AOK Bremen/Bremerhaven
Mit der richtigen Ernährung satt werden und abnehmen
Veröffentlicht am:10.07.2025
5 Minuten Lesedauer
Sich satt essen und gleichzeitig abnehmen schließt sich nicht aus, sagt Ernährungsexperte Dr. Matthias Riedl. Im Interview erklärt er, was hingegen am Snacken problematisch ist.

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Manche können essen, so viel sie wollen. Und andere nehmen ganz schnell zu. Woran liegt das?
Matthias Riedl: Ein Teil ist genetisch bedingt. Appetit, Sättigung, Hunger und die Gewichtsregulation werden dadurch mitbestimmt. Hinzu kommt, dass der Grundumsatz in Familien genetisch weitervererbt wird. Ist er hoch, besteht ein geringes Übergewichtsrisiko. Fällt er niedrig aus, steigt das Risiko. Selbst die Beschaffenheit der Darmflora, die bei der Entwicklung von Übergewicht eine große Rolle spielt, wird teilweise vererbt.
Aber es gibt auch einen Teil, den man selbst beeinflussen kann?
Unbedingt. Genetik und erlerntes Essverhalten in der Familie bedeuten nicht, dass es keinen Ausweg gibt. Wenn man sich viel bewegt und richtig isst, kann es sein, dass sich die genetische Veranlagung, die einen für Übergewicht empfindlich macht, gar nicht auswirkt. Eines bleibt aber: Die Neigung zu Übergewicht erfordert mehr Aufwand und eine sorgfältigere Auswahl von Lebensmitteln.
Als Messgröße für Übergewicht wird häufig der Body-Mass-Index herangezogen. Wie aussagekräftig ist er?

Der Body-Mass-Index (BMI) berechnet sich aus dem Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße zum Quadrat (kg/m2). Für gesundheitlich bedenkliches Übergewicht ist der BMI jedoch allenfalls ein robes Richtmaß, weil er keinen Unterschied zwischen der relativ schweren Muskelmasse und der leichteren Fettmasse macht. Ein muskulöser Sportler kann deshalb einen höheren BMI haben als ein gleich schwerer Mann mit viel Bauchspeck. Darum lässt sich auch nicht genau sagen, ab welchem Gewicht man gegensteuern sollte.
Was gibt es für alternative Messmethoden?
Als wichtiger Gradmesser für Übergewicht gilt der Bauchumfang. Ideal für die Gesundheit gilt bei Frauen ein Umfang von unter 80 Zentimetern. Ab 88 Zentimetern spricht man von einem bauchbetonten Übergewicht – auch wenn das Gewicht auf der Waage normal zu sein scheint. Für Männer liegt der Bauchumfang idealerweise bei 94 Zentimetern, gesundheitlich bedenklich wird es für sie ab 102 Zentimetern. Dann heißt es: Ran an den Speck. Denn wir wissen, es gibt kein gesundes Übergewicht. Am Ende wird, je länger es besteht, fast jeder dadurch krank.
Inwiefern wird man mit der Zeit krank davon?
Die Dauerbelastung durch das Übergewicht führt zur Entwicklung von verschiedenen Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Gicht und Bluthochdruck gehören unter anderem dazu. Wir wissen, dass Bauchfett, das sich zwischen den Organen ablagert, verschiedene Hormone ausschüttet. Sie führen im Körper unter anderem zu einer erhöhten Entzündungsbereitschaft, und die macht sich dann
überall bemerkbar. Habe ich zum Beispiel beschädigte Gelenke, dann können diese sich leichter entzünden.
„Zwei wichtige Regeln für mich als Ernährungsmediziner sind: Der Mensch muss satt werden, und Essen muss Spaß machen. “
Dr. Matthias Riedl
Diabetologe, Ernährungsmediziner
Muss man Hungergefühle aushalten, um abzunehmen?
Nein, nicht wenn man täglich drei Mahlzeiten zu sich nimmt, die wirklich satt machen. Ich empfehle, mindestens 500 Gramm Gemüse pro Tag und je nach Körpergröße 20 bis 35 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit einzuplanen. Eiweiß ist der Hauptbaustein unserer Muskeln und hat noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Es sättigt, ohne sich groß auf den Blutzucker auszuwirken. Manche lassen das Eiweiß weg, zum Beispiel wenn sie nur Salat mit Essig und Öl essen, um abzunehmen. Davon werden sie aber nicht satt. Und wer nicht satt geworden ist, hat zwei oder drei Stunden nach dem Essen wieder Hunger und fängt an zu snacken.
Und was ist daran problematisch?
Wenn wir snacken, wird jedes Mal Insulin ausgeschüttet. Und Insulin ist ein Hormon, das bereits in kleinster Menge dazu führt, dass Fett eingelagert wird. Das heißt, Sie brauchen insulinarme Phasen, denn nur in diesen können Sie abnehmen. Deshalb empfehlen wir, sich auf zwei bis drei Mahlzeiten am Tag zu beschränken und dazwischen Pausen von vier bis fünf Stunden zu machen.
Warum ist es dabei wichtig, viel Gemüse zu essen?
Gemüse füllt wunderbar den Magen und sättigt. Es ist kalorienarm und liefert noch Ballaststoffe, welche die Verdauung fördern. Außerdem enthält es Bitterstoffe, die den Appetit hemmen. Wir wissen auch, dass sekundäre Pflanzenstoffe aus Gemüse, aber auch aus Olivenöl, eine satt machende Wirkung haben. Deshalb ist Olivenöl zum Beispiel viel sättigender als Rapsöl oder Sonnenblumenöl.
Wie schaffe ich es, überschüssige Pfunde dauerhaft loszuwerden?
Der Weg zum Abnehmen ist ganz unterschiedlich, denn jeder macht beim Essen andere Fehler. Wir empfehlen deshalb, ein Ernährungstagebuch zu führen und dort einzutragen, was und wie viel man am Tag gegessen und getrunken hat und wie man sich in der jeweiligen Situation gefühlt hat, ob man zum Beispiel gerade gestresst war oder müde.
Und was mache ich dann mit diesen Aufzeichnungen?
Ich schaue mir mein Essverhalten an, um Ernährungsfehler zu entdecken, und da gibt es dann meist so einige Aha-Effekte. Beim Zuckerkonsum kann ich mich zum Beispiel fragen, warum ich nachmittags immer so viel nasche. Dann gucke ich mir mal das Mittagessen an und stelle fest, dass mich diese Mahlzeit nicht satt macht. Also versuche ich, beim Mittagessen mehr Eiweiß und mehr Gemüse unterzubringen. Und ich reduziere Nudeln, Kartoffeln und Reis, also Kohlenhydrate. Wenn ich das genug geübt habe, kommt die nächste Maßnahme. Und so versucht man Stück für Stück, neue
Gewohnheiten im Leben zu verankern.
Warum gehe ich nicht besser mehrere Probleme gleichzeitig an?
Es ist ganz wichtig, sich am Anfang nicht zu viel vorzunehmen, sondern sich zu überlegen: Was beeinflusst meine Lebensqualität am geringsten, wenn ich es ändere? Zwei wichtige
Regeln für mich als Ernährungsmediziner sind: Der Mensch muss satt werden, und Essen muss Spaß machen. Wir hören dann etwa von Patientinnen und Patienten, dass ihnen das gesündere Frühstück mit Eiweiß, Joghurt, Haferflocken, Nüssen und Beeren sogar viel besser schmeckt als Weißbrot und Käse. Und dann machen sie damit auch weiter.
Was kann man gegen Frust- oder Stressessen machen?
Wir versuchen, durch Essen unsere Stimmung zu heben, wenn wir zum Beispiel schlecht gelaunt sind oder Stress haben. Wenn ich meine Steuererklärung machen muss und nach irgendwelchen blöden Belegen suche, dann ist mein Risiko groß, zu Schokolade zu greifen. Wenn ich mir das bewusst gemacht habe, dann esse ich eben ein paar Nüsse. Das ist viel besser. Oder ich mache mir einfach
einen Kaffee oder Tee, denn manchmal verwechseln wir auch Hunger und Durst.
Was essen Sie persönlich am liebsten?
Ich liebe alles mit Hülsenfrüchten, Hummus und Salat. Besonders gern mag ich zum Beispiel Linsensuppe. Die ist sehr gesund und schmeckt wunderbar.
Interview: Dr. Astrid Funck
Dr. Matthias Riedl ist Gast beim AOK-Gesundheitstag
Gesund abnehmen
Der Ernährungsexperte stellt am 11. September im Universum Bremen aktuelle Erkenntnisse aus der Ernährungsforschung vor und zeigt, wie man das eigene Essverhalten Schritt für Schritt verändern kann. Zudem gibt es in der Zeit von 15:30 bis 20:00 Uhr eine Reihe von Workshops, und die AOK Bremen/Bremerhaven, ihre Gesundheitspartner sowie Selbsthilfegruppen stellen ihre Angebote vor. Der Eintrittspreis beträgt acht Euro pro Person. Tickets sind vor Ort im Universum Bremen oder im Onlineshop erhältlich.
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