#Aktivität am 16.11.2022

Warum Singen so gesund ist

Zwei junge Mädchen, die Sonnenbrillen tragen, singen in ihrem Wohnzimmer und feiern ausgelassen ihre eigene private Showeinlage.
iStock / DaniloAndjus

Einfach einmal losschmettern! Egal, ob der Ton getroffen wird oder schräg klingt, ob allein oder in einer Gruppe – Singen macht glücklich. Wir sprechen mit Vocal Coach und Sängerin Debbie Kammerer aus Stuttgart über ihre Leidenschaft und die positive Kraft der Musik.

Viele Studien bestätigen es mittlerweile: Singen kann Herz und Kreislauf stärken, durch die Ausschüttung des Hormons Dopamin gute Laune machen und das Stresslevel senken. Musik wirkt beruhigend und löst die unterschiedlichsten Empfindungen aus.

In unserem Interview erzählt die Berufssängerin Debbie Kammerer unter anderem, was Singen für sie bedeutet, wie sie ihre Stimme in Form hält und warum Musik Balsam für die Seele sein kann.

Berufssängerin Debbie Kammerer lächelt in die Kamera.
Debbie Kammerer

Frau Kammerer, macht Singen glücklich?

Definitiv ja! Aber noch so viel mehr als „nur“ glücklich.

Wie meinen Sie das? Was bedeutet Ihnen das Singen genau?

Singen ist für mich ein Lebenselixier. Ein Leben ohne Singen ist für mich persönlich nicht denkbar. Durch das Singen kann ich meinem Innersten, meiner Seele, meinen Gefühlen einen Ausdruck verleihen und eine Stimme geben. Ohne diese Art des Gefühlsausdrucks würde ich innerlich verhungern und gleichzeitig platzen. Meine Gefühle müssen aus mir raus, ob ich möchte oder nicht. Singen heilt mein Innerstes. 

Was empfinden Sie, wenn Sie auf einer Bühne stehen und Ihre Songs spielen?

Da ich sehr viel als Singer-Songwriterin unterwegs bin und das Privileg habe, hauptsächlich eigene Songs auf der Bühne singen zu dürfen, ist es jedes Mal ein Gefühl des „emotional nackt Ausziehens“ vor den Menschen im Publikum. Denn meine Songs kommen aus dem Innersten meines Herzens und ich nehme kein Blatt vor den Mund, wenn es um Gefühle geht.

Warum? Um den Menschen zu helfen, ihnen zu sagen: „Hey, du bist nicht allein mit deinem Schmerz, deinen Gefühlen!“ Wenn nur ein einziger Mensch bei meinen Konzerten durch meine Songs berührt wurde und verändert nach Hause gehen kann, war es das hundert Prozent wert.

Das Gefühl zu helfen, zu berühren, mit unerschrockener Ehrlichkeit zu „schocken“, mit anderen zu weinen und zu lachen und den Menschen durch meine Songs auf ganz tiefer Ebene zu begegnen, liebe ich wie nichts sonst auf der Welt. Es ist unvergleichbar.

Wie trainieren Sie Ihren Gesang? Haben Sie im Laufe der Zeit eine Übungsroutine entwickelt?

Als Berufssängerin ist es sehr wichtig, sich immer wieder aufs Neue bewusst zu machen, dass der Stimmapparat ein großes Wunder der Natur ist. Für mich ist es die faszinierendste Muskelpartie des ganzen Körpers, die auch gepflegt werden muss. Da man die Stimmlippen von außen nicht sehen kann, ist vielen nicht bewusst, wie viel sie leisten und dass man sie sehr gut trainieren muss, um dauerhaft gesund singen zu können.

Dafür ist es sehr wichtig, den Stimmapparat nach einer Erkrankung mit Halsschmerzen, viel Schleimbildung etc. gut ausheilen zu lassen, bis man wieder voll einsteigt. Ich singe mich jeden Tag vor Arbeitsbeginn mit meinen Schülern und Schülerinnen oder vor Bandproben mit meinen Lieblingsgesangsübungen ein. Die Gesangsübungen variieren je nach körperlicher Verfassung und Stimmung.

Da ich jeden Tag berufsbedingt viele Stunden singe und spreche, ist mein Stimmapparat sehr trainiert und mein ganzer Körper weiß durch jahrelange Routine, wie er meine Stimme wann und wie stark stützen muss. 

Wie bringen Sie kurz vor Auftritten Ihre Stimme auf Betriebstemperatur?

Am besten singe ich mich ein, während ich im Backstagebereich auf und ab laufe und zuerst mit einem dickeren Strohhalm in einer Glasflasche mit Wasser Töne „blubbere“ („Lax-Vox-Prinzip“). Dadurch wird der ganze Stimmapparat locker, ohne Druck aufgewärmt und die Stimmlippen kommen entspannt in Schwingung.

Das Prinzip ist gleich wie bei Sportlern, die sich vor jedem Wettkampf oder Training aufwärmen, da sonst schnell Verletzungen entstehen können. Nach dem „Blubbern“ folgen meine auf mich zugeschnittenen Einsingübungen mit ganzkörperlichen Bewegungen. Denn gesundes Singen bedeutet Einsatz des ganzen Körpers. 

Haben Sie immer noch Lampenfieber?

Lampenfieber gehört definitiv vor jedem Auftritt mit dazu und ist auch wichtig. Ich sage immer zu mir selbst: „Wenn du vor Auftritten keine innere Aufregung mehr spürst, dann stimmt etwas nicht mehr.“ 

Das Lampenfieber darf einen natürlich nicht so sehr beherrschen, dass man unfähig wird, richtig zu handeln und vor allem zu singen. Dabei ist wichtig, auf was ich mich innerlich fokussiere. Ich sage mir vor jedem Auftritt: „Geh raus, zeig dich mit all deinen Facetten und berühre die Menschen!“

Das hilft mir sehr, den wahren Grund, warum ich das alles mache, immer wieder vor Augen zu führen und zu verinnerlichen. Dadurch lässt sich die innere Panik, die sich oft einschleichen mag, wegschieben und durch freudige Erregung und positive Aufregung ersetzen. Dafür braucht es auch mentale Übung und Routine. 

Das Ländle singt

Wir haben für dich ein paar interessante Daten und Fakten zum Musikland Baden-Württemberg zusammengestellt:

  • In Baden-Württemberg sind rund 1,6 Millionen Menschen, das entspricht 17,2 Prozent der Bevölkerung, aktiv in Musikvereinen engagiert, lernen ein Instrument, sind in Musikberufen tätig oder nehmen in anderer Weise am Musikleben teil. Knapp 30.000 Beschäftigte leben in Baden-Württemberg vom Arbeitsmarkt Musik. 
  • 4.700 Chöre, 5.700 Blasorchester, 100 Spielmannszüge und fünf Musikhochschulen sind im Ländle aktiv.
  • 2017 erhielten elf baden-württembergische Chöre und ein Posaunenchor die Auszeichnungen ZELTER-Plakette und PRO MUSICA-Plakette des Bundespräsidenten. Damit kam ein Drittel aller bundesweit ausgezeichneten Chöre aus dem Ländle.
  • 70 Jahre existiert das Bundesland Baden-Württemberg nun schon. Doch eine Baden-Württemberg-Hymne gibt es bis heute nicht. Stattdessen werden in manchen Regionen historische Landeshymnen, wie das Badnerlied, die Hymne der Württemberger und das Hohenzollernlied angestimmt. 

Wirkt sich Stress auf Ihre Stimme aus? Welche Dinge schlagen generell auf die Stimme?

Leider haben wir Sänger das große „Pech“, dass unser Instrument, die Stimme, sehr stark abhängig ist von äußeren Umständen und momentanen Gefühlslagen. Stress, Angst, Liebeskummer, Verlust, Müdigkeit und Unsicherheit können alles Auslöser von Stimmproblemen sein.

In meinem Beruf als Vocal Coach ist es besonders spannend und manchmal auch schockierend, wie sehr die Stimme mit der Seele, mit dem Herzen und mit Gefühlen aller Art verbunden ist. Ich höre und sehe nach wenigen Minuten bei meinen Schülern und Schülerinnen, wie es ihnen gerade geht. Dieser Aspekt ist aber gleichzeitig ein wunderschöner, da die eigene Stimme selten lügt und man die oft aufgebauten Fassaden nicht lange aufrechterhalten kann. Das liebe ich am meisten an der Stimme, am Singen – dass es live so ehrlich und unverwechselbar ist.

Was tun Sie, wenn Ihre Stimme mal versagt? Haben Sie ein paar Geheimtipps bei Husten und Heiserkeit?

Wenn die Stimme aufgrund von Husten und Heiserkeit versagt, ist mein Weg folgender: 

  • Schweigen! 
  • Permanent Tee trinken (frischer Ingwer, Zitrone und Honig) und inhalieren (mit Salzwasser oder Kamillentee). 
  • Auskurieren.
  • Wenn Besserung in Sicht ist, langsam mit Lax-Vox-Übungen (siehe oben) die Stimmlippen wieder an die Schwingungen gewöhnen. 

Was kann Musik Ihrer Meinung nach bei Menschen bewirken?

Musik bringt Freude, Spaß und Schönheit hervor. Sie verändert, lässt lieben und vergeben, verbindet, lässt Emotionen zu und kann dadurch zu innerer Heilung führen.

Singen oder nicht Singen – wie musikalisch bist du?

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    veröffentlicht am 16.11.2022
    AOK-Expertin „Psyche und Seele“

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