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Herz & Kreislauf

Ödeme: Was tun bei Flüssigkeitseinlagerungen im Körper?

Veröffentlicht am:12.11.2021

6 Minuten Lesedauer

Bei einem Ödem handelt es sich um eine Flüssigkeitseinlagerung im Gewebe an einer Stelle, wo diese Flüssigkeit eigentlich nicht hingehört. Warum sich Ödeme bilden, ob sie gefährlich sind und wann man einen Arzt aufsuchen sollte, erfahren Sie in diesem Interview.

Geschwollene Füße einer Frau, die auf einem Bett liegen.

© iStock / comzeal

Woran erkennt man ein Ödem?

Dr. med. Michael Lichtenberg, Chefarzt der Klinik für Angiologie am Klinikum Arnsberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie

© studiorama photography

„Ödeme sind nichts anderes als eine vermehrte Flüssigkeitseinlagerung, in der Regel am tiefsten Punkt im Körper. Das ist der Knöchel-Fuß-Bereich“, erklärt Dr. med. Michael Lichtenberg, Chefarzt der Klinik für Angiologie am Klinikum Arnsberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie – die Angiologie ist die Lehre von den Gefäßerkrankungen.

Beinödeme überwiegen daher in der Diagnose. „Ödeme sind sehr leicht zu erkennen, weil sie zu einer Deformierung führen. Die Knöchelstruktur ist dann plötzlich nicht mehr erkennbar.“ Ein leichter Druck auf das Ödem bestätigt das Bild: „Wenn man in das weiche Ödem hineindrückt, sieht man häufig, dass eine Delle zurückbleibt. Wenn diese Delle anhält, ist das ein Zeichen von vermehrter Wassereinlagerung.“

Warum bilden sich Ödeme? Die Ursachen

Bei schwangeren Frauen sind Ödeme vor allem in der Spätschwangerschaft geläufig. In der Regel werden solche Ödeme als lästige, aber zumeist ungefährliche Begleiterscheinung der Schwangerschaft bewertet. Trotzdem sollten betroffene Schwangere sich nicht scheuen, ihren Gynäkologen aufzusuchen. Nach der Geburt können sich die Wassereinlagerungen sogar noch verstärken, gehen aber über einen Zeitraum von einigen Wochen meist wieder von selbst zurück.

In sonstigen Fällen sind Ödeme häufig das Symptom einer anderen Krankheit. Dabei können unterschiedliche, auch schwerwiegende Erkrankungen dahinterstecken – etwa des Herzens oder der Niere. Grundsätzlich stellen sich Ödeme, was ihre möglichen Ursachen betrifft, als sehr komplex dar: „Ödem ist nicht gleich Ödem – man muss immer genau schauen, was dahintersteckt.“ Das Spektrum möglicher Ursachen ist breit gefächert, die folgenden fünf Kategorien geben einen Überblick über häufige Auslöser.

Ödeme durch Herzinsuffizienz

Eine mögliche Ursache für Ödeme ist eine Herzschwäche. „Dabei wird das Blut nicht ausreichend zum Herzen zurücktransportiert, wodurch es sich dann am tiefsten Punkt des Körpers staut, sprich in den Unterschenkeln, an den Knöcheln und in den Füßen, wo es dann zu Flüssigkeitseinlagerungen kommt.“

„Ödem ist nicht gleich Ödem – man muss immer genau schauen, was dahintersteckt.“

Dr. med. Michael Lichtenberg
Chefarzt der Klinik für Angiologie am Klinikum Arnsberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie

Ödeme durch Lymphgefäßerkrankungen

Eine typische andere Form des Ödems hat eine Lymphgefäßerkrankung zur Ursache. Das Lymphsystem ist neben dem Blutkreislauf das wichtigste Transportsystem im menschlichen Körper und auf die Weiterleitung von Nähr- und Abfallstoffen ausgerichtet. Bei einer Erkrankung wird die in den Lymphgefäßen enthaltene Flüssigkeit (Lymphe) nicht ausreichend abgeleitet. „Das kann beispielsweise nach wiederholten Wundrosen passieren, das sind bakterielle Entzündungen der oberen Hautschicht, aber auch durch eigenständige Erkrankungen des Lymphgefäßsystems.“

Dabei unterscheidet man angeborene und erworbene Erkrankungen des Lymphsystems. „Zum Beispiel Tumorerkrankungen, Lymphknotenerkrankungen, Fettgeschwulste oder schwere Infektionen im Bauch- und im Beckenbereich. Das alles kann dazu führen, dass die Lymphe nicht mehr richtig abtransportiert wird, und es kommt zum Lymphödem.“

Ödeme durch Venenerkrankungen

Bei diesen Ödemen ist der Abfluss zum Herzen gestört, zum Beispiel nach einer tiefen Beinvenenthrombose. „Bei solchen Erkrankungen kann das Blut durch die Vene nicht richtig abfließen und staut sich. Durch diesen Stau tritt aus den kleinen Venen im Fuß- und im Knöchelbereich – und später dann auch im Unterschenkelbereich – zunehmend Flüssigkeit aus. Diese Flüssigkeit beinhaltet häufig auch zerstörte rote Blutkörperchen oder Eisen. Das führt zu Ödemen, die über die Zeit bräunlich werden.“

Anhand dieser Braunverfärbungen insbesondere bei Ödemen im Knöchelbereich oder im Unterschenkel kann man auf eine Venenerkrankung schließen.

Ödeme durch Eiweißmangel

Ferner können Ödeme durch einen Eiweißmangel entstehen. „Wenn man Erkrankungen hat, durch die weniger Eiweiß im Blut zirkuliert, also ein Eiweißmangel besteht, können Ödeme entstehen. Ursachen hierfür sind Leber- oder Nierenerkrankungen, Hungerzustände oder auch Tumorerkrankungen.“ Solche Ödeme kommen in den Beinen, aber auch im Bauch als Bauchwasser vor. Ist zu wenig Eiweiß im Blut, kann Wasser nicht in den Blutgefäßen zurückgehalten werden. Der sogenannte kolloidosmotische Druck sinkt, der für das „Binden“ von Flüssigkeit in den Gefäßen verantwortlich ist. Die Flüssigkeit wird somit in das umliegende Gewebe gedrückt und es entsteht ein Ödem.

Ödeme nach Verletzungen und bei Arthrose

Eine weitere Gruppe von Ödemen wird durch äußere Einwirkungen hervorgerufen, zum Beispiel durch Verletzungen nach Unfällen. „Hier kommt es zu einer sogenannten reaktiven Schwellung, das heißt, es tritt vermehrt Entzündungswasser aus. Aber auch bei einer Arthrose im Gelenk, also einer degenerativen, abbauenden Gelenkserkrankung, kann es zu Flüssigkeitseinlagerungen kommen.“

Risikofaktor Übergewicht

Abgesehen von Erkrankungen, die man als direkte Ursache für Ödeme benennen kann, gibt es Risikofaktoren, welche die Bildung von Ödemen zumindest begünstigen. Hierzu zählen unter anderem das Körpergewicht und der Alkoholkonsum.

„Bei stark übergewichtigen Patienten kommt es durch Fetteinlagerungen zu einem gewissen Abflussstau bei den Venen im Bauch- und Beckenbereich. Man nennt das auch Kompressionssyndrom, das heißt, das Fett übt einen Druck auf die Venen aus, sodass das venöse Blut nicht zurück zum Herzen transportiert wird und sich in die Beine zurückstaut. Dadurch kommt es zu vermehrten Lymphgefäßstauungen und verstärktem Austritt von Wasser in den Beinen in Form von Ödemen.“

Wie gefährlich ist ein Ödem und wann sollte ein Arzt aufgesucht werden?

Zu leichten Schwellungen in Händen, Füßen oder im Gesicht kann es bei Hitze schon einmal kommen oder dann, wenn jemand zu lange gestanden oder gesessen hat. Geschwollene Füße kommen im Sommer daher häufiger vor als im Winter. Solche leichten Schwellungen klingen von selbst wieder ab. Zu lange sollten Sie darauf aber keinesfalls warten, weil ein Ödem wegen der unterschiedlichen Ursachen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Deswegen sollte man schon beim ersten Anzeichen einen Arzt aufsuchen.

„Je älter man ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Ödemen durch bekannte, chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Herzschwäche. Ödeme sind dann ein typisches Symptom.“

Hände einer alten Frau, von denen eine von Ödemen angeschwollen ist.

© iStock / Toa55

Ödeme im Handbereich

Vorsicht bei jungen Betroffenen!

Anders verhält es sich bei jungen Patienten mit Ödemen: „Weil sich hier eine Krankheit verstecken kann, die noch gar nicht diagnostiziert wurde, sollten gerade bei jungen Patienten, die plötzlich Ödeme haben, die Alarmglocken schellen.“ Noch viel dringender als ältere Betroffene sollten sie einen Arzt aufsuchen, um nach der Ursache zu forschen.

„Ödeme bei jungen Patienten sollten auf jeden Fall beim Arzt abgeklärt werden, da sich hier Krankheiten verstecken können, die noch nicht diagnostiziert worden sind.“

Dr. med. Michael Lichtenberg
Chefarzt der Klinik für Angiologie am Klinikum Arnsberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie

Aber unabhängig vom Alter gilt: „Ein Ödem sollte immer zum Anlass genommen werden, weitere Untersuchungen durchführen zu lassen, weil man eben nicht weiß, ob ein Ödem das Bild einer schweren oder einer leichten Erkrankung ist. Deswegen rate ich grundsätzlich bei plötzlich auftretendem oder zunehmendem Ödem, den Hausarzt aufzusuchen, um die Ursache abklären zu lassen. Deswegen immer zum Hausarzt!“

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Kann man selbst etwas gegen Ödeme tun?

Und aus den gleichen Gründen sollte man Ödeme auch nicht selbst behandeln. Eine Selbsttherapie kann sogar kontraproduktiv sein, wie der Experte verrät: „Das Problem ist, dass man gerne den Kurzschluss zieht, eine Wassereinlagerung mit entwässernden Medikamenten, sogenannten Wassertabletten, zu beseitigen, weil man das womöglich schon mal irgendwo gehört hat. Und das ist genau falsch.

Wir wollen schließlich nicht die bloßen Symptome behandeln, ohne zu wissen, warum die Ödeme entstanden sind. Außerdem können die wassertreibenden Medikamente Komplikationen hervorrufen – bei manchen Erkrankungen, die ein Ödem auslösen, ist es nämlich kontraproduktiv, mit diesen Medikamenten zu arbeiten, oder aber sie führen zu Nebenwirkungen, die man als Laie gar nicht absehen kann.“

Wie sehen die Behandlungschancen aus?

Es sollte immer zuerst eine Ursachenforschung betrieben werden, warum jemand eine Flüssigkeitseinlagerung hat. Sind die Ursachen geklärt, kann eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden. „Die Therapie ist dann in der Tat häufig mit wassertreibenden Medikamenten verbunden.“ Aber eben erst nach einer gründlichen Klärung der Ursachen mit Ausschluss von Kontraindikationen.

Was auch immer der konkrete Auslöser der Ödeme sein mag – kennt man die Ursache, kann man diese behandeln. „Man kann ein Ödem nicht nach Schema F behandeln. Man kann Ödeme nur dann behandeln, wenn man weiß, was die Ursache ist.“

„Man kann ein Ödem nicht nach Schema F behandeln. Man kann Ödeme nur dann behandeln, wenn man weiß, was die Ursache ist.“

Dr. med. Michael Lichtenberg
Chefarzt der Klinik für Angiologie am Klinikum Arnsberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie

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