer zuerst eine Hodentorsion auszuschließen – auch im Erwachsenenalter. Es gibt natürlich auch Risikogruppen, wie zum Beispiel Männer mit hochstehenden Hoden.

Welche Symptome treten bei einer Hodentorsion auf?

Typischerweise klagen Patienten über plötzliche, sehr heftige Schmerzen in einer Hälfte des Hodensacks. Diese Schmerzen können auch in die Leiste oder den Unterbauch ausstrahlen. Oft kommt es zudem zu Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbrüchen. Optisch ist eine Hodentorsion nicht immer sofort erkennbar. Eine Schwellung oder Rötung des betroffenen Hodens zeigt sich erst im Verlauf. Im Vergleich zur Gegenseite steht der betroffene Hoden allerdings eher höher und ist weniger mobil.

Ärzte machen sich bereit, Hodentorsion zu behandeln.

© iStock / Hiraman

Eine Hodentorsion gilt als Notfall und sollte sofort operativ behandelt werden, sonst kann ein irreversibler Schaden wie eine Dysfunktion des Hodens entstehen.

Wie wichtig ist eine schnelle Behandlung?

Aufgrund der Gefahr des Hodenverlustes durch den Sauerstoffmangel gilt die Hodentorsion als Notfall. Die operative Behandlung sollte immer unverzüglich erfolgen, denn ein irreversibler, nicht rückgängig zu machender Schaden kann je nach Grad der Drehung bereits nach sechs bis acht Stunden auftreten. Verzögert sich eine Therapie oder bleibt sogar ganz aus, ist mit einer Dysfunktion des Hodens bis hin zum inaktiven Schrumpfhoden zu rechnen. Bei rund der Hälfte der Patienten tragen die Spermien langfristige Schäden davon, die Schwierigkeiten beim Kinderwunsch bedeuten können. In seltenen Fällen kann auch die hormonelle Produktion von Testosteron beeinträchtigt sein.

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Wie gestaltet sich die Untersuchung?

In der akuten Schmerzphase ist jegliche Manipulation des Skrotums (Hodensack) höchst schmerzhaft, was die Untersuchung erheblich erschwert. Falls möglich, kann das sogenannte Prehn-Zeichen geprüft werden. Hierbei zeigt sich bei Anheben des Hodens keine Besserung der Symptomatik – im Gegensatz zu einer Nebenhodenentzündung. Typischerweise ist das Auslösen des „Kremasterreflexes“, bei dem sich der Hoden nach einer Berührung der Oberschenkel-Innenseite hebt, nicht möglich. Mittels Ultraschalluntersuchung kann die Hodendurchblutung beurteilt und der klinische Verdacht oft bestätigt werden.

Wie wird eine Hodenverdrehung behandelt?

Wie gesagt, erfordert die Hodentorsion schnelles Handeln. Im Normalfall wird durch einen Schnitt im Hodensack, in Ausnahmefällen auch in der Leiste, der Hoden freigelegt. Bestätigt sich der Verdacht, erfolgt eine Rückdrehung und Fixierung des betroffenen Hodens. Außerdem wird vorbeugend auch der andere Hoden fixiert.

Eine nicht invasive Therapie, also eine rein äußerliche, bei der eine manuelle Drehung bei wachem Patienten durchgeführt wird, ist nur durch erfahrene Hände akzeptabel – und auch nur dann, wenn eine Verzögerung des Eingriffs unvermeidlich ist. Oft ist das jedoch nicht ausreichend. Sonst ist keine medikamentöse oder konservative Therapie sinnvoll.

Wie verlaufen Diagnose und Behandlung bei Kindern?

Die Symptomatik und Therapie bleiben grundsätzlich die gleichen wie bei den Erwachsenen. Bei sehr kleinen Kindern und Neugeborenen ist das klinische Bild jedoch durch die fehlende Kommunikation und oft veränderte Anatomie erschwert zu erkennen, was die Therapie verzögert und die Prognose verschlechtert.

Kann man einer Hodentorsion vorbeugen?

Eine richtige Vorbeugung ist leider nicht möglich. Die wichtigste Maßnahme ist das sofortige Aufsuchen einer urologischen Notfallambulanz zur weiteren Diagnostik und bei entsprechendem Verdacht die umgehende operative Versorgung des Hodens.

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