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So können Sie den Gender Care Gap überwinden

Veröffentlicht am:07.10.2022

6 Minuten Lesedauer

Frauen übernehmen noch immer mehr unbezahlte Haushalts- und Sorgearbeit als Männer. Dieses Ungleichgewicht wird Gender Care Gap genannt. Für Frauen ist damit auch ein finanzielles Risiko verbunden.

Mutter leistet Care-Arbeit und kümmert sich gleichzeitig um Haushalt und Erziehung ihrer Tochter.

© iStock / Three Spots

Was ist der Gender Care Gap?

Kinderbetreuung, Hausarbeit, die Pflege von Angehörigen, die Organisation des Alltags: All diese Tätigkeiten sind Arbeit, die aber nicht bezahlt wird. Wenn Menschen sich um andere Menschen kümmern, spricht man auch von Sorgearbeit (Care-Arbeit). Sie wird überwiegend von Frauen geleistet. Jeden Tag bringen sie viel mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer: durchschnittlich 43,4 Prozent. Umgerechnet sind das 76 Minuten pro Tag. Im Durchschnitt leisten Frauen knapp 29 Stunden unbezahlte Care-Arbeit pro Woche, Männer knapp 20 Stunden. Dieser Unterschied wird auch als Gender Care Gap bezeichnet (das englische Wort gap bedeutet „Lücke“). Er führt dazu, dass Frauen auch finanzielle Nachteile haben, weil ihnen die Zeit für Erwerbsarbeit fehlt.

Wie wird der Gender Care Gap ermittelt?

Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlicht etwa alle zehn Jahre die Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung (ZVE), einer repräsentativen Befragung von Haushalten. Die letzte Erhebung fand 2022 statt. Gefragt wird danach, wie viel Zeit den Menschen in Deutschland neben Arbeit und Schule für Freundschaften und Familie bleibt und wie viel Zeit sie für unbezahlte Care-Arbeit aufbringen. Auf Basis dieser Daten wird der Gender Care Gap berechnet. Er ist ein Indikator für die Gleichstellung von Männern und Frauen und zeigt, wo die Unterschiede in der Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern liegen. Ein weiterer bekannter Indikator für den Stand der Gleichstellung ist der Gender Pay Gap. Dieser Begriff beschreibt laut Definition die Gehalts- oder Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen.

Gender Pay Gap oder Gender Care Gap?

Begriffe wie Gender Pay Gap und Gender Care Gap gehen oft Hand in Hand, denn sie zeichnen das gleiche Bild: Sorge- und Erwerbsarbeit sowie die Verdienstmöglichkeiten sind nicht gleichberechtigt verteilt. Konkret verdienen Männer im Durchschnitt mehr als Frauen (Gender Pay Gap). Der Unterschied liegt aktuell bei 16 Prozent. Darauf macht der Equal Pay Day aufmerksam. Dagegen stemmen Frauen den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit (Gender Care Gap).

Häusliche Pflege und Gender Care Gap

Drei Viertel der Pflegenden sind weiblich. Und die Pflege von Angehörigen ist besonders zeitintensiv. Das zeigt eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, die 2024 veröffentlicht wurde. Mit durchschnittlich 49 Wochenstunden liegt sie deutlich über dem Arbeitszeitvolumen einer Vollzeitstelle. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist der zeitliche Aufwand für die häusliche Pflege sogar um sechs Stunden gestiegen. Fast jede vierte Hauptpflegeperson im Alter zwischen 18 und 65 Jahren hat deshalb ihre Erwerbstätigkeit reduziert oder ganz aufgegeben. Nicht einmal die Hälfte der Befragten (46 Prozent) ist in Vollzeit tätig. Die Befragung legt auch nahe, dass der hohe zeitliche Aufwand direkte Auswirkungen auf die Erwerbsarbeit und die Work-Life-Care-Balance hat.

Warum ist der Gender Care Gap besonders für Frauen ein Nachteil?

Wenn Frauen einen viel größeren Teil der Sorgearbeit übernehmen, bringt das für sie viele Nachteile – insbesondere finanzielle. Weil sie zu Hause mehr eingespannt sind, leisten sie weniger Erwerbsarbeit und sind deutlich häufiger in Teilzeit beschäftigt als Männer. Dadurch verdienen Frauen weniger und haben kurzfristig, aber auch langfristig weniger Geld zur Verfügung.

Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger wegen unbezahlter Sorgearbeit als Männer. Das führt dazu, dass sie weniger Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung (und gegebenenfalls betriebliche Rente) einzahlen und die Rente später niedriger ausfällt. Die Möglichkeiten, eine private Altersvorsorge aufzubauen, sind dadurch ebenfalls beschränkt. In einigen Fällen reichen die erwirtschaften Ansprüche an die Alterssicherung später nicht aus, um davon leben zu können. Im Jahr 2023 waren die Alterseinkünfte von Frauen in Deutschland um 27,1 Prozent geringer als die von Männern. Das wird auch als Gender Pension Gap bezeichnet.

Wenn Frauen trotz Berufstätigkeit den Großteil der Care-Arbeit stemmen müssen, entsteht eine zusätzliche Belastung. Es fällt schwer, die Sorgearbeit mit der beruflichen Arbeit zu vereinbaren. Gleichzeitig ist es mit einer Teilzeitbeschäftigung schwieriger, die eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern und Karriere zu machen. Führungspositionen werden in der Regel nur als Vollzeitstellen besetzt. Führen in Teilzeit ist noch immer die Ausnahme. Das erschwert es Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sich beruflich weiterzuentwickeln.

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Sandwich-Generation: zwischen Kinderbetreuung und Pflege

Care-Arbeit und Berufstätigkeit in Einklang zu bringen, ist nicht nur eine Herausforderung für Eltern kleiner Kinder. Frauen und Männer mittleren Alters stehen häufig vor der Aufgabe, ihre eigene Existenz durch die Arbeit im Job zu sichern, Schulkinder zu betreuen und zusätzlich die Pflege für die eigenen Eltern zu übernehmen oder diese zu organisieren. Da sie Sorgearbeit „in beide Richtungen“ leisten, hat sich die Bezeichnung „Sandwich-Generation“ etabliert.

Sandwich-Generation: Frauen und der Gender Care Gap

Für Frauen der Sandwich-Generation entsteht eine besondere Belastung, weil sie auch für die Pflege von Angehörigen mehr Zeit aufwenden. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist für viele eine ähnliche Herausforderung wie die Betreuung kleiner Kinder bei zusätzlicher Berufstätigkeit. Eine Situation, die sich im Hinblick auf den demografischen Wandel noch weiter verschärfen wird: In Zukunft wird es immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen geben, aber immer weniger jüngere Menschen, die sie versorgen können.

Mann kocht mit behindertem Sohn und hilft, den Gender Care Gap zu schließen.

© iStock / Halfpoint

Um den Gender Care Gap zu beheben, müssen Männer mehr unbezahlte Care-Arbeit übernehmen.

Wie lässt sich der Gender Care Gap überwinden?

Es ist im Grunde ganz einfach: Um den Gender Care Gap zu schließen, müssten einerseits Erwerbspersonen, in der Regel Männer, mehr unbezahlte Care-Arbeit übernehmen. Die Personen, die überdurchschnittlich viel Sorgearbeit leisten – meist die Frauen – müssten sich mehr der Erwerbsarbeit widmen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Damit Frauen und Männer gleichberechtigt am Arbeitsmarkt präsent sein können und Aufgaben wie die Betreuung von Kindern und die Pflege Angehöriger fairer unter den Geschlechtern verteilt werden.

Die Familienpflegezeit

Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit pflegebedürftig. Rund 84 Prozent von ihnen werden zu Hause versorgt: von Angehörigen oder nahestehenden Personen. Die Familienpflegezeit unterstützt Angehörige, Pflege und Beruf miteinander zu vereinbaren. Wer einen nahen Angehörigen pflegt, kann sich bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen. Konkret heißt das: Die wöchentliche Arbeitszeit muss mindestens 15 Stunden betragen.

Die Politik hat mit der Gestaltung von Elternzeit und Elterngeld Anreize für Väter geschaffen, sich stärker in die Care-Arbeit einzubringen. Die Familienpflegezeit stellt für Menschen der Sandwich-Generation eine Möglichkeit dar, die Pflege von Angehörigen besser mit der Berufstätigkeit zu verbinden.

Der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sowie einer zuverlässigen Pflege-Infrastruktur, auch für pflegbedürftige Kinder und Jugendliche, sind wichtige Stellschrauben, die es Frauen ermöglichen, weniger Sorgearbeit zu leisten. Arbeitsplätze müssen zudem familienfreundlicher werden. Wichtig ist auch, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und eine ausgewogene Arbeitsteilung in die Praxis umzusetzen. Care-Arbeit ist nicht „Frauensache”, genauso wenig ist es „Männersache“, das Geld für die Familie zu verdienen.

Mit diesen praktischen Tipps dem Gender Care Gap entgegenwirken

Den Gender Care Gap zu überwinden, ist eine wichtige Aufgabe, an der Politik, Unternehmen und die Gesellschaft mitwirken müssen. In jedem Haushalt und in jeder Familie gibt es Möglichkeiten, den Gender Care Gap auszugleichen.

Diese Tipps helfen dabei:

  • Teilen Sie Elternzeit unter beiden Elternteilen gleich auf. Es gibt sogar mehr Elterngeld-Monate, wenn beide Elternteile in Elternzeit gehen.
  • Behandeln Sie die Pflege Angehöriger als eine Aufgabe, die grundsätzlich beide Partner stemmen müssen: Beantragen Sie beide die Familienpflegezeit.
  • Schauen Sie gemeinsam, welche Aufgaben rund um Haushalt, Familie und Garten anfallen und welchen Zeitaufwand sie beanspruchen.
  • Üben Sie Wertschätzung für die unbezahlte Sorgearbeit. Auch sie ist Arbeit. Ihr Wert fällt häufig erst dann auf, wenn die Care-Arbeit nicht mehr erledigt wird.
  • Errechnen Sie den finanziellen Wert der Sorgearbeit: Kochen, Waschen, Putzen, Kinderbetreuung – listen Sie einmal auf, was professionelle Dienstleister und Dienstleisterinnen für die Erledigung dieser Aufgaben bekommen würden. Dies rückt die Rechnung, ob es „sich lohnt“, mehr zu arbeiten, in ein anderes Licht.
  • Teilen Sie Aufgaben nach Interesse und Eignung auf: Vielleicht kocht einer oder eine von Ihnen lieber, dafür hat er oder sie kein Talent zum Bügeln. Wenn die Sorgearbeit nach persönlichen Interessen vergeben wird, rückt eine gerechtere Aufteilung in den Fokus.

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