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Wann ein Insektenstich ein Fall für die Notaufnahme ist
Veröffentlicht am:04.06.2025
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Sommerzeit ist Insektenstichzeit. Ob Juckreiz, Rötung oder Schwellung: Die meisten Begleiterscheinungen sind völlig harmlos und verschwinden von selbst. Nur wer sich nach dem Stich krank fühlt oder schwere allergische Reaktionen entwickelt, ist ein Fall für die Notaufnahme. Dann heißt es: schnell handeln.

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Reaktion ist Schutzfunktion unseres Körpers

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„Das beste Mittel gegen Insektenstiche ist, sich gar nicht erst stechen zu lassen.“ Das sagt der Bremer Professor Dr. Markus Zutt. Er ist Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie im Klinikum Bremen-Ost. Im Sommer sind Mücken vor allem in der Dämmerung und nachts unterwegs. Was gegen ihre Stiche schützt, sind etwa lange, dicht gewebte Kleidung, mückenabweisendes Spray oder Hautschutzmittel. Dennoch lassen sich Stiche, ob von Mücken, Bremsen, Bienen oder Wespen, nicht immer vermeiden. Die Folge sind Rötungen, Schwellungen oder Juckreiz: „Die lokale Reaktion ist eine Schutzfunktion unseres Körpers“, erläutert der Allergologe Zutt.
Wie der Körper auf Insektenstiche reagiert
Der Körper reagiert auf das im Gift enthaltene Eiweiß. Dabei wird Histamin ausgeschüttet. Das wiederum führt zu einer Schwellung und zu einer Freisetzung von Juckreiz-Botenstoffen. Je nach Veranlagung falle die Reaktion unterschiedlich stark aus, sagt Zutt. „Manche Menschen reagieren mit einem milden Juckreiz oder einer milden Rötung, andere mit einer deutlich stärkeren Reaktion. Dass die Einstichstelle schmerzt, stark juckt und es drumherum anschwillt und sich rötet, ist harmlos und geht in der Regel innerhalb von Stunden oder Tagen von selbst wieder weg. Beim nächsten Stich kann das noch stärker werden und ist trotzdem immer noch kein Fall für die Notaufnahme.“ Schwerwiegende Reaktionen auf Mücken- oder Moskitostiche seien in unseren Regionen nicht zu erwarten, beruhigt der Mediziner. Gleiches gelte für Spinnen und eingewanderte Mückenarten.
Ein Insektenstich kann aber zu einer Infektion führen. Je nachdem, wo das Insekt vorher gesessen hat, kann es mit Keimen verseucht sein. So war es wohl bei dem Tier, das Emma Janßen gestochen hat. Die Bremerin wollte einen Topf mit Reis vom Balkon holen, übersah die Biene am Topfrand und wurde in den Ringfinger gestochen. Nachts bekam sie leichtes Fieber, der Finger wurde sehr dick und heiß, der 16-Jährigen war schwindelig und übel. Ihre Mutter brachte sie in die Notaufnahme, wo ihr der behandelnde Arzt ein Antibiotikum verschrieb. Der Jugendlichen ging es danach schnell besser. „Die Mutter hat in diesem Fall richtig gehandelt“, sagt Zutt. „Wenn sich allgemeine Symptome entwickeln, sich Betroffene krank fühlen, müssen sie das ärztlich abklären lassen.“ Gleiches gilt bei Stichen in den Rachen oder Mundraum, denn eine Schwellung kann zu gefährlicher Atemnot führen.
Im Zweifel den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen

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Judith Gal ist Klinikdirektorin der zentralen Notaufnahme am Klinikum Bremen-Mitte. Von etwa 50.000 Kontakten zu Menschen, die im Jahr dort vorstellig werden, seien etwa die Hälfte nach medizinischer Definition keine Notfälle, sagt sie. Darunter auch ein kleiner Teil an Menschen, die eine leichte lokale Reaktion auf Insektenstiche zeigen. „Wir schauen uns das an. Die Betroffenen müssen aber meist lange Wartezeiten in Kauf nehmen.“
Doch es gibt eben auch Patientinnen oder Patienten wie Emma Janßen, bei denen der Stich eine Infektion ausgelöst hat. Beim Kratzen oder bei der Gartenarbeit kann es passieren, dass Keime durch die Einstichstelle in die Haut geraten, erläutert Judith Gal. „Insekten übertragen auch Umweltgifte. Die lokale Reaktion des Körpers auf den Stich kann durchaus stärker ausfallen und unangenehmer sein als früher, muss aber nicht gleich ein Notfall sein.“ Wer unsicher ist, kann außerhalb der Sprechstundenzeiten sowie durchgehend am Wochenende und an Feiertagen den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung über die kostenlose Telefonnummer 116117 anrufen. „Er berät und hilft bei akuten Erkrankungen“, betont die Notfallmedizinerin.
Bei Schocksymptomen sofort ins Krankenhaus
In seltenen Fällen kann es nach einem Stich von Biene, Hummel, Wespe oder Hornisse auch zu schweren allergischen Reaktionen kommen, die Betroffene ernst nehmen müssen. Eine Insektengiftallergie entwickelt sich oft erst mit den Jahren und wird beim ersten Mal mitunter nicht erkannt. So erging es Astrid Funck. Der Bremerin wurde auf dem Friedhof bei der Grabpflege in den Finger gestochen. „Ich habe noch ganz in Ruhe zu Ende gegraben“, erzählt sie. Doch dann hätten sich an ihrem Oberkörper große rote Quaddeln gebildet. Ein Freund fuhr mit ihr in Richtung Krankenhaus, auf dem Weg dorthin bekam sie Atemnot. „Wir haben es gerade noch in die Notaufnahme geschafft“, sagt Astrid Funck. Eine Nacht blieb sie zur Überwachung auf der Intensivstation.
Mediziner sprechen in so einem Fall von einem anaphylaktischen Schock. Es ist eine Kettenreaktion, die den ganzen Körper betrifft und lebensbedrohlich sein kann. Innerhalb von Minuten bis zu einer Stunde nach dem Stich reagiert der Körper mit Kreislaufproblemen, Hautausschlag, Schwindel, Übelkeit oder Atemnot. Der Blutdruck fällt ab. Es kann zu Bewusstlosigkeit oder zu einem lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. „Dann ist sofort der Notruf 112 abzusetzen oder ein Krankenhaus anzusteuern“, betont Zutt. Und Notfallmedizinerin Judith Gal ergänzt: „Auf jeden Fall in Begleitung“. Bei einem anaphylaktischen Schock können drei Medikamente Leben retten: Adrenalin, Kortison und ein Antiallergikum. Diese führen Notärzte mit sich, sie sind auch im Notfallset für Allergiker enthalten. „Meistens erholen sich die Patienten schnell“, so Zutts Erfahrung.
Hyposensibilisierung gegen Insektengift
Manchmal sei es sogar für Mediziner nicht leicht auseinanderzuhalten, ob es sich um eine Infektion, eine allergische Reaktion oder um beides zusammen handelt, sagt Zutt. Wenn im Bluttest erhöhte Entzündungswerte zu erkennen sind, spreche das für eine Infektion. Allergien können mit Haut- und Bluttests nachgewiesen werden. Die Tests machen ausgewiesene Fachleute und Kliniken für Allergologie. Wie bei einer Pollenallergie können Betroffene sich auch desensibilisieren lassen. „Die Einleitung erfolgt wegen möglicher schwerer Reaktionen unter fachärztlicher Aufsicht unter stationären Bedingungen im Krankenhaus“, berichtet Markus Zutt. Die Erfolgsquote der sogenannten Hyposensibilisierung, die drei bis fünf Jahre dauert, sei hoch.
Autorin: Catrin Frerichs
So werden Insektenstiche vermieden
Allergischen Reaktionen beugt man am besten vor, indem man Insektenstiche vermeidet, und zwar folgendermaßen:
- Nicht hastig nach den Insekten schlagen und heftige Bewegungen vermeiden: Wespen stechen nämlich, sobald sie sich bedroht fühlen.
- Auch das Wegpusten der Tiere ist nicht ratsam: Das im Atem enthaltene Kohlendioxid gilt im Wespennest als Alarmsignal.
- Beim Essen im Freien keine Süßigkeiten oder Fleisch herumliegen lassen.
- Verschließbare Behälter für Speisen und Getränke nutzen, damit nicht unbeobachtet Insekten hineinkrabbeln oder -fliegen.
- Nicht aus offenen Flaschen oder Getränkedosen trinken, Trinkgläser abdecken.
- Weite, fliegende Kleider, dunkle Farben und farbige Blumenmuster meiden.
- Ablenkfütterung mit Melonenschalen oder Fallobst in einer Entfernung von mindestens fünf Metern. Verboten sind mit süßem Saft oder Bier gefüllte Wespenfallen, denn die Tiere sterben einen qualvollen Tod.
- Parfums und stärker parfümierte Kosmetika vermeiden.
- Vorsicht bei Gartenarbeiten: so viel wie möglich vom Körper bedecken (lange Ärmel, lange Hosen, Hut).
- Nicht barfuß nach draußen gehen. Bienen lieben Klee, und viele Wespen leben im Boden.
- Die Nähe von Mülltonnen und Abfallkörben im Freien meiden.
- An den Fenstern ein Insektengitter anbringen.
- Bei heftigen Reaktionen nach Insektenstichen: kühlende Salben oder Gele auftragen.
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