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Kinderreha – Warum Reha-Maßnahmen so wichtig sind

Veröffentlicht am:01.03.2023

7 Minuten Lesedauer

Alwin Baumann, Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V. spricht über die momentane Situation der stationären Rehabilitation und erklärt, wie die jungen Patienten und Patientinnen von dieser Maßnahme profitieren können.

Ein Junge und sein Vater sprechen mit einer Ärztin über die Möglichkeit einer Kinderreha.

© iStock / bluecinema

Durch Kinderreha den Alltag erleichtern

Für Kinder und Jugendliche mit körperlichen oder psychischen Problemen kann eine mehrwöchige Rehabilitation eine Chance sein. Denn unbehandelt wirken diese Probleme sich oft auf verschiedene Lebensbereiche aus: das soziale Umfeld, das Leistungsvermögen in der Schule oder Ausbildung und das Selbstwertgefühl der jungen Patienten. Während einer Reha profitieren sie von gezielten Maßnahmen, die den Umgang mit ihrer Erkrankung im Alltag erleichtern und die Lebensqualität nachhaltig verbessern.

In unserem Interview erläutert Alwin Baumann – Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V. – unter anderem, wie sich der Rehabedarf in den letzten Jahren entwickelt hat, wie Eltern eine Kinderreha beantragen können und wie der Tagesablauf in einer Rehaklinik aussieht.

Wann benötigen Kinder und Jugendliche eine Reha?

Alwin Baumann: Üblicherweise ist es so, dass bei Kindern und Jugendlichen ein Rehabedarf entsteht, wenn sie in ihrem Alltag nicht mehr zurechtkommen. Hierbei spielt das Thema „Teilhabe“ eine große Rolle. Sie gehen oft nicht mehr in den Kindergarten oder in die Schule und treffen keine Freunde mehr. Die Gründe dafür sind überwiegend gesundheitlicher Natur.

Ein konkretes Beispiel ist die starke Neurodermitis. Sobald ein Kinderarzt sieht, dass er hier mit einer ambulanten Behandlung nicht weiterkommt und die ärztliche oder therapeutische Betreuung nicht ausreicht, ist eine stationäre Rehabilitation empfohlen.

Eine stationäre Reha ist jedoch nicht bei allen gesundheitlichen Problemen zwingend erforderlich. Wer beispielsweise mit Asthma oder ADHS seinen Alltag gut bewältigt, benötigt dementsprechend auch keine Reha.

„Sobald ein Kinderarzt sieht, dass er hier mit einer ambulanten Behandlung nicht weiterkommt und die ärztliche oder therapeutische Betreuung nicht ausreicht, ist eine stationäre Rehabilitation empfohlen.“

Alwin Baumann
Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V.

Inwiefern hat sich der Rehabilitationsbedarf während der Corona-Pandemie verändert?

Ganz deutlich. Ehrlich gesagt waren wir alle überrascht. Zu Beginn der Pandemie gingen die Rehabilitations-Anträge stark zurück. Die üblichen Reha-Maßnahmen zur Linderung von Asthma oder Hauterkrankungen haben sich praktisch halbiert. Auf der anderen Seite sind die Anträge auf psychosomatische Rehabilitation Stück für Stück angestiegen. Je länger die Pandemie ging, umso stärker konnte man diesen Effekt beobachten.

Bei Kindern und Jugendlichen wurden die Anträge insbesondere wegen Depressionen, Angststörungen, Sprachentwicklungsstörungen sowie sozialer und emotionaler Probleme gestellt. Die Gründe dafür waren eindeutig pandemiebedingt. Maßnahmen wie Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen haben dazu geführt, dass die Probleme auf dieser Ebene immer stärker geworden sind. Das hat wiederum zu einem Anstieg der entsprechenden Reha-Maßnahmen.

Sind Eltern über die Möglichkeiten einer Kinderreha hierzulande ausreichend informiert?

Das ist leider nicht der Fall und ein Grundproblem der Kinder- und Jugendreha. Es gibt Untersuchungen vom RKI aus dem Jahr 2019, die zeigen, wie groß der tatsächliche Reha-Bedarf ist. Dabei kam man auf eine Zahl von einer halben Million Kinder und Jugendliche, die von einer Reha profitieren würden. Tatsächlich nehmen jedoch nur etwa 30.000 eine Maßnahme in Anspruch.

Ein Grund dafür ist, dass für viele das Wort „Reha“ einen anderen Zusammenhang hat. Man verbindet es mit Rollstühlen und Behinderungen. Was eine Kinder- und Jugendreha eigentlich bedeutet und leistet, ist den wenigsten bekannt. Selbst bei vielen Schulpsychologen und Therapeuten herrscht hier noch großes Unwissen.

Was kann man gegen diese Unwissenheit machen?

Sowohl wir als auch die Krankenkassen versuchen, permanente Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch obwohl diesbezüglich in der Vergangenheit viel gemacht worden ist, hat sich am allgemeinen Informationsstand leider nicht so viel geändert. Umso wichtiger ist es, dass Ärzte, Lehrer, Kindergärtner usw., wenn sie entsprechende Kinder vor Ort haben, die Eltern auf die Möglichkeiten der Kinderreha aufmerksam machen.

Eine Junge und sein Vater sprechen mit einem Ernährungsberater über gesunde Ernährung.

© iStock / supersizer

Nach der Kinderreha können weitere Maßnahmen die Kinder im Umgang mit ihrer Erkrankung unterstützen – zum Beispiel eine Ernährungsberatung.

Wie bekommen Eltern eine Reha für ihr Kind bewilligt?

Als Erstes gehen sie zu ihrem Kinderarzt, zum Hausarzt oder ihrem Kinder- und Jugendpsychiater, sofern das Kind dort bereits Patient ist. Der weitere Weg ist tatsächlich relativ einfach. Sie wenden sich in Absprache mit ihrem Arzt an die Krankenkasse und fordern die benötigten Unterlagen an. Der Zugang ist mittlerweile stark vereinfacht worden.

Der Kinderarzt muss für den Antrag ein entsprechendes Formular ausfüllen. Das funktioniert in der Regel gut und es kommt nur sehr selten vor, dass eine Maßnahme abgelehnt wird. Zusammengefasst: Wenn man erstmal beim Arzt ist, verläuft der weitere Prozess meistens reibungslos.

Muss man die Kinder und Jugendlichen zu einer Reha überreden oder gehen die meisten freiwillig?

Bei Kindern ist das in der Regel kein Problem. Bis zum zwölften Lebensjahr ist zudem eine Begleitperson bewilligt, sodass Mutter oder Vater ihr Kind während der Maßnahme begleiten können. Daher fällt den Kindern der Gang in die Klinik leicht. Bei Jugendlichen verhält es sich dagegen teilweise etwas anders. Sie erkennen oft nicht wirklich, dass sie bei ihrem Problem Unterstützung brauchen und etwas tun müssen. Hier ist Motivation unsererseits gefragt. Auch die Option des freiwilligen Abbruchs der Maßnahme hilft hierbei. Eine Rehaklinik ist ja kein Gefängnis.

Ich selbst habe über 35 Jahre lang eine Klinik geleitet. Und es war eigentlich immer so, dass die Jugendlichen die Notwendigkeit der Maßnahme nach ein paar Tagen auch verstanden haben und hoch motiviert waren. Nach einer gewissen Zeit begreifen sie, dass es nicht um die Ärzte oder Eltern geht – sondern in erste Linie um sie.

„Bis zum zwölften Lebensjahr ist eine Begleitperson bewilligt, sodass Mutter oder Vater ihr Kind während der Maßnahme begleiten können.“

Alwin Baumann
Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V.

Wie sieht der Tagesablauf in einer Rehaklinik aus

Generell sind die Angebote sehr strukturiert, sodass der Tagesablauf festgelegt ist. Am Anfang findet immer ein Aufnahmegespräch statt, bei dem die Eltern dabei sind. Ausgehend von diesem Gespräch entsteht der individuelle Therapie- beziehungsweise Tagesplan für das Kind oder den Jugendlichen. Dieser wird jede Woche aktualisiert. Auf dem Plan stehen zum einen die üblichen Gespräche mit Therapeuten. Dazu kommen verschiedene Angebote wie Physiotherapie, sportliche Therapien, Ergotherapie oder Logopädie.

Wichtig zu erwähnen ist, dass die Einrichtungen alle staatlich anerkannte Schulen haben. Die Kinder und Jugendlichen gehen also auch während der Reha in die Schule – natürlich mit einer reduzierten Stundenzahl. Dennoch treten nach einer vierwöchigen Kinderreha normalerweise keine schulischen Anschlussprobleme auf.

Was kann eine vierwöchige Reha bewirken? Welche Ziele sollen erreicht werden

Die meisten Kinder und Jugendlichen, die in eine Reha gehen, haben wirklich große gesundheitliche oder persönliche Probleme. Diese kann man nicht innerhalb von vier Wochen komplett verschwinden lassen. Ein stark übergewichtiger Junge kommt zum Beispiel nach vier Wochen Reha nicht völlig schlank wieder zurück.

Die Maßnahme ist vielmehr dazu da, einen Anstoß für grundsätzliche Veränderungen zu geben. Eltern und Jugendliche lernen hier sehr viel über die Krankheit beziehungsweise das individuelle Problem und bekommen entsprechende Werkzeuge mit auf den Weg, um die Lebensqualität zu verbessern. Das funktioniert in der Regel sehr gut.

Gibt es nach der Reha eine weitergehende Betreuung?

Ganz viele Angebote einer Rehabilitation sind darauf ausgelegt, dass sie nach der Entlassung fortgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise bestimmte Ernährungspläne für Kinder und Jugendliche mit Essstörungen. Ähnlich verhält es sich bei Patienten mit Neurodermitis oder ADHS.

Auch hier gehen die jeweiligen Fachleute im Abschlussgespräch darauf ein, was sie und die Eltern konkret tun können, um über die Maßnahme hinaus mit ihrer Krankheit gut leben zu können. So werden zum Beispiel Empfehlungen für eine Erziehungsberatung oder Ernährungsberatung ausgesprochen. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Kinder und Jugendlichen am Ende einer Reha-Maßnahme gut gerüstet zurück in ihren Alltag gehen.

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Reha für Kinder und Jugendliche: Die AOK übernimmt die Kosten

Zuständig für die Kostenübernahme einer Kinderreha sind gleichermaßen die Rentenversicherungen und die gesetzlichen Krankenkassen. Du kannst daher die Maßnahme entweder bei deinem Rentenversicherungsträger oder bei deiner AOK beantragen. Wir übernehmen die vollständigen Kosten für:

  • Behandlung, Verpflegung und Unterkunft des Kindes
  • Reise- und Nebenkosten, auch für eine erforderliche Begleitperson
  • Verdienstausfall der Begleitperson

Als AOK-Versicherter oder -Versicherte musst du für die Reha-Maßnahme keine Zuzahlung leisten. Alle weiteren wichtigen Informationen findest du auf unserer Kinderreha-Seite.

Verkürztes Beantragungsverfahren bei Kinderreha

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg hat in Zusammenarbeit mit der AOK Baden-Württemberg ein verkürztes Antragsverfahren zur Beantragung einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme für Kinder und Jugendliche entwickelt. Sind Eltern und Kinder Teilnehmende der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV), profitieren sie davon. Voraussetzung für die Bewilligung ist dann lediglich die Einwilligung der Eltern sowie ein Kurzantrag der zuständigen Ärztin oder des Arztes. Die Begutachtung des Medizinischen Dienstes entfällt.

Zudem muss ein Versorgungsbedarf für das Kind beziehungsweise den Jugendlichen bestehen. Dieser ist gegeben bei Atemwegserkrankungen, Neurodermitis, allgemeinen allergischen Reaktionen und Adipositas. Der HZV bewilligt darüber hinaus auch depressive Störungen, Angst- und Panikattacken sowie Störungen des Sozialverhaltens.

Rehakliniken in Baden-Württemberg

Bei uns im Ländle gibt es mehrere Rehakliniken, die in ihrer medizinischen Ausstattung und mit einem fachübergreifenden Team speziell auf Beschwerden im Kindes- und Jugendalter sowie junger Erwachsener ausgerichtet sind:

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