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So können Sie den Gender Care Gap überwinden

Veröffentlicht am:07.10.2022

6 Minuten Lesedauer

Das Bild der klassischen Hausfrau gilt als veraltet. Dennoch übernehmen Frauen weiterhin den Großteil der Haushalts- und Sorgearbeit. Dieses Ungleichgewicht wird Gender Care Gap genannt. Für Frauen ist das ein finanzielles Risiko.

Mutter leistet Care-Arbeit und kümmert sich gleichzeitig um Haushalt und Erziehung ihrer Tochter.

© iStock / Three Spots

Was ist der Gender Care Gap?

Kinderbetreuung, Hausarbeit, die Pflege von Angehörigen, das Organisieren des Alltags: All diese Tätigkeiten sind Arbeit, auch wenn sie unbezahlt ist. Da diese sogenannte Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen nicht gleichmäßig verteilt ist, spricht man von einer „Gender Care Gap“: Es klafft eine Lücke (engl. gap) zwischen den Zeiten, die Männer und Frauen für Arbeiten rund um Haushalt und Familie aufbringen.

Der Gender Care Gap ist ein Marker, der etwas über die Gleichstellung von Männern und Frauen aussagt und die Unterschiede in der Rollenaufteilung der Geschlechter aufzeigt. Ein anderer bekannter Indikator für den Stand der Gleichstellung ist der Gender Pay Gap. Dieser Begriff beschreibt laut Definition die Gehalts- oder Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen.

Gender Pay Gap oder Gender Care Gap?

Begriffe wie Gender Pay Gap und Gender Care Gap gehen oft Hand in Hand, denn sie zeichnen das gleiche Bild.

Ein Geschlecht ist besonders stark am Arbeitsmarkt vertreten und bekommt die Arbeitsleistung besser entlohnt als das andere. Mitglieder des anderen Geschlechts leisten den größeren Teil der unbezahlten Arbeit abseits der Erwerbstätigkeit. Konkret sind es Männer, die im Durchschnitt mehr verdienen als Frauen (Gender Pay Gap), während die Frauen den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit stemmen (Gender Care Gap).

Wie groß ist der Gender Care Gap?

Frauen leisten durchschnittlich 4 Stunden und 13 Minuten Sorgearbeit am Tag, Männer nur 2 Stunden und 46 Minuten. Das entspricht täglich rund 87 Minuten Mehraufwand für Care-Arbeit. Der Gender Care Gap liegt damit in Deutschland bei 52,4 Prozent.

Die ungleichmäßige Verteilung der unbezahlten Betreuungs- und Hausarbeit ist in bestimmten Altersstufen noch deutlicher. Bei den 34-Jährigen klafft der Spalt besonders stark: Hier beträgt der Gender Care Gap über 110,6 Prozent. Frauen in dieser Altersgruppe leisten also mehr als doppelt so viel Care-Arbeit wie Männer. Ein Grund für die hohen Zahlen: In dem Alter bündeln sich zeitlich viele Ereignisse wie Beruf und Familiengründung. Die meiste Sorgearbeit fällt in Haushalten mit Kindern an.

Ähnlich zeigt es sich in Familien mit behinderten oder chronisch kranken Kindern: Bei 80 Prozent der betroffenen Familien sind die Mütter die Hauptbezugspersonen der Kinder. Die Väter sind es nur in drei Prozent der Fälle. In den übrigen 17 von 100 Familien teilen sich Männer und Frauen etwa gleich auf. Die Gender Care Gap schlägt sich auch hier deutlich in den Arbeitszeiten der Geschlechter nieder. Mehr als die Hälfte der Mütter ist nur geringfügig beschäftigt oder arbeitet in Teilzeit, 34 Prozent sind sogar gar nicht berufstätig. Lediglich zwölf Prozent der Mütter mit einem kranken Kind arbeiten in Vollzeit – bei den Vätern sind es 87 Prozent.

Warum ist der Gender Care Gap besonders für Frauen ein Nachteil?

Dass Frauen einen viel größeren Teil der Care-Arbeit übernehmen, bringt für sie viele Nachteile – insbesondere finanzielle. Da sie zu Hause mehr eingespannt sind, leisten sie weniger Erwerbsarbeit. In der Folge sind Frauen deutlich häufiger in Teilzeit beschäftigt als Männer. Dadurch verdienen sie weniger, weshalb sie kurzfristig und langfristig weniger Geld zur Verfügung haben.

Da Frauen im Laufe ihres Lebens aufgrund von geringerer Erwerbsbeteiligung, häufigerer und längerer sorgebedingter Erwerbsunterbrechungen oder sorgebedingter Teilzeitarbeit weniger Geld verdienen, fällt auch ihre gesetzliche Rentenversicherung (und gegebenenfalls betriebliche Rente) niedriger aus. Die Möglichkeiten, eine private Altersvorsorge aufzubauen, sind dadurch ebenfalls beschränkt. In einigen Fällen reichen dann die erwirtschaften Ansprüche an die Alterssicherung nicht aus, um davon leben zu können. Frauen mit niedriger eigenständiger Altersrente können entweder von einer höheren Altersrente anderer Personen im Haushalt, zum Beispiel des Ehepartners, leben oder Hinterbliebenenrenten beziehen. Diese Absicherung ist jedoch keine eigenständige wirtschaftliche Sicherung für das Alter. Sie kann unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei Wiederheirat, sogar wegfallen.

Wenn Frauen trotz Berufstätigkeit den Großteil der Care-Arbeit stemmen müssen, entsteht eine zusätzliche Belastung. Es fällt schwer, die Sorgearbeit mit der beruflichen Arbeit zu vereinbaren. Gleichzeitig ist es mit einer Teilzeitbeschäftigung schwieriger, die eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern und eine Karriere zu verfolgen. Führungspositionen werden in der Regel nur als Vollzeitstellen besetzt. Das erschwert es Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sich beruflich weiterzuentwickeln.

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Was ist das Problem der Sandwich-Generation?

Care-Arbeit und Berufstätigkeit in Einklang zu bringen, ist nicht nur eine Herausforderung für Eltern kleiner Kinder. Frauen und Männer mittleren Alters stehen häufig vor der Aufgabe, ihre eigene Existenz durch die Arbeit im Job zu sichern, Schulkinder zu betreuen und zusätzlich die Pflege für die eigenen Eltern oder deren Organisation zu übernehmen. Da sie Sorgearbeit „in beide Richtungen“ leisten, hat sich die Bezeichnung „Sandwich-Generation“ etabliert.

Für Frauen der Sandwich-Generation entsteht eine besondere Belastung, da sie auch in Bezug auf die Pflege Angehöriger den größeren Zeitaufwand haben. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist für viele eine ähnliche Herausforderung wie die Betreuung kleiner Kinder bei zusätzlicher Berufstätigkeit. Eine Situation, die sich in Hinblick auf den demografischen Wandel noch weiter verschärfen wird: In Zukunft wird es immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen geben, aber immer weniger jüngere Menschen, die sie versorgen können.

Was hilft, den Gender Care Gap zu vermeiden?

Es ist im Grunde einfach: Um den Gender Care Gap zu schließen, müssten einerseits Erwerbspersonen, in der Regel Männer, mehr unbezahlte Care-Arbeit übernehmen. Die Personen, die ein Übermaß an Sorgearbeit leisten – meist die Frauen – müssten sich mehr der Erwerbsarbeit widmen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Rahmenbedingungen dahingehend zu verbessern, dass Frauen und Männer gleich stark am Arbeitsmarkt präsent sein können und dass Aufgaben wie die Betreuung von Kindern und die Pflege Angehöriger fairer unter den Geschlechtern verteilt werden.

Von Seiten der Politik bietet die Gestaltung von Elternzeit und Elterngeld Anreize, dass Väter sich stärker in die Care-Arbeit einbringen. Die Familienpflegezeit stellt für Menschen der Sandwich-Generation eine Möglichkeit dar, die Pflege von Angehörigen besser mit der Berufstätigkeit zu verbinden.

Der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sowie einer zuverlässigen Pflege-Infrastruktur, auch für pflegbedürftige Kinder und Jugendliche, sind wichtige Stellschrauben, die es Frauen ermöglichen, weniger Sorgearbeit zu leisten. Arbeitsplätze müssen familienfreundlicher werden. Wichtig ist aber auch, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und eine gleichgewichtige Arbeitsteilung in die Praxis umzusetzen. Care-Arbeit ist nicht „Frauensache”, ebenso wie es nicht „Männersache“ ist, das Geld für die Familie zu verdienen.

Mann kocht mit behindertem Sohn und hilft, den Gender Care Gap zu schließen.

© iStock / Halfpoint

Um den Gender Care Gap zu beheben, müssen Männer mehr unbezahlte Care-Arbeit übernehmen.

Welche Leistungen bietet die AOK zur Pflegeberatung an?

Die Leistungen der AOK unterscheiden sich regional. Mit der Eingabe Ihrer Postleitzahl können wir die für Sie zuständige AOK ermitteln und passende Leistungen Ihrer AOK anzeigen.

Mit diesen praktischen Tipps dem Gender Care Gap entgegenwirken

Den Gender Care Gap zu überwinden, ist eine wichtige Aufgabe, an der Politik, Unternehmen und die gesamte Gesellschaft mitwirken müssen. Doch auch in jedem Haushalt und jeder Familie gibt es Möglichkeiten, den Gender Care Gap auszubremsen.

Diese Tipps helfen dabei:

  • Teilen Sie Elternzeit unter beiden Eltern gleich auf. Es gibt sogar insgesamt mehr Elterngeld-Monate, wenn beide Elternteile in Elternzeit gehen.
  • Behandeln Sie die Pflege Angehöriger als eine Aufgabe, die grundsätzlich beide Partner stemmen müssen: Nehmen Sie beide Familienpflegezeiten auf sich.
  • Schauen Sie gemeinsam, welche Aufgaben rund um Haushalt, Familie und Garten anfallen und welchen Zeitaufwand sie beanspruchen.
  • Üben Sie Wertschätzung für die unbezahlte Sorgearbeit. Auch sie ist Arbeit und bringt einen Wert, der häufig erst auffällt, wenn die Care-Arbeit nicht mehr erledigt wird.
  • Errechnen Sie den finanziellen Wert der Sorgearbeit: Kochen, Waschen, Putzen, Kinderbetreuung – listen Sie einmal auf, was professionelle Dienstleister für die Erledigung dieser Aufgaben bekommen würden. Dies rückt die Rechnung, ob es „sich lohnt“, mehr zu arbeiten, in ein anderes Licht.
  • Teilen Sie Aufgaben nach Interesse und Eignung auf: Vielleicht kocht einer oder eine von Ihnen lieber, dafür hat er oder sie kein Talent zum Bügeln. Wenn die Sorgearbeit nach persönlichen Interessen vergeben wird, rückt eine gerechtere Aufteilung in den Fokus.

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