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Hodenkrebs: Früherkennung rettet Leben

Veröffentlicht am:29.03.2023

5 Minuten Lesedauer

Dass ihre Hoden besonders empfindlich sind, merken Jungs schon im Kindesalter. Was viele jedoch nicht wissen: Hodenkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei jungen Männern. Wird er früh erkannt, sind die Heilungschancen aber zum Glück sehr gut, erklärt Dr. Aksoy, Urologe am Universitätsklinikum im hessischen Marburg.

Ein Urologe im Portrait.

© iStock / PeopleImages

Wir haben den Experten Dr. Cem Aksoy gefragt, was jeder selbst zur Vorsorge tun kann und wie es nach der Diagnose Hodenkrebs weitergeht. Dr. Cem Aksoy arbeitet als Urologe am Universitätsklinikum Marburg. Außerdem ist er Vorsitzender und Gründer von PATE e.V. (Prävention und Aufklärung testikulärer Erkrankungen). Der Verein klärt über Hodenkrebs auf und bietet Betroffenen eine Anlaufstelle.

Herr Dr. Aksoy, warum ist das Thema Hodenkrebs ein so sensibles?

Die Hoden stehen für Männlichkeit, Fruchtbarkeit und sind auch eine sehr intime Stelle. Vor allem junge Männer haben noch nicht so recht gelernt, wie sie mit den pubertären Veränderungen ihres Körpers umgehen sollen. Außerdem schwirren ihnen gerade so viele Fragen durch den Kopf, was sie aus ihrem Leben machen möchten, wer sie sein wollen – da haben medizinische Themen oft keinen Platz.

Aber gerade junge Männer sind ja von Hodenkrebs betroffen, richtig?

Genau. Insgesamt gesehen ist Hodenkrebs eher selten, jährlich erkranken in Deutschland etwa 4.200 Männer daran. Anders als bei anderen Krebsarten sind aber vor allem Männer zwischen 20 und 44 Jahren betroffen. Und genau da liegt die Problematik, denn in dieser Zeit findet das Thema Männergesundheit kaum statt. Anders als bei Frauen, die ja meist ab dem Teenageralter regelmäßig zu Gynäkologen gehen, hat kaum ein junger Mann einen festen Urologen.

Wie können wir diese Lücke in der Vorsorge schließen?

Am wichtigsten ist es, die jungen Männer über das Risiko aufzuklären. Vielen ist die Gefahr nämlich gar nicht bekannt – Krebserkrankungen werden oft mit einem höheren Alter assoziiert. Wir müssen den jungen Männern daher an die Hand geben, wie wichtig Früherkennung ist und wie einfach sie funktioniert. Das kann nämlich jeder mit einer Selbstuntersuchung, indem er seine Hoden abtastet. Auch die Eltern der jungen Männer können die Prävention unterstützen: Litt ein Mann im Kindesalter an einem Hodenhochstand, ist dies ein Risikofaktor. Das sollten Vater oder Mutter ansprechen, denn unter Umständen weiß der Betroffene das gar nicht mehr. Und: Auch Fälle von Hodenkrebs in der Familie machen eine Erkrankung wahrscheinlicher.

„Junge Männer sollten die Hoden unter der Dusche einmal im Monat abtasten.“

Dr. Cem Aksoy
Urologe am Universitätsklinikum Marburg

Wie genau funktioniert die Selbstuntersuchung?

Junge Männer sollten die Hoden unter der Dusche einmal im Monat abtasten. Am besten unter warmem Wasser, weil der Hodensack sich dann entspannt und die Hoden besser abzutasten sind. Dabei sollten sie vor allem auf eine schmerzlose Vergrößerung oder Verhärtung des Hodens achten. Auch ein kleiner Knoten, Schmerzen oder ein Schweregefühl sind erstmal als auffällig zu werten und sollten umgehend über einen Urologen abgeklärt werden.

Hoden abtasten – so einfach geht’s:

  1. Zuerst Hodensack und Hoden mit der geöffneten Handfläche von unten betasten und leicht auf und ab bewegen. Dabei entsteht ein Gefühl für Gewicht und Größe der Hoden.
  2. Dann jeden Hoden einzeln abtasten: Dafür die Hoden zwischen Daumen (oben) sowie Zeige- und Mittelfinger (unten) hin und her rollen. Unebenheit oder Knoten sind so leicht zu spüren.
  3. Tastbar sind auch die Nebenhoden, die wie eine Mütze oben auf und an der Außenseite der Hoden liegen und leicht mit einem auffälligen Befund verwechselt werden können.
  4. Zuletzt noch im Spiegel prüfen, ob eine Schwellung im Bereich des Hodensacks auffällig ist.

Was tun, wenn man eine auffällige Stelle ertastet?

Da ist mein Appell ganz klar: So rasch wie möglich zum Urologen gehen. Ein Hodentumor ist aggressiv und breitet sich schnell aus – deshalb müssen Männer bei einem Verdacht sofort handeln. Wird ein Tumor frühzeitig erkannt, sind die Heilungschancen bei Hodenkrebs sehr gut – weitaus über 95 Prozent. Ist der Krebs schon stark metastasiert, liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit zwischen 48 und 95 Prozent.

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Was passiert beim Urologen, wenn ein Mann mit Verdacht auf Hodenkrebs in die Sprechstunde kommt?

Nach einer ausführlichen Anamnese untersucht der Urologe das äußere Genital. Danach folgt dann eine Ultraschall- sowie Blutuntersuchung. Bestätigt sich dabei der Verdacht, überweist er den Betroffenen in eine Klinik. Dort entfernt der Urologe den Hoden vollständig oder teilweise. Ergänzend zur Behandlung kann auch eine Chemotherapie oder eine weitere Operation nötig sein.

Das klingt sehr technisch, was ist mit der Psyche des Patienten?

Da haben Sie Recht – die Psyche wird oft vernachlässigt. Vielen Betroffenen ist nicht so recht klar, was jetzt auf sie zukommt und nicht jeder Arzt geht gleich empathisch mit der Diagnose um. Das ist einer der Gründe, warum es unseren Verein PATE gibt. In Selbsthilfegruppen für betroffene junge Männer ist genug Zeit, über Ängste zu sprechen und anderen zuzuhören. Ein solcher Austausch ist meiner Erfahrung nach sehr wichtig, denn die Gefühlswelt der Männer kommt bei der ärztlichen Diagnose und Behandlung oft zu kurz. Daher empfehle ich auch immer, lieber einmal mehr im Arztgespräch nachzufragen. Insbesondere sollten Betroffene im Hinterkopf behalten, dass sie vergessene Fragen beim ambulanten Urologen auch bei der Einweisung in der Klinik stellen können.

Ein junger Mann ist bei einer Urologin und lässt sich beraten.

© iStock / Kanizphoto

Suchen Sie zeitnah ärztlichen Rat, sobald Sie Auffälligkeiten und Veränderungen an den Hoden bemerken.

Eine große Sorge vieler Männer ist, nach einer Hoden-OP keine Kinder mehr bekommen zu können. Ist das begründet?

Man muss wissen, dass Unfruchtbarkeit schon ein Risikofaktor ist, überhaupt zu erkranken. Einige Patienten sind also schon vor der Diagnose unfruchtbar – ohne es zu wissen. Ist dies nicht der Fall, kann der andere Hoden den entfernten Hoden kompensieren. Dafür gibt es aber keine Garantie. Deshalb haben Betroffene die Möglichkeit, vor dem Eingriff Spermien zu konservieren. Das wird im Vorgespräch mit dem Urologen besprochen. Die Prozedur selbst findet dann meist in einem Kinderwunschzentrum ambulant oder in der Klinik statt.

Wie geht das Leben nach einer erfolgreichen OP weiter – sind die Patienten vollständig geheilt?

Das ist sehr individuell und lässt sich nicht allgemein beantworten. Den meisten Männern geht es danach wieder gut und sie genesen vollständig. Ich kenne aber auch Betroffene, die Phantomschmerzen an der Schnittstelle haben. Einige fühlen sich mit einem Hoden nicht mehr als „ganzer Mann“ oder spüren eine Veränderung der Libido sowie ihrer Männlichkeit. Einigen hilft die Implantation einer Hodenprothese, vielen aber auch nicht.

Eine Frage zum Schluss: Was ist Ihr Rat an Betroffene?

Sprich offen über deine Gefühle, sei es mit dem Arzt oder mit dem sozialen Umfeld. Sei wohlwollend mit dir und denke daran, dass nicht nur dein Körper, sondern auch dein Geist die Behandlung durchmacht. Du darfst auf deine Bedürfnisse hören und musst dich nicht zurückhalten.

Offen über Gesundheit sprechen – Hodenkrebs erkennen

Wenn es um die Gesundheit deiner Familie geht, schauen wir ganz genau hin. Und das schon, bevor etwas passiert. Dafür brauchen wir deine Unterstützung: Sprich mit deinen Kindern auch über unangenehme Themen, wie Hodenkrebs oder sexuell übertragbare Krankheiten.

Und weil uns Vorsorge wichtig ist, übernehmen wir die Kosten für die Vorsorgeuntersuchungen deines Kindes. Die erwachsenen Versicherten profitieren vom Gesundheits-Check, bei dem Herz- Kreislaufprobleme, Diabetes oder andere Erkrankungen frühzeitig erkannt werden. Und falls du bei einer ernsten Diagnose Zweifel hast, unterstützen wir dich dabei, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.

Gute Gesundheit wünscht dir deine AOK Hessen.


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