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Mental Load: Wenn die unsichtbare Last zur Gesundheitsgefahr wird

Veröffentlicht am:27.10.2025

3 Minuten Lesedauer

Die To-do-Liste im Kopf wird immer länger: Arzttermine koordinieren, Einkäufe planen, Elternabende im Blick behalten, Geschenke besorgen. Diese permanente Denkarbeit heißt Mental Load. Sie bleibt oft unsichtbar, kann aber stark belasten und sogar krank machen. Eine Expertin aus Baden-Württemberg spricht aus eigener Erfahrung und erklärt, wie man dem vorbeugt.

Eine junge Mutter hält ein Baby auf dem Arm, telefoniert gleichzeitig und sitzt vor einem Laptop mit Unterlage – Symbolbild für Mental Load im Familienalltag.

© iStock / damircudic

Was ist Mental Load?

Mental Load ist die geistige Anstrengung, die nötig ist, um den Alltag zu koordinieren, gerade in Familien. Es geht nicht um die Aufgaben selbst, sondern um die Denkarbeit dahinter. Wer an Mental Load leidet, plant permanent im Hintergrund mit.

Tückisch sind die vielen kleinen To-dos, die einzeln kaum der Rede wert scheinen, aber zusammen eine große Last ergeben. Ein Kinderarzttermin bedeutet mehr als nur hingehen: Wann steht die nächste Impfung an? Wer organisiert den Termin, wer begleitet das Kind, und was folgt aus den Ergebnissen? Hierzu haben wir auch im GESUNDNAH-Podcast mit Dr. Caroline Bialon, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin, gesprochen. Sie weiß, welche Warnsignale der Körper sendet. Autorin und Mental-Load-Expertin Laura Fröhlich berichtet, wie sie selbst an ihre Grenzen kam. Die wichtigsten Erkenntnisse fassen wir hier für Sie zusammen.

Warum trifft es besonders Frauen?

„Tatsächlich organisieren sich viele Paare vor dem ersten Kind recht gleichberechtigt“, sagt Laura Fröhlich. „Aber sobald ein Kind dazu kommt, fühlt sich vor allem die Mutter verantwortlich.“ Sie kennt das aus eigener Erfahrung: „Es waren Zeiträume von drei bis sechs Monaten, die ich überschauen musste. Mein Mann hat natürlich überlegt, was muss heute noch organisiert werden, hatte aber nicht den Weitblick."

Die Soziologin Allison Daminger hat nachgewiesen: Frauen übernehmen diese Rolle nicht aus biologischen Gründen, sondern weil die Gesellschaft es erwartet. „Das verstärkt das Bild der ‚perfekten Mutter‘, das überall präsent ist: im Kindergarten, in der Schule, in Filmen, Serien und auf Social Media“, erklärt Fröhlich. „Meist ist es die Mutter, die alles regelt, sich kümmert und die erste Ansprechperson bleibt.“

„Besonders schwer ist die Lage für Alleinerziehende und pflegende Angehörige. Frauen tragen hier doppelt so oft wie Männer die gesamte Last. „Sie stemmen Beruf und Fürsorge gleichzeitig. Für eine einzelne Person ist das kaum machbar“, so Fröhlich. 

Gesundheitliche Folgen

Es begann mit Selbstzweifeln: „Ich dachte, ich bekomme meinen Alltag nicht in den Griff. Ich sei chaotisch und vergesse alles“, erzählt Fröhlich. Bald spürte sie die Folgen körperlich: „Ich begann zu zittern, bekam Kopfschmerzen, konnte nicht mehr schlafen.“ Besonders schwer wog die Gereiztheit: „Ich war ständig auf 180. Mein Kopf war so voll, dass ich meine Gefühle nicht mehr steuern konnte.“

Pausen gab es im Grunde nicht mehr: „Wollte ich einen Kaffee trinken, fielen mir sofort neue Aufgaben ein. Statt zu entspannen, bestellte ich Matschhosen.“ Der Tiefpunkt kam im Urlaub: „Ich nahm mein Buchprojekt mit, schrieb nebenher Packlisten, plante Ausflüge. Da merkte ich: Ich kann nicht mehr abschalten. Es gibt für mich keinen Urlaub.“

Lauras Wege aus der Mental-Load-Falle

Porträt von Laura Fröhlich, Autorin und Expertin für Mental Load, in ihrem Wohnzimmer.
Laura Fröhlich ist Autorin und Mental-Load-Expertin aus Remseck am Neckar. Sie hat selbst erlebt, was es heißt, im Alltag überlastet zu sein und nicht mehr abschalten zu können.

  1. Perfektionismus ablegen
    „Familienalltag ist nicht perfekt – und muss es auch nicht sein“, sagt Fröhlich. Der Wendepunkt kam, als sie das Thema Mental Load benennen konnte: „Ich habe erkannt, dass ich nicht allein bin. Das hat alles verändert.“
  2. Aufgaben wirklich abgeben
    Sie zieht sich bewusst aus bestimmten Bereichen zurück: „Ich bin nicht mehr für alles zuständig.“ Auch wenn die Dinge anders laufen als bei ihr – das gehört dazu. Kontrolle abzugeben war entscheidend.
  3. Elternzeit fair aufteilen
    Rückblickend hätte sie sich eine gleichberechtigte Aufteilung gewünscht: „Es war eine Schieflage. Ich hatte die Überkompetenz, er den Zeitmangel.“
  4. Zeit für sich einplanen
    Heute achtet sie auf ihre Bedürfnisse: „Ich schreibe Tagebuch, suche bewusst Lücken im Kalender und plane Auszeiten – ganz ohne schlechtes Gewissen.“

Mental Load erkennen und gegensteuern

Warnsignale:

  • Ständige innere Unruhe, kein Abschalten möglich
  • Schlafstörungen durch Grübelschleifen
  • Gereiztheit, Stimmungsschwankungen
  • Körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Rückenschmerzen
  • Häufige Infekte, Erschöpfung
  • Schuldgefühle bei Pausen
  • Gefühl, für alles zuständig zu sein

Was hilft:
Selbstfürsorge

  • Regelmäßig „einchecken“: Wie geht es mir?
  • Auf Basisbedürfnisse achten (Schlaf, Essen, Trinken)

Aufgabenverteilung

  • Dienstpläne erstellen, Verantwortungen klar regeln
  • Elternzeit möglichst gleich aufteilen

Loslassen

  • Akzeptieren, dass andere Aufgaben anders erledigen
  • Aus bestimmten Bereichen bewusst zurückziehen

Kommunikation

  • Unsichtbare Arbeit sichtbar machen
  • Bei Überlastung professionelle Hilfe suchen

Zeit für sich

  • Termine mit sich selbst setzen
  • Offline-Aktivitäten (z. B. Schwimmen, Spaziergänge)

Langfristig denken

  • Rollenbilder kritisch hinterfragen
  • Selbstfürsorge vorleben

Weiterhören: Hier geht’s zur GESUNDNAH-Podcastfolge „Mental Load, wenn der Kop nie Feierabend hat.“ – mit Laura Fröhlich und Dr. Caroline Bialon. 

Weiterlesen: Wie faire Aufgabenverteilung funktionieren kann, erfahren Sie im Interview mit Patricia Cammarata, Diplom-Psychologin und Buchautorin („Raus aus der Mental Load-Falle“). 

Fachlich geprüft
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