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Eltern

Was 15 Minuten Vorlesen für mein Kind bedeuten

Veröffentlicht am:14.08.2020

5 Minuten Lesedauer

Kleine Bücherwürmer tauchen vor dem Schlafengehen regelmäßig in andere Welten ab – und sammeln dabei vor allem eins: Lebenserfahrung

Vater liegt neben seinem Sohn, gemeinsam wird ein Buch angeschaut.

© iStock / Halfpoint

Etwa jedem dritten Kind in Deutschland wird selten oder gar nicht vorgelesen, wie die Vorlese-Studie 2019 der Stiftung Lesen zeigt. Dabei haben Kinder, die mit Büchern aufwachsen, nicht nur bessere Schulnoten, sondern auch einen ausgeprägteren Gerechtigkeits- und Gemeinschaftssinn als Kinder aus Familien, in denen Lesen keine große Rolle spielt (Vorlesestudie 2015). Wir haben Professor Dr. Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, gefragt, warum Vorlesen unsere Kinder zu besseren Menschen macht.

Frau Prof. Dr. Ehmig, inwiefern fördert Vorlesen die sozialen Kompetenzen?

Dabei sind vor allem zwei Dinge wichtig: Zum  einen  ist das  Vorlesen  keine Einbahnstraße – sondern soziales Handeln. Es findet ein Austausch statt, in dem auch Dinge besprochen werden, die am Tag passiert sind. Erlebtes wird gemeinsam reflektiert und verarbeitet.

Zum anderen ist da die vorgelesene Geschichte selbst: Die Figuren sind teilweise mit Situationen konfrontiert, die das Kind selbst noch nicht erlebt hat. Dazu zählen neben Abenteuern auch schwierige Erfahrungen wie Konflikte, Schicksalsschläge und Erkrankungen.

Durch das Miterleben in den Geschichten erwerben Kinder ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten, das ihnen im Alltag hilft, Menschen besser zu verstehen und mit ungewohnten oder schwierigen Situationen umzugehen und dementsprechend zu reagieren. Unsere Studien belegen: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, sind besonders empathisch und fürsorglich.

Aber Kinder können doch auch von einem Film-Helden lernen?

Das können sie auf jeden Fall, aber Filme funktionieren anders als Geschichten, die man vorgelesen bekommt. Filme oder Serien geben Kindern bereits eine Welt vor, die sie wahrnehmen und natürlich auch emotional miterleben. In die vorgelesene Geschichte tauchen sie aber tiefer ein, auch weil sie sich die Figuren und Handlungen individuell vorstellen und weiterdenken.

Beide – Bewegtbild und Bücher – müssen ihre Daseinsberechtigung haben. Doch Eltern sollten bedenken, dass Videos das Vorlesen nicht ersetzen können, weil Vorlesen die Entwicklung von Kindern so intensiv und auf so vielen Ebenen fördert wie kaum ein anderer Impuls.

Und wie ist das mit erzählten Geschichten?

Sie sind ein wichtiger Impuls und kommen dem Vorlesen sehr nah. Beim Vorlesen ist noch das Buch im Spiel, das man gemeinsam betrachtet, in dem es Bilder gibt usw. Kinder lernen unmerklich, wie man mit Lesemedien umgeht und dass das eine Menge Spaß macht.

Vorlesen und Erzählen vermitteln Zugang zur Sprache – im Buch auch über Buchstaben und Wörter, die Kinder entdecken Reime, Wortspiele, der Austausch mit den Eltern – das alles weckt die Lust auf mehr.

„Eltern sollten bedenken, dass Videos das Vorlesen nicht ersetzen können, weil Vorlesen die Entwicklung von Kindern so intensiv und auf so vielen Ebenen fördert wie kaum ein anderer Impuls.“

Professor Dr. Simone C. Ehmig
Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, um mit dem Vorlesen zu beginnen?

Ein „zu früh“ gibt es in Bezug auf Bücher und Vorlesen nicht! Eltern können ihr Kind von Anfang an mit Büchern vertraut machen. Wichtig sind die sprachlichen Impulse und die Nähe zwischen Eltern und Kindern.

Ganz am Anfang sind dazu Fühlbücher gut, später Bilderbücher ohne Text, dann die klassischen Vorlesetexte und auch Wimmelbücher, die für die meisten Kinder besonders spannend sind. Geschichten können und sollten Eltern bereits vorlesen und erzählen, bevor das Kind selbst spricht oder offensichtlich versteht. Denn Kinder begreifen viel mehr, als wir denken.

Und wie finde ich die richtige Lektüre für mein Kind?

Am besten, indem Sie darauf achten, welche Themen Ihr Kind faszinieren, woran es Spaß hat und wonach es fragt. Auf dieser Basis kann man schon viele thematisch passende Kinderbücher und Geschichten finden. 

Doch nicht alle Eltern trauen sich das zu. Dann kann man sich in öffentlichen Bibliotheken Rat holen oder auf Empfehlungen achten, die wir zum Beispiel auf stiftunglesen.de geben. 

Sollte Vorlesen ausschließlich als Einschlafritual dienen?

Keineswegs! Es ist ein guter Weg, um Ruhe in den Tagesabschluss zu bringen, doch Vorlesen kann auch in den Alltag integriert werden. Das funktioniert etwa im Wartezimmer beim Arzt, auf Zugfahrten oder auch zwischendurch zu Hause. 15 Minuten pro Tag sind  ideal,  damit Kinder  von  all den  positiven Effekten profitieren.

„Zusammen mit ihrem Buch-Helden durchleben Kinder neben Abenteuern auch schwierige Situationen wie Krankheiten oder Konflikte“

Prof. Dr. Simone C. Ehmig
Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen

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