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Gesundheitsmagazin

Eltern

Nein heißt Nein. Welche Grenzen Kinder brauchen

Veröffentlicht am:21.04.2021

4 Minuten Lesedauer

Tanzt Ihnen der Nachwuchs auch ab und zu mal auf der Nase herum? Viele Eltern wissen, dass es nicht immer einfach ist, Kindern Grenzen aufzuzeigen und diese auch umzusetzen. Was, wenn der Nachwuchs diese Grenzen einfach nicht akzeptieren will? Prof. Dr. Schulte-Markwort war Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie im UKE in Hamburg und ist bis heute Arzt und Supervisor der Hamburger Praxis „Paidion“, die spezialisiert ist auf „Heilkunde für Kinderseelen“. Zudem ist er Ärztlicher Direktor der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachklinik Marzipanfabrik in Hamburg. Seine Tipps können helfen, Machtspielchen zu beenden, Konflikte verständnisvoll zu lösen und positives Verhalten der Kinder zu stärken.

Nein heißt Nein. Ein Kind akzeptiert Grenzen seiner Mutter.

© iStock / fizkes

Wie schaffen es Eltern, dass Grenzen eingehalten werden und ein „Nein“ akzeptiert wird?

Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Hamburg und hat viel Erfahrung mit Kindern, die Schwierigkeiten damit haben, Grenzen zu akzeptieren.

Seine Meinung dazu ist eindeutig: „Natürlich möchte ein Kind manchmal Grenzen austesten, Eltern werden da oft zu schnell misstrauisch. Halten Kinder Grenzen nicht ein, ist das immer interpretationsbedürftig. Wenn ein ‚Nein‘ nicht akzeptiert wird, ist das für mich ein Hinweis, nicht noch mehr pädagogische Prinzipien zu installieren, sondern die Eltern-Kind-Beziehung in den Fokus zu rücken. Manchmal ist es hilfreich, sich vorzustellen, welche Bedeutung ein ‚Nein‘ in erwachsenen Liebesbeziehungen spielt. Auch da muss es manchmal vorkommen, bleibt aber die Ausnahme, weil sonst die Beziehung nicht mehr stimmt. Bei gesunden Kinder ist das nicht anders. Manche Eltern vergessen manchmal, dass Kinder einfach nur geliebt werden wollen.“

„Es ist natürlich, dass Kinder Grenzen austesten möchten.“

Michael Schulte-Markwort
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Und wenn wirklich gar nichts mehr geht? Was macht man mit Kindern, die partout nicht hören wollen? Auch in diesem Fall setzt Schulte-Markwort auf Verständnis, er sagt: „Ich persönlich bin fern davon, mit Sanktionen zu arbeiten. Ein ‚Wenn du das nicht machst, dann…‘ funktioniert in einer liebevollen Beziehung einfach nicht. Vergleichen Sie das einmal mit einer Ehe, das ist auch eine liebevolle Beziehung und niemand möchte so behandelt werden.“

Michael Schulte-Markwort, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in der Praxis „Paidion – Heilkunde für Kinderseelen“
Michael Schulte-Markwort

© Nina Grützmacher

Mit dieser verständnisvollen Erziehung ist der Experte bisher sehr erfolgreich. Bis Ende 2020 war Prof. Dr. Schulte-Markwort Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie im UKE in Hamburg und ist bis heute Arzt und Mentor der Hamburger „Paidion“-Praxis, die spezialisiert ist auf „Heilkunde für Kinderseelen“. 

Sein Credo lautet: „Wenn man Kindern auf Augenhöhe begegnet, antworten sie mit Respekt.“ Anstatt Kinder zu bestrafen und in ihre Grenzen zu weisen, rät er Eltern, positives Verhalten zu verstärken. Wie das im Alltag funktionieren kann, erklärt er hier.

Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind sich weigert, die Zähne zu putzen?

Anstatt dem Kind ständig mit der Zahnbürste hinterherzulaufen, sollten Sie sich fragen, warum sich das Kind die Zähne nicht putzen möchte. Liegt es an der unangenehmen Invasion in den Mundraum? Oder liegt es an der Zahnbürste oder an der zu scharfen Zahnpasta? Vielleicht kaufen Sie einfach eine bunte Zahnbürste oder eine neue Zahncreme. Damit bringt das Putzen dann vielleicht mehr Spaß.

Ich rate Eltern dazu, Machtkämpfe immer so schnell wie möglich zu beenden. Verstärken Sie lieber das positive Verhalten Ihres Kindes und loben Sie es, wenn es sich die Zähne geputzt hat. Auch das Sammeln von Smileys oder eine gemeinsame Aktivität ist ein positiver Anreiz und eine gute Motivation, um Ihrem Kind mehr Freude am Zähneputzen zu vermitteln.

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Mein Sohn macht jedes Mal ein Riesentheater, wenn ich ihn abholen möchte. Er will mit seinem Freund weiterspielen und weigert sich mit Händen und Füßen mitzukommen. Wie bleibe ich in solchen Situationen ruhig?

Grundsätzlich erwarte ich von Eltern gar nicht, dass sie immer ruhig bleiben. Trotzdem sollte man wissen, dass man in diesem Fall – die Mutter möchte losfahren, das Kind weiterspielen – seinem Kind seinen Willen aufdrückt. Ganz nach dem Motto: ‚Ich möchte, dass du das machst, weil ICH das möchte. Aber nicht, weil ich mich durchsetzen möchte, sondern weil wir beide gerade keine andere Möglichkeit haben.‘

Wenn es die Zeit erlaubt, ist es durchaus sinnvoll, seinem Kind einen Kompromiss anzubieten: Du darfst noch zehn Minuten spielen, ich warte hier auf dich! So können Mutter und Kind mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

„Eine Eskalation sollte stets in Ruhe geklärt werden.“

Michael Schulte-Markwort
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Mitten in der Warteschlange dreht meine Tochter nochmal richtig auf und möchte unbedingt und sofort die Bonbons. Und wirft sie in den Einkaufswagen. Wie reagiere ich angemessen?

Lassen Sie sich von der Öffentlichkeit nicht bedrängen! Auch wenn es unangenehm ist. Alle Menschen schauen einen an, das Kind tobt in der Warteschlange. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man sagt zu dem Kind ‚Das muss jetzt nicht sein!‘, geht mit dem Kind raus und beendet so die Eskalation.

Oder man macht es so: Die Waren werden zurück in den Einkaufskorb gelegt, man schiebt mit dem Kind in den nächsten Gang und versucht das Geschehene in Ruhe zu klären. Sagen Sie zum Beispiel zu Ihrem Kind: ‚Wir haben hier eine leckere Mandarine für dich, die darfst du auch gleich essen. Und später, wenn wir zuhause sind, essen wir die Kekse, die wir noch haben. Aber jetzt gehen wir zur Kasse. Du schaffst das jetzt und wir nehmen keine Süßigkeit mit!‘

Grenzen setzen im Gespräch zwischen Vater und Sohn.

© iStock / Motortion

Grundsätzlich möchte ich Eltern in solchen Situationen, die ja alltäglich sind, einfach ans Herz legen, dass Sätze wie ‚Du bekommst dies nicht, du bekommst das nicht‘ unweigerlich zu unerwünschtem Verhalten führen. Versuchen Sie deshalb, so gut es möglich ist, positives Verhalten zu verstärken!

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Letzter Ausweg „Stille Treppe“: Was halten Sie von solchen Sanktionen?

Solche Erziehungsmethoden wie die ‚Stille Treppe‘ (Anm. d. Red.: Bei der „Stillen Treppe“ muss sich das Kind als Strafe an einen stillen Ort zurückziehen, um über sein Fehlverhalten nachzudenken.) verbieten sich von selbst. Sie führen auch nicht zum gewünschten Verhalten, sondern lösen bei Kindern Rachegedanken aus. Sie fühlen sich gedemütigt.

Und dabei sollten Sie gerade bei einem Streit möglichst früh lernen, wie man sich richtig aussöhnt. Und das lernen sie im Idealfall von ihren Eltern.

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