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Gesundheitsmagazin

Immunsystem

Grippeschutzimpfung zu Coronazeiten besonders wichtig

Veröffentlicht am:19.11.2020

6 Minuten Lesedauer

Schützt die Grippeimpfung auch vor Corona? Ist es möglich, beiden Viren gleichzeitig in sich zu tragen? Und soll ich mich überhaupt impfen lassen? Wir haben den Virologen Professor Thomas Mertens zur Immunisierung, Impfmüdigkeit und Risikogruppen befragt.

Eine Frau erhält eine Grippeimpfung.

© iStock / zoranm

Professor Mertens, warum sollten sich dieses Jahr insbesondere die Risikogruppen impfen lassen?

Die Impfbereitschaft hat in den vergangenen zehn Jahren bei der Risikogruppe der Jahrgänge über 60 leider immer weiter abgenommen. Das bereitet den Mitgliedern der STIKO im Moment große Sorge. Denn gerade in diesem Jahr ist eine möglichst komplette Durchimpfung der Risikopopulation, die ja für Grippe und COVID-19 praktisch identisch ist, wichtig – wir möchten nicht, dass alle sich impfen lassen, sondern dass der Impfstoff den Risikogruppen zur Verfügung steht.
 

Die Grippeimpfung schützt aber nicht vor dem Coronavirus …

Nein, natürlich nicht. Aber der Influenza-Schutz kann verhindern, dass gegen Ende des Jahres zeitgleiche Wellen der saisonalen Grippe und dem neuartigen Coronavirus entstehen. Zwei zeitgleiche Erkrankungen, das gilt es unbedingt zu vermeiden.

Kann man denn Grippe und COVID-19 zeitgleich bekommen?

Ja, das ist durchaus möglich.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Impfung?

Generell ab Oktober ist eine Impfung zu empfehlen, aber auch jetzt noch im November und Dezember ist ein guter Zeitpunkt für die Impfung. Es braucht ja mindestens 14 Tage, bis der Impfstoff seine volle Wirkung erreicht und der Geimpfte die maximale Menge an Antikörpern in sich trägt. Die Grippesaison beginnt in Deutschland üblicherweise um den Jahreswechselherum, mit Höhepunkt im Januar, Februar.

Und wenn so schnell kein Impf-Termin zu bekommen ist?

Termine sind in der Regel kurzfristig verfügbar. Falls dies nicht der Fall sein sollte, kann die Impfung jederzeit nachgeholt werden. 

Lassen Sie sich jedes Jahr impfen?

Ja, ich impfe mich alljährlich selbst, und auch meine Frau wird von mir geimpft. Wir sind ja beide in der Altersgruppe, für die das nach den Empfehlungen der STIKO vorgesehen ist.

Man hört gelegentlich von Menschen, die trotz Impfung eine Grippe bekommen. Wie kann das sein?

Das ist möglich. Die Impfung bietet keine absolute Sicherheit. Es ist ein relativer Schutz, der von Saison zu Saison schwankt, man geht von rund 50 Prozent aus. Wahrscheinlich haben diese Menschen aber einen viel leichteren Verlauf, denn durch die Impfung hatten sie ja Antikörper, auch wenn diese nicht hundertprozentig auf das damals kursierende Virus gepasst haben.

Wenn jemand erkrankt, wie lange sollte man den Kontakt zu dem Betroffenen meiden?

Theoretisch ist es am besten, wenn man eine Woche lang Abstand hält. Allerdings nimmt die Ansteckungsgefahr rasch ab, sodass vor allem die ersten drei, vier Tage relevant sind.

Es kursiert, dass man nach der Impfung auch mal mit Nebenwirkungen rechnen muss …

Das hält sich sehr in Grenzen. Die Einstichstelle schmerzt hiernach vielleicht etwas, und es kann sich eine Hautrötung auf dem Arm bilden, höchstens so groß wie ein Zweieurostück. Es kann auch sein, dass jemand etwas erhöhte Temperatur bekommt und ein allgemeines Krankheitsgefühl verspürt. Nach ein, zwei Tagen ist man aber wieder fit.

Apropos fit: Was ist Sportlern zu raten, dürfen die direkt nach der Impfung trainieren?

Hochleistungssport sollte man dann eher nicht betreiben. Aber in dem Grippeimpfstoff steckt ja nichts Vermehrungsfähiges, im Gegensatz zu Lebend-Impfstoffen. Vielleicht lässt man es zwei, drei Tage lang moderater angehen, aber ansonsten sehe ich keinen Grund, warum man nicht das tun sollte, wonach man sich fühlt.

Auch nicht, wenn man eine chronische Grunderkrankung hat? Kann sich die Grippeimpfung dann nicht nachteilig auswirken?

In Bezug auf die Studienlage hat sich kein Zusammenhang gezeigt. Man sollte es eher anders herum betrachten, denn mit Vorerkrankung und entsprechender Therapie ergibt sich ja eher die Gefahr, einen schwereren Grippeverlauf zu erleben.

Aber es gab in der Vergangenheit auch Fälle von Impfschäden …

Bei der Vorbeugung gegen die Schweinegrippe im Jahr 2009 gab es in bestimmten Ländern tatsächlich eine seltene Nebenwirkung, es traten Fälle von Narkolepsie auf. Eine Rolle hat damals ein bestimmtes Adjuvans gespielt, das ist ein Hilfsstoff, der zur Verstärkung der Immunantwort des Körpers auf die Impfung eingesetzt wurde. Zur Beruhigung kann man aber sagen: Das hat mit den Impfstoffen, die bei uns in Deutschland in dieser Saison anstehen, nichts zu tun.

Wenn man keinen Impfschutz hat: Ist dann in der Grippezeit beim Einkaufen oder im öffentlichen Nahverkehr das Tragen einer Atemschutzmaske ratsam?

Ja, Metaanalysen zeigen, dass Masken hilfreich sind. Zusammen mit einer Distanzierung wird das sehr helfen, die Infektionsketten auch bei Influenza zu kontrollieren. Das kann man an den Infektionszahlen des Frühjahrs 2020 gut sehen. Durch die Einführung der Maßnahmen gegen SARS-CoV-2 ist auch sofort die Rate der Influenza-Infektionen dramatisch zurückgegangen. Das ist vor allem wichtig für die Risikogruppen.

Kinder und Jugendliche gehören ja nicht zu einer Risikogruppe, brauchen sie deshalb keine Impfung?

Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung ist bei Kindern und jungen Erwachsenen geringer. Es schadet natürlich nicht, sie trotzdem zu impfen. Es werden jedoch um die 25 Millionen Impfstoffdosen zur Verfügung stehen. Und diese sind in erster Linie für all jene vorgesehen, die das Risiko eines schweren Grippeverlaufs tragen.

Wer bestimmt denn, wie viele Impfstoffdosen unser Land bekommt?

Gute Frage. Das entscheiden die Hersteller, die vergeben weltweit Kontingente. Die WHO gibt die Zusammensetzung der Impfstoffe für alle Hersteller vor, und in einem bestimmten Zeitraum werden die Impfstoffe produziert. Danach kann aus produktionstechnischen Gründen nicht mehr beliebig nachproduziert werden. Es fließt dort auch mit ein, wie viele Menschen im Vorjahr geimpft worden sind, also wie hoch der Bedarf war. In diesem Jahr hat die STIKO sehr frühzeitig betont, dass eine gute Durchimpfung bei den Risikogruppen sehr wichtig ist. Nun stehen rund ein Drittel mehr Impfdosen bereit.

Grippaler Infekt oder Influenza?

Als „echte Grippe“ wird eine Infektion mit dem Influenza-Virus bezeichnet. Typisch ist ein plötzlicher Erkrankungsbeginn mit Fieber, Husten oder Halsschmerzen, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. Weitere Symptome können Schnupfen, Erbrechen und Durchfall oder Abgeschlagenheit sein. Ein „grippaler Infekt“ hingegen ist in der Regel keine Influenza, sondern eine eher harmlose Erkältungskrankheit mit milderer Symptomatik.

Grippeschutz für Risikogruppen

Chronisch Kranke Menschen über 60 Jahre
Darum ist die Grippeschutzimpfung so wichtigInsbesondere für Erwachsene und Kinder mit chronischen Grunderkrankungen ist es wichtig, sich durch eine Grippeimpfung zu schützen. Denn sie haben ein besonders hohes Risiko für schwere oder sogar lebensbedrohliche Verläufe einer Grippeerkrankung. Das gilt sowohl für junge als auch für ältere Menschen – vor allem dann, wenn die vorliegende Krankheit die Atmung, das Herz oder das Immunsystem beeinträchtigt. Die Grippeimpfung für chronisch Kranke beugt dem vor.Mit zunehmendem Alter verliert das Immunsystem an Leistungskraft. Durch Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden kann das Abwehrsystem eines älteren Menschen Grippeerreger häufig nicht so gut bekämpfen. Dadurch kann die saisonale Grippe (Influenza) schwerer verlaufen oder länger anhalten. Auch lebensbedrohliche Komplikationen wie eine Lungen- oder Herzmuskelentzündung treten häufiger auf. Gerade aus diesen Gründen ist die Grippe-impfung für Menschen ab 60 so wichtig.
Empfehlungen der STIKO Insbesondere für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit folgenden Grunderkrankungen: chronische Krankheiten der Atmungsorgane (inkl. Asthma und Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)), Herz- oder Kreislaufkrankheiten, Leber- oder Nierenkrankheiten, Stoffwechselkrankheiten wie z. B. Diabeteschronische neurologische Krankheiten, wie z. B. Multiple Sklerose, angeborene oder erworbene Immundefekte, HIV-InfektionDa sich Grippeviren ständig verändern, werden die Impfstoffe jedes Jahr entsprechend angepasst. Das Abwehrsystem benötigt etwa zwei Wochen, um nach der Impfung einen Immunschutz aufzubauen. Gleichzeitig mit der Impfung gegen Grippe sollte bei ab 60-Jährigen auch der Impfschutz gegen Pneumokokken überprüft werden: Sie sind häufig Erreger von bakteriell verursachten Lungenentzündungen.

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