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Gesundheitsmagazin

AOK Bremen/Bremerhaven

Chronische Wunden besser versorgt

Veröffentlicht am:23.04.2024

6 Minuten Lesedauer

Wer unter chronischen Wunden leidet, weiß, dass die Behandlung oft langwierig und mit Schmerzen verbunden ist. Im Rahmen des Projektes „IP Wunde“ unterstützt Sie die AOK Bremen/Bremerhaven mit einem innovativen, kostenfreien Behandlungsangebot.

© Jens Lehmkühler

Kleine Unachtsamkeit mit Folgen

Es war nur eine kleine Unachtsamkeit. Jens Neumann touchierte mit seinem Knöchel das Thermostat einer Heizung. Zurück blieb eine Macke am Unterschenkel, die ihm fünf Jahre später immer noch zu schaffen macht. Erst jetzt, als Patient im Projekt IP-Wunde, heilt die Blessur ab.

Jens Neumann ist einer von gut 2,7 Millionen Menschen in Deutschland, die an chronischen Wunden leiden. Davon spricht man, wenn die Heilung acht Wochen nach der Entstehung immer noch nicht abgeschlossen ist. Das erleben Menschen mit Tumorwunden oder Autoimmunkrankheiten, Patienten mit Diabetes, Venenerkrankungen oder arteriellen Durchblutungsstörungen. Oder Menschen wie Jens Neumann, übergewichtig, mit Wassereinlagerungen in den Beinen.

Wunde wurde immer größer

Die kleine Wunde, die er sich vor fünf Jahren zuzog, wuchs im Laufe der Jahre von einem Quadratzentimeter auf eine Größe von zehn mal acht Zentimetern an. „Aber ich habe so weitergemacht wie immer, Schmerzen hatte ich ja keine.“ Zum Arzt ging er nur, weil irgendwann ein unangenehmer Geruch von der Wunde ausging. Vermutlich übers Duschen waren Kolibakterien hinein gelangt, auch ein Pilz hatte sich breitgemacht. Beides musste behandelt werden.

Schmerzen, Heilungsdauer und Komplikationen verringern

Über seinen Hausarzt landete der 53-Jährige im Mai vergangenen Jahres im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Gefäßmedizin am Bremer Rotes Kreuz Krankenhaus. Die Praxis ist eine von acht spezialisierten Wundpraxen, die sich dem Projekt IP-Wunde angeschlossen haben, das die AOK Bremen/Bremerhaven, die Kassenärztliche Vereinigung Bremen, das Kompetenzzentrum für Klinische Studien der Uni Bremen und das Unternehmen IVP Networks initiiert haben. Ziel ist es, Schmerzen, Heilungsdauer und die Gefahr von Komplikationen bei chronischen Wunden zu verringern und Abläufe und Strukturen im Gesundheitswesen zu verändern. Das Projekt wird vom Kompetenzzentrum für Klinische Studien der Uni Bremen wissenschaftlich begleitet. Teilnehmende Patientinnen und Patienten können über Monate mehrmals pro Woche zur Wundversorgung gehen, der Regelfall ist das im Praxisalltag nicht. 

Erkennung der Grunderkrankung

Dr. Karen Stührmann ist Fachärztin für allgemeine Chirurgie und Gefäßchirurgie am MVZ

Dr. Karen Stührmann ist Fachärztin für allgemeine Chirurgie und Gefäßchirurgie am MVZ. Sie setzt große Hoffnungen in das Projekt, das auf einem Netzwerk mit primärversorgenden Praxen sowie spezialisierten Wundpraxen für Chirurgie, Diabetologie und Dermatologie fußt. Um chronische Wunden zu heilen, reiche es nicht, die Blessur nur anzuschauen. Man müsse die Grunderkrankung erkennen. Sei beispielsweise die Durchblutung eines Beines gestört, müsse dieses Problem erst beseitigt werden, damit die Wunde heile. „Sonst kann man die besten Verbände darauf packen, aber es wirkt nicht.“

In ihren eigens eingerichteten Wundsprechstunden begutachtet Dr. Karen Stührmann die Wunden ihrer Patienten und reinigt sie. „Das ist weit mehr als Desinfektion“, stellt sie klar. Mit Pinzette und Schere trägt sie abgestorbenes Gewebe ab, bevor die Wunde einen neuen, stadiengerechten und damit optimal angepassten Wundverband erhält. Bei venösen Wunden folgt dann die Kompression. „Ohne sie heilen diese Wunden nicht.“

Zeit für den Patienten

Wundversorgung ist für Karen Stührmann mehr als ein Job. „Ich mache das wirklich gerne. Das ist nicht immer schön anzusehen, es riecht manchmal auch nicht lecker. Aber ich habe Zeit mit dem Patienten, wir reden viel. Das tut den Menschen gut – auch psychisch.“ Denn, das weiß sie nur zu genau, es gibt ganz andere Patienten als Jens Neumann. Patienten, denen Verbandswechsel große Schmerzen bereiten, wenn sie nicht sogar dauerhaft Beschwerden haben. Patienten, die gehandicapt sind und auch psychisch darunter leiden. Patienten, die seit zehn Jahren an einer offenen Wunde laborieren.

Konsequente ärztliche Behandlung

„Diese Patienten sind immer hinten runtergefallen“, meint Dr. Gottfried Bruhn. Der Facharzt für Chirurgie nimmt mit seiner Horner Praxis ebenfalls am Projekt teil. Er ist überzeugt, dass Wunden schneller heilen, wenn die Behandlung konsequent in ärztlicher Hand bleibt. Und es werde auch günstiger. „Selbst wenn wir mit gutem Material drei bis fünf Monate intensiv an einer Wunde arbeiten, kann das langfristig preiswerter sein als eine lebenslange Behandlung.“

Dank der Behandlung in seiner Praxis hofft auch Heidemarie Iller, im Sommer wieder kurze Hosen tragen zu können. Ihre Haut am Unterschenkel sei seit Jahren schuppig und verletzt. Die Ursache für ihre Beschwerden seien auch beim Experten bislang nicht gefunden worden, sagt sie, aber das Bein heile endlich langsam ab. Dank der digitalen Wundfallakte, die für jeden Patienten geführt wird und auch eine bebilderte Wunddokumentation enthält, ist ihr Pflegedienst bestens involviert und setzt die Wundversorgung zu Hause fort.

Weiterbildung heilt Wunden

Ausführliche Fragebögen für die Patienten helfen dabei, der Grunderkrankung auf die Spur zu kommen

Auch die Weiter- oder Mitbehandlung in der überweisenden Praxis ist möglich. Deren Mitarbeiter können sich im Rahmen des Projektes zu Wundexperten ausbilden lassen. So wie Katinka Voigt aus der Gemeinschaftspraxis Blumenthal, die an Weiterbildungen zur Wundassistentin der Ärztekammer Bremen teilgenommen hat, unter anderem bei Dr. Karen Stührmann. Diese findet die begleitende Weiterbildung für das Personal der Primärversorger und der Wundpraxen enorm wichtig. „Moderne und stadiengerechte Wundversorgung wird im Studium und in der Ausbildung stiefmütterlich behandelt“, meint die Expertin. „Man hört von Gefäßerkrankungen und Nekrosen, aber man lernt nicht, wie man sie verbindet.“

Katinka Voigt ist mit ihrer Expertise in der Gemeinschaftspraxis jede Woche mehrmals gefragt. „Wir können die Wundversorgung selber machen“, sagt sie. Gleichzeitig weiß sie aber, dass sie sich auf den fachlichen Background der Wundpraxen verlassen kann. „Das ist toll und hilfreich.“ Und auch vorbeugend mache das Projekt Sinn, ergänzt Dr. Ivans Kuznecovs aus der Gemeinschaftspraxis Vegesack. Denn je früher eine Wunde tiefgründig angeschaut werde, desto schneller könne sie heilen. „Das kann helfen, große Infektionen zu verhindern.“ Gerade vor diesem Hintergrund bedauert Dr. Stührmann, dass nicht noch mehr Praxen und Patienten teilnehmen, als es bisher geschieht.

Jens Neumann wechselt seine Verbände inzwischen selbst. Die Zeit im Projekt ist für ihn eigentlich vorbei, bei Auffälligkeiten kann er weiterhin den Rat der Experten einholen. Die Wunde heilt. Damit sie nicht wieder aufbricht, hat er angefangen, sein Übergewicht zu reduzieren. „40 Kilo sind bestimmt schon runter.“

Autorin: Stefanie Waterkamp

Der Weg zur besseren Wundversorgung

Das Projekt „IP-Wunde“ richtet sich an Versicherte der AOK Bremen/Bremerhaven ab 18 Jahren, die an chronischen Wunden, postoperativen Wunden oder Wundheilungsstörungen leiden, die als chronisch einzustufen sind. 

IP-Wunde steht für Infrastruktur und Prozesse für optimierte Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden – dezentral und regelversorgungsnah in Bremen. Im Rahmen des Projektes arbeiten primärversorgende Praxen und spezialisierte Wundpraxen eng zusammen, um eine schnellere und bessere Heilung von Wunden zu ermöglichen. 

Betroffene erhalten so eine abgestimmte, optimale Wundversorgung. Die Behandlung wird in einer Fallakte dokumentiert, die alle Beteiligten einsehen können. Die Teilnahme ist freiwillig und für die Patienten kostenfrei, einzig die üblichen Rezeptkosten werden fällig. Fragen Sie bei Ihrem Hausarzt nach, ob er am Projekt teilnimmt. Andernfalls wenden Sie sich an eine der spezialisierten Wundpraxen. 

www.ipwunde.de

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