Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Achtsamkeit

Um Hilfe bitten: Warum es uns so schwerfällt und warum wir es dennoch öfter tun sollten

Veröffentlicht am:14.08.2020

3 Minuten Lesedauer

Irgendwann stößt jeder einmal an seine Grenzen. Oft vermeiden wir es aber, in einer solchen Situation andere um Hilfe zu bitten. Dadurch machen wir uns das Leben schwerer, als es eh schon ist. Und: Es gibt gute Gründe, unsere Scheu abzulegen und Hilfe anzunehmen.

Ein Wanderer reicht einem anderen die Hand, um ihm beim Aufstieg zu helfen

© iStock / kieferpix

Alles können und wissen – wer will das nicht? Denn das würde bedeuten, nicht auf andere angewiesen zu sein. Die Wahrheit ist aber: Jeder kommt früher oder später in eine Situation, in der er alleine nicht mehr weiterkommt. Dann haben wir die Wahl: Entweder wir versuchen, das Problem doch selber zu lösen, und vergeuden dabei mitunter viel Zeit, Kraft und Nerven. Oder wir machen uns das Leben leichter und holen uns Unterstützung von anderen. Für Letzteres entscheiden wir uns aber zu selten. Und das liegt oft an falschen Annahmen und Überzeugungen. 

Der Wunsch nach sozialer Anerkennung

Machen wir uns nichts vor: In der heutigen Zeit ist es nicht gerade ein Leichtes, sich selbst und anderen Schwächen und Unzulänglichkeiten einzugestehen. Genau das tut man nämlich, wenn man jemanden um Hilfe bittet. Die sozialen Medien verschärfen noch das Problem: Andere dürfen und sollen nur die schönen Seiten unseres Lebens zu Gesicht bekommen. 

Das vermittelt ein verzerrtes Bild von der Realität, dem wir nur zu gerne auf den Leim gehen. Hilfsbedürftigkeit – so erscheint es uns – passt nicht so recht in eine Welt vermeintlicher Perfektion. So nimmt der Erfolgs- und Leistungsdruck zu und mit ihm die Sorge, nicht mithalten zu können, wenn man seine Unvollkommenheit offen zugibt. 

Das Bedürfnis nach Anerkennung ist für uns Menschen ein unglaublich wirkmächtiger Faktor, der uns dann daran hindert, andere um Hilfe zu bitten. Das trifft besonders auf das berufliche Umfeld zu, in dem wir bestrebt sind, unsere Kompetenz und Expertise unter Beweis zu stellen. Es kann mitunter große Ängste auslösen, wenn man bei einer Aufgabe fremde Hilfe benötigt. Vor Kollegen und Vorgesetzten zugeben, alleine nicht weiterzukommen? Für viele unvorstellbar. 

Die negative Kosten-Nutzen-Rechnung

Sich mit einer Bitte an andere zu wenden, scheint auf vielen Ebenen mit Risiken verbunden zu sein. Man öffnet sich dem Gegenüber, gibt eigene Schwächen preis und macht sich dadurch verletzbar. Zugleich ist es jederzeit möglich, vom Gegenüber ein Nein als Reaktion auf die eigene Bitte zu hören. Gar nicht erst zu fragen, kann für viele die attraktivere Option sein, da man dadurch einer Enttäuschung zuvorzukommen kann. Nicht selten stecken schlechte Erfahrungen hinter der Erwartung, eine Ablehnung zu erfahren. Und das kann leicht zu der „Ich muss alles alleine machen“-Einstellung führen und zu dem Wunsch, niemandem zur Last zu fallen.

Der Versuch, sich möglichst alleine durchzukämpfen, kann aber auch auf das Bedürfnis zurückgehen, eine Abhängigkeit zu vermeiden. Eine Bitte initiiert ein stillschweigendes Tauschgeschäft, das Dankbarkeit und Reziprozität beinhaltet. Tut jemand etwas für uns, kann er erwarten, dass wir uns bei nächster Gelegenheit erkenntlich zeigen. 

Warum wir öfter um Hilfe bitten sollten

Die Gründe dafür, dass es uns in vielen Situationen schwerfällt, um Hilfe zu bitten, haben somit viel mit unserem Wunsch nach Anerkennung und mit schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit zu tun. Alle  Hürden entspringen  Ängsten, die unseren Blick verstellen. Dabei sieht die Realität oft ganz anders aus.

Eine Bergsteigergruppe bildet eine Kette, um jemandem bei der Überwindung eines Spalts zu helfen

© iStock / LoveTheWind

Es ist beiden Seiten geholfen

Was man oft vergisst, was aber die eigene Erfahrung zeigen müsste, ist die Tatsache, dass die meisten Menschen gerne helfen. Wer hilft, fühlt sich gut und gestärkt. Denn dann wird sein Belohnungssystem im Gehirn aktiviert, das Glückshormone freisetzt. Es ist evolutionär in uns angelegt, anderen Menschen zu helfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eine Bitte ausschlägt, ist daher sehr gering.

Indem wir dem Helfenden Wertschätzung und Vertrauen in sein Wissen und seine Fähigkeit vermitteln und uns trauen, uns ihm gegenüber zu offenbaren, erhält die Beziehung zudem eine ganz andere Qualität. Jemandem einen Gefallen zu schulden, enthält somit auch eine positive Komponente: Wir haben die Möglichkeit, eine vertrauensvolle Beziehung weiter auszubauen.  

Wir erscheinen selbstsicher und sympathisch(er)

Auch um unser Ansehen müssen wir uns keine Sorgen machen, wenn wir uns helfen lassen. Ganz im Gegenteil ist dies ein Zeichen emotionaler Reife und Selbstsicherheit: Man verfällt nicht dem Glauben, dass das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten grenzenlos sein müssen. Stattdessen ist man sich seiner selbst so sicher, dass man zu seinen Schwächen stehen kann – und das signalisiert Stärke. 

Nicht zuletzt macht es uns sogar sympathischer, uns Unterstützung zu suchen. Das ist ein wissenschaftlich gut untersuchtes Phänomen. Der sogenannte „Benjamin-Franklin-Effekt“ geht auf eine Erfahrung zurück, die der Gründervater der USA gemacht hat. Er lieh sich ein Buch von einem politischen Konkurrenten aus und sandte es ihm samt einem Dankesbrief eine Woche später zurück. Daraus entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen den früheren Rivalen. 

Um Hilfe zu bitten, kann darüber hinaus noch mehr Vorteile für uns haben:

  • Wir kommen schneller ans Ziel: Haben wir jemanden zur Seite, der sich gut auf einem Gebiet auskennt, benötigen wir weniger Zeit, um eine Aufgabe zu erledigen.
  • …und das spart auch noch viel Kraft und Energie, die wir für andere Dinge aufwenden können.
  • Es gibt uns die Möglichkeit, uns weiterzuentwickeln: Zeigt uns jemand, wie etwas geht, lernen wir dazu und vermeiden dadurch, immer wieder die gleichen Fehler zu machen.
  • Indem wir unsere Probleme aktiv angehen, beweisen wir Eigenverantwortung und Stärke.
  • Wir machen es uns nicht unnötig schwer und beugen Frustration und Stress vor.

Eines dürfte klar geworden sein: Bitten wir andere um Hilfe, können wir davon auf zuvor ungeahnte Weise profitieren. Unser Leben wird leichter, die Qualität unserer Beziehungen verbessert sich, und wir beweisen Mut und Stärke. 


Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?