AOK Bremen/Bremerhaven

Sinnstifter Ehrenamt

Veröffentlicht am:11.11.2025

5 Minuten Lesedauer

Wer anderen Zeit schenkt, tut sich selbst etwas Gutes. Soziales Engagement stärkt nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Selbstwertgefühl – das zeigen die Beispiele von drei Freiwilligen aus Bremen.

Motivation

© iStock / fizkes

Viele Möglichkeiten sich einzubringen

Freiwilliges Engagement wird immer beliebter. Bundesweit engagierten sich 2019 knapp 40 Prozent der Menschen ab 14 Jahren ehrenamtlich, das besagt der „Deutsche Freiwilligensurvey“, eine repräsentative Befragung, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und seit 1999 alle fünf Jahre durchgeführt wird. Möglichkeiten, sich einzubringen, gibt es viele, ob in Bürger- oder Sportvereinen, in der Nachbarschaft

und bei Behindertenhilfeträgern, beider freiwilligen Feuerwehr oder als Lesepatin in der Kita. Die Freiwilligen-Agentur Bremen berät und vermittelt Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, an passende Vereine und Einrichtungen. Sie bietet zudem Fortbildungen an, richtet Fachtage aus und setzt eigene Projekte um. Online pflegt sie eine Engagementbörse mit derzeit mehr als 440 offenen Anfragen von Vereinen, Initiativen und Institutionen. Interessierte können direkt Kontakt aufnehmen.

Auch jüngere Menschen können aktiv sein

Dass ein Ehrenamt nicht zwingend an feste Zeiten gebunden sein muss, weiß Laura Brachmann von der Bremer Freiwilligenagentur. „Flexibles oder projektbezogenes Engagement liegt im Trend. Auch jüngere Menschen können entsprechend ihrer Lebensphasen aktiv sein“, sagt sie. Ein Beispiel sei die „Junge Tafel“ für bedürftige Menschen, bei der Jugendliche und Erwachsene bis Mitte 30 aktiv sind.

Laura Brachmann selbst unterstützt die Initiative „Foodsharing“ zur Rettung von Lebensmitteln. Wie intensiv sie sich dort einbringt, bleibt ihr selbst überlassen. „Der Schritt, anderen Zeit zu schenken, ist einfacher und spricht auch jüngere Menschen an, wenn kein Vereinsbeitrag zu zahlen ist und man sich nicht fest binden muss“, sagt die 38-Jährige.

Stärkung des Selbstwertgefühls

Wer ein Ehrenamt ausübt, ist geistig stabiler, glaubt Laura Brachmann. Es mache Spaß, fördere Kontakte und den Austausch mit anderen. „Man lernt Neues, fühlt sich zugehörig und selbstwirksam“, sagt die Expertin. Ehrenamtliche könnten mitbestimmen und mitgestalten, „sie sehen die positiven Effekte ihres Handelns und entwickeln sich persönlich weiter. Helfen kann Glückshormone freisetzen und stärkt das Selbstwertgefühl.“

„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“

Früh aufstehen? Für Annabelle Isensee kein Problem. Sogar am Sonntag klingelt ihr Wecker um sechs Uhr morgens. Seit zweieinhalb Jahren engagiert sie sich neben ihrer Arbeit beim Verein „Tasse Bremen“ im Stadtteil Walle, einer Tagesstätte für Menschen ohne Wohnung oder Einkommen. Dienstags, donnerstags und sonntags ist die „Tasse“ jeweils für zwei Stunden geöffnet. Sie finanziert sich durch Spenden. Annabelle Isensee, geboren 1965 in Nigeria, kam vor 30 Jahren nach Norddeutschland – der Liebe wegen. Sie lebte in einem Dorf in der Nähe von Syke. Ihre beiden Kinder sind mittlerweile erwachsen. Vor etwa drei Jahren zog sie allein nach Bremen und machte eine Fortbildung zur Seniorenpflegerin. „Ich möchte mit Menschen in Kontakt kommen und nicht in meiner Blase bleiben“, sagt sie. Eine Freundin nahm sie mit in die „Tasse“. 

Dort gefiel es ihr so gut, dass sie beschloss, selbst mitzuhelfen. Seitdem hat sie nur an einem einzigen Sonntag gefehlt. Den Betrieb in der „Tasse“ halten Ehrenamtliche wie Annabelle Isensee aufrecht. „An manchen Sonntagen kommen mehr als 100 Menschen“, erzählt sie. Der Dienst dauert etwa vier Stunden. Um kurz vor zehn Uhr warten bereits etliche Gäste auf Einlass, die Tische sind gedeckt. Bis zwölf Uhr gibt es Müsli, Brötchen, Käse, Wurst, ein Ei und Marmelade – kurze Gespräche und ein freundliches Wort inklusive. Was vom Frühstück übrig bleibt, packen sich die Gäste ein. Wer will, kann auch duschen oder seine Wäsche waschen. „Ich liebe das hier“, sagt Annabelle Isensee. Sich für andere zu engagieren, sei für sie selbstverständlich. „Meine Mutter in Afrika hat immer anderen Frauen geholfen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Darin ähneln wir uns doch alle.“

Tasse Bremen e.V.: Fleetweg 67a, 28217 Bremen, Kontakt über Heide Gerstenberger, Telefon: 0421 2235881, tassebremen.de

„Ich probiere gern Dinge aus“

Als Matthias Klink in Rente ging, merkte der ehemalige Grundschullehrer, dass ihm der strukturierte Alltag fehlt. Von heute auf morgen keine Aufgaben mehr zu haben? Unvorstellbar. Als er in der Zeitung las, dass die Freiwilligen-Agentur Bremen einen ehrenamtlichen Berater für ihren Infostand in der Stadtbibliothek sucht, sagte er spontan: „Das kann ich.“ Am Landesinstitut für Schule war er bereits Schulberater gewesen. Matthias Klink bringt seitdem als Berater der Engagementbörse Suchende und Ehrenämter zusammen. Dadurch hat er einen guten Überblick über alle offenen Angebote in Bremen. „Ohne das wäre ich wohl nie auf die Ambulanten Versorgungsbrücken gestoßen, die einen Rikscha-Fahrer suchten“, vermutet er.

Die ehrenamtlichen Rikscha-Fahrten für ein bis zwei ältere oder gehbehinderte Menschen sind Ausflugsfahrten etwa durch Bremer Parks oder die Innenstadt. Seit Sommer 2023 gehört Matthias Klink fest zum Fahrerteam. Ein- bis zweimal pro Woche sitzt er am Lenker. Fahrerinnen und Fahrer werden immer gesucht, gern auch jüngere, die noch berufstätig sind. Die Fahrten müssen auch koordiniert und die Rikscha muss gewartet werden. Das auffällige Gefährt ist schwer und recht sperrig. Darum gibt es für alle, die neu dabei sind, ein Fahrtraining. Die maximal eineinhalbstündigen Fahrten sind für die Passagiere etwas Besonderes. Freude zu bereiten, sei ein schönes Gefühl, findet Matthias Klink. Für all seine Ehrenämter investiert der Rentner, der zudem noch Schöffe ist, etwa zehn Stunden in der Woche. „Die Freiwilligenarbeit ist eine sinnvolle Tätigkeit. Sie gibt mir etwas zurück, und ich probiere gern Dinge aus.“

Radeln ohne Alter - Ambulante Versorgungsbrücken: Humboldtstraße 126, 28203 Bremen, Telefon: 0421 6964200, ambulante-versorgungsbruecken.de

„Soziales Engagement hilft gegen Stress“

Ob mit Smartphone, Tablet oder Laptop: Insbesondere älteren Menschen fällt der Umgang mit dem Internet schwer, weiß Hans-Dieter Oehlke (links im Bild). Als „Digitallotse“ vermittelt er ihnen das nötige Wissen. Das Angebot gehört zu „Digital fit 60+“. In dem Netzwerk der Stadt Bremen haben sich rund 40 Kooperationspartner zusammengeschlossen. Das Bürgerhaus Gemeinschaftszentrum Obervieland, wo Hans-Dieter Oehlke Digitalkurse gibt, gehört dazu. Über Messenger-Dienste wie WhatsApp Nachrichten austauschen oder Videotelefonate führen, online Arzttermine buchen, Apps herunterladen oder Bezahlung via Handy: Hans-Dieter Oehlke nimmt Seniorinnen und Senioren die Angst, in der digitalen Welt Fehler zu machen. Er erklärt nicht nur Technik und Funktionen, sondern hilft zum Beispiel auch dabei, WLAN-Netze einzurichten.

„Dumme Fragen gibt es nicht“, sagt er. Oehlke hat früher bei einem Autohersteller als Trainer für Service- und Marketingpersonal gearbeitet. Seit der Eröffnung des Bürgerhauses im Jahr 1977 engagieren er und seine Ehefrau Renate Oehlke sich dort ehrenamtlich. „Mein soziales Engagement war immer ein Ausgleich zum Job. Es hilft gegen Stress und kam mir auch im Beruf zugute“, sagt der 76-Jährige. „Das ist der Wert des Ehrenamts, es hält jung.“ Dass auch Jugendliche und Studierende Digitallotsen sind, begrüßt Oehlke. „Der Umgang mit verschiedenen Menschen ist ein gutes Training.“

Digital Fit 60+: Kontakt über den Verband sozialkulturelle Arbeit e.V., Alfred-Faust-Straße 4, 28279 Bremen, Telefon: 0152 01056547 oder in Bremerhaven über Telefon: 0471 5903613. 
Zu den „Digitallotsen“ gibt es hier weitere Informationen von der AOK.

Autorin: Catrin Frerichs / Fotos: Jens Lehmkühler

Kontakte für Interessierte

Engagement-Beratung in der Bremer Zentralbibliothek
Am Wall 201, Montag bis Freitag, 15 bis 17 Uhr, ohne Termin

Freiwilligen-Agentur Bremen
Dammweg 18–20, 28211 Bremen, Telefon: 0421 168670-30, freiwilligen-agentur-bremen.de und engagementboerse.de

Freiwilligen-Agentur Bremerhaven
Bürgermeister-Smidt-Straße 109, 27568 Bremerhaven, Telefon: 0471 3094660

Puls Camp
Mehrtägiges Camp-Format für junges Engagement vor Ort, pulscamp.de/bremen

Bremer Jugendring
Am Wall 116, 28195 Bremen, Telefon:  0421 41658514, bremerjugendring.de

Gemeinsam in Bremen
Engagement von Neubürgern für Neubürger, Kontakt über gemeinsam-in-bremen.de

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