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Ursache und Symptome des Rett-Syndroms

Veröffentlicht am:13.09.2023

4 Minuten Lesedauer

Das Rett-Syndrom ist eine sehr seltene Entwicklungsstörung, die fast nur Mädchen betrifft. Die ersten Anzeichen treten etwa zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat auf. Ursache ist ein erblicher Defekt.

Ein kleines Mädchen sitzt auf einem Sessel und hält bunte Blöcke in den Händen.

© iStock / dvulikaia

Was ist das Rett-Syndrom?

Das Rett-Syndrom (RTT) beschreibt eine Entwicklungsstörung, die durch die Mutation des Gens MECP2 (Methyl CpG bindendes Protein 2) auf dem X-Chromosom hervorgerufen wird. Dieses Protein spielt eine große Rolle bei der Reifung von Nervenzellen und ihrer Vernetzung. Der Kinder- und Jugendpsychiater Andreas Rett aus Wien beschrieb das nach ihm benannte Syndrom im Jahr 1966 zum ersten Mal.

Von der genetischen Mutation sind mit einer Häufigkeit von 1 zu 10.000 Mädchen betroffen. Laut aktuellem Forschungsstand kann die Entwicklungsstörung auch bei Jungen (male rett, engl. männliches Rett-Syndrom) vorkommen. Die Symptome zeigen sich bei ihnen unterschiedlich und schwerwiegender als bei Mädchen. Für Mädchen, die an diesem genetischen Defekt erkrankt sind, liegt die Lebenserwartung in der Regel bei mehr als 40 Jahren.

Für Eltern und Kinder kann die Erkrankung sehr belastend sein, da sich die Symptome meist stark auf den Alltag auswirken. Eine vollständige Heilung ist nach aktuellem Forschungsstand leider nicht möglich.

So verläuft das Rett-Syndrom bei Mädchen

Der typische Verlauf des Rett-Syndroms wird in vier Stadien unterteilt:

  1. Zwischen dem 6. und 18. Monat treten erstmals Anzeichen eines Entwicklungsstopps auf.
  2. Zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr verlernen betroffene Kinder entweder teilweise oder vollständig die bereits erworbenen motorischen und sprachlichen Fähigkeiten.
  3. Gehen kommunikative Fähigkeiten verloren, kann es sein, dass sich die Kinder verschließen und emotional für die Eltern schwieriger erreichbar sind.
  4. Ab dem fünften Jahr stabilisiert sich der Zustand, Kinder machen erneut kleinere Entwicklungsfortschritte und sie öffnen sich emotional wieder mehr. Die Handfunktionen bleiben allerdings gestört und die psychische Entwicklung hinter der gleichaltriger Kinder zurück. Kinder mit der sogenannten Zapella-Variante erlernen das Sprechen von einzelnen Wörtern und Sätzen mitunter wieder neu.
  5. In späteren Lebensjahren kann es zu einer Verschlechterung der motorischen Fähigkeiten, zu Lähmungen und Verkrampfungen der Muskulatur und zusätzlichen Erkrankungen wie Epilepsie oder Skoliose kommen.

Rett-Syndrom: Diese Varianten gibt es bei Mädchen

Fachleute unterscheiden drei Varianten des Rett-Syndroms bei Mädchen.

  • Variante mit erhaltener Sprache (Zapella-Variante): Hierbei kommt es zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr zu Entwicklungsrückschritten. Die Handfunktionen bleiben erhalten und Betroffene können ab dem fünften Lebensjahr erneut Sätze und Wörter erlernen. Diese Variante verläuft mit leichteren Symptomen.
  • Variante mit Anfällen im frühen Kindesalter (Hanefeld-Variante): Sie ist gekennzeichnet durch das frühe und besonders häufige Auftreten epileptischer Anfälle. Fachleute sprechen von einer Epileptischen Enzephalopathie, die durch eine Mutation des Gens CDKL5 hervorgerufen wird – das Gen MECP2 zeigt hingegen keinen Defekt. 
  • Angeborenes Rett-Syndrom (Rolando-Variante): Betroffene Mädchen sind bereits ab der Geburt in ihrer Entwicklung gestört und erlernen nie das Gehen.

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Diese Symptome können beim Rett-Syndrom auftreten

Neugeborene mit einem Rett-Syndrom entwickeln sich in den ersten Lebensmonaten zunächst normal. Als erste Anzeichen für die Erkrankung beschreiben Eltern oft eine langsamere motorische Entwicklung und ein hohes Schlafbedürfnis des Babys. Zwischen dem 6. und dem 18. Lebensmonat stagniert die Entwicklung merklich. Die betroffenen Mädchen verlieren das Interesse an ihrer Umgebung und nehmen weniger Kontakt zu den Eltern auf.

Diese ersten Symptome können der Erkrankung häufig erst im Nachhinein zugeordnet werden, da sie sehr unspezifisch sind. Bei Mädchen mit Rett-Syndrom kommt es zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr zu folgenden Symptomen:

  • Verlust erworbener Handfunktionen, vollständig oder teilweise
  • Verlust der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit
  • Gangstörungen und -auffälligkeiten oder vollständiger Verlust der Fähigkeit zu Gehen
  • motorische Störung, die sich in ungeschicktem Verhalten und unsicheren Bewegungen ausdrückt (Dyspraxie)
  • wiederholende Bewegungen der Hand ohne Ziel wie Wringen, Tippen, Reiben (stereotype Handbewegungen)

Zusätzlich sind weitere Symptome möglich:

  • zu schnelle und zu tiefe Atmung (Hyperventilation)
  • Zähneknirschen (Bruxismus)
  • Schlafstörungen
  • kleine und kalte Hände und Füße
  • verminderter Tonus (Hypotonie) der Muskulatur
  • Entwicklung einer Wirbelsäulenverformung (Skoliose)
  • verminderte Schmerzempfindlichkeit und Epilepsie
  • Lach- und Schreianfälle

Welche Symptome auftreten und in welchem Schweregrad, ist individuell verschieden.

Bei Jungen sind klassische Symptome wie stereotype Handbewegungen weniger stark ausgeprägt, sie leiden eher an schweren Infektionen der Lunge und des Innenohrs sowie an Epilepsie.

Ein Mädchen im Grundschulalter sitzt im Rollstuhl – sie klatscht sich mit ihrer Mutter ab, die vor ihr hockt.

© iStock / South_agency

Mit zunehmendem Alter leiden Kinder mit dem Rett-Syndrom auch unter spastischen Lähmungen.

Die Unterstützungsangebote der AOK für pflegende Angehörige

Mit dem Rett-Syndrom leben: Unterstützungsangebote für Kinder und Eltern

Das Rett-Syndrom ist eine schwere Behinderung und betroffene Kinder sind ihr Leben lang auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Es gibt noch keine Behandlungsmöglichkeit, mit der sich die ursächliche Genmutation heilen ließe.

Deshalb liegt der Fokus in der Therapie darauf, die Symptome und Begleiterkrankungen zu lindern. So werden Epilepsie und Skoliose etwa medikamentös behandelt. Ergo- und Musiktherapie, Logopädie und Physiotherapie unterstützen bei der motorischen und sprachlichen Entwicklung beziehungsweise dem Erhalt der Fähigkeiten. Das verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.

Es gibt visuelle Möglichkeiten für Betroffene, um sich mit ihrer Umwelt zu verständigen wie Wort- und Bilderkarten oder Softwares und Apps für Tablets und PCs. Das schafft ein Gefühl von Mitbestimmung, verbessert die Kommunikation und hilft dabei, Missverständnissen und Frustration vorzubeugen.

Unterstützung benötigt auch die Familie des Patienten oder der Patientin. Ein Kind oder Geschwisterkind mit einer Behinderung zu haben, kann psychisch belastend sein. Der Verein Rett Deutschland e.V. vernetzt betroffene Eltern und bietet Beratung und psychologische Betreuung an.

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