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Lesekompetenz von Kindern stärken: Freude am Kopfkino wecken

Veröffentlicht am:18.10.2021

3 Minuten Lesedauer

Bei der Lesefähigkeit bestehen in Deutschland große Unterschiede. Das hat auch Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz. Welche Defizite existieren und wie sie sich beheben lassen, erklärt der Autor und Psychotherapeut Michael Kortländer von der LegaKids-Stiftung.

Schüler sitzen in der Klasse und heben die Hand, um dem Lehrer zu antworten.

© iStock / BraunS

Michael Kortländer, Psychotherapeut, Autor sowie Gründer und Geschäftsführer der LegaKids-Stiftung.

© LegaKids

Michael Kortländer ist Psychotherapeut, Autor sowie Gründer und Geschäftsführer der LegaKids-Stiftung. Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder, Eltern und Lehrkräfte bei Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, Legasthenie, Leseschwäche und Rechenschwäche zu stärken und zu unterstützen.

Wie ist es um die Lesefähigkeit in Deutschland bestellt?

Herr Kortländer: Die PISA-Studie hat gezeigt, dass die Lesekompetenz von Kindern insgesamt leicht gestiegen ist. Doch die Unterschiede sind groß: bei den sogenannten mittleren und vor allem bei den guten Lesern hat sie sich verbessert, während die schlechten Leser leider noch schlechter geworden sind.

Auch die Lesehäufigkeit geht bei guten Lesern leicht nach oben, bei schlechten Lesern nimmt sie dagegen stark ab. Lesekompetenz ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie etwa dem Vorlesen zu Hause.

Was bedeutet Lesekompetenz?

Das Programme for International Student Assessment (PISA) definiert Lesekompetenz als die „Fähigkeit, Texte zu verstehen, zu nutzen, zu bewerten und über sie zu reflektieren sowie bereit zu sein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, eigenes Wissen und Potenzial zu entwickeln und an der Gesellschaft teilzuhaben.“

Vorlesen aus Büchern, wie etwa beim Vorlesetag im November, ist essenziell?

Ja. Die Eltern oder andere Personen als freudige Leser zu erleben, gemeinsam eine kuschelige Zeit mit Büchern zu verbringen, das motiviert Kinder zum Selberlesen. Durch das Vorlesen entsteht bei den Kindern ein Film im Kopf. Diese Freude am Kopfkino sollten Erwachsene bei Kindern wecken. Hier gibt es jedoch eine Bildungsschere: Je geringer das Bildungsniveau, desto weniger wird zu Hause vorgelesen.

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Was hat Lesekompetenz mit Gesundheitskompetenz zu tun?

Das eigene und das gesellschaftliche Leben mitbestimmen zu können, hängt in hohem Maße von der Lesefähigkeit ab. Das gilt auch für Fragen der Ernährung, der Gesundheitsvorsorge oder der Hygiene. Es geht hier etwa um das Studieren von Kochrezepten, Gesundheitstipps und Beipackzetteln. Gerade jetzt in der Pandemie ist es wichtig, sich gut zu informieren. Sich auf allein auf (ungeprüfte) Online-Videos verlassen zu müssen, kann zu sonderbaren Einschätzungen führen.

„Lesekompetenz ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie etwa dem Vorlesen zu Hause.“

Michael Kortländer
LegaKids-Stiftung

Lese- und Rechtschreibschwäche bei Kindern

Wie groß ist das Ausmaß von Lese- und Rechtschreibschwäche bei Kindern in Deutschland?

Jedes fünfte Kind verlässt die Schule, ohne ausreichende Lese- und Schreibkompetenzen. Aus medizinischer Sicht wird bei etwa vier Prozent der Kinder eine Lese-Rechtschreibstörung angenommen. Die medizinische Diagnostik macht allerdings an einer beliebigen Stelle einen Schnitt zwischen Kindern mit und ohne eine sogenannte Störung. Schulen und Lehrer fühlen sich dann oft nicht mehr zuständig, weil sie sagen, für Kinder mit Störung seien sie nicht ausgebildet.

Bei einem diagnostizierten Handicap sinkt zudem die Bereitschaft der Eltern, sich bei der Leseforderung des Kindes zu engagieren. Dabei konnte viel für die Betroffenen getan werden. Doch stattdessen verlieren die Kinder früh den Anschluss, sind gedemütigt, frustriert und leiden unter starken Selbstzweifeln.

Ein Vater liest seiner Tochter ein Buch vor.

© iStock / Fly View Productions

Beim Vorlesen entsteht bei Kindern ein Kopfkino – das fördert die Lesekompetenz.

Wie kann Kindern mit einer Leseschwäche konkret geholfen werden?

Es geht zum einen um den Abbau von Vorurteilen. Betroffene Kinder sind weder faul noch dumm. Sie dürfen auch nicht als Legastheniker stigmatisiert werden, deren Schicksal es sei, niemals lesen zu können. Verbesserungen der schriftsprachlichen Kompetenz sind bei allen Mädchen und Jungen möglich.

Zudem gilt es, die äußeren Ursachen anzupacken: Gleichschrittiges Lernen, unpassende Unterrichtsmethoden, bildungsferne Elternhäuser und nicht angemessen ausgebildete Lehrkräfte sind wesentliche Faktoren. In den Schulen müssen Fördermöglichkeiten für die Kinder geschaffen werden. Zudem brauchen die Eltern Unterstützung von außen, etwa durch die Schule, wenn Kinder nicht mit dem erwarteten Tempo und der erhofften Qualität lesen lernen.

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